Stefan Engel
Stefan Engel: Impulsreferat zur Eröffnung des 1. Weltkongresses der "United Front" am 5. September 2023
Einleitung zur Entstehung und Bedeutung der der Antiimperialistischen und Antifaschistischen Einheitsfront durch Stefan Engel
Stefan Engel, 05. September 2023
Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Genossinnen und Genossen,
ich freue mich und es ist mir eine Ehre, dass das Konsultativkomitee mir die Aufgabe erteilt hat, ein Impulsreferat zur Eröffnung des Ersten Weltkongresses der Einheitsfront zu halten.
1. Als antiimperialistische Einheitsfront kämpfen wir gegen den Imperialismus.
Mao Tsetung gab uns den weisen Rat:
»Kennst du den Feind und kennst du dich selbst, 1000 Schlachten ohne Niederlage.«
Wenn man den Imperialismus wirksam bekämpfen will, muss man ein klares Grundverständnis über sein Wesen und seine charakteristischen Eigenschaften haben.
2. Als dialektische Materialisten gehen wir natürlich von den wissenschaftlichen Grundlagen unserer Theoretiker aus, doch dies nicht dogmatisch!
Sind wir doch von ihnen gehalten stets die Veränderungen im imperialistischen Weltsystem mit wachem Verstand konkret zu analysieren.
Manche meiner Thesen aus dieser konkreten Analyse werden international lebhaft und zuweilen kontrovers diskutiert.
Aber genau dieser Diskussionsprozess ist unverzichtbar, wenn wir zu einem gemeinsamen international koordinierten Erkenntnisfortschritt und zu einem gemeinsamen revolutionären Handeln kommen wollen.
Deshalb gehören in dieser Eröffnungsveranstaltung exponierte Thesen und die anschließende Diskussion untrennbar zusammen.
»Die hauptsächlichen Ursachen gesellschaftlicher Veränderungen und Umbrüche sind nicht in den Köpfen oder Programmen der herrschenden Politiker zu suchen oder im Aufkommen neuer Ideen oder Philosophien, so belegt es der dialektische und historische Materialismus.
Sie haben ihre materielle Grundlage vielmehr in der ökonomischen Basis der Gesellschaft, in der widersprüchlichen Entwicklung der (kapitalistischen) Produktionsweise.« (Stefan Engel,
»Über die Herausbildung der neuimperialistischen Länder«)
Die ökonomische Grundlage des Kapitalismus besteht allgemein in der Ausbeutung der Lohnarbeit und der Natur.
Der Kapitalismus ist vorwiegend nationalstaatlich organisiert.
Nach der Definition von Lenin brachte der Imperialismus eine neue Stufe der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen hervor. Diese neue Stufe der Ausbeutung hat ihre materielle Basis in der Monopolisierung der kapitalistischen Produktionsweise.
Monopole geben sich mit Durchschnittsprofiten nicht zufrieden und streben nach Maximalprofiten.
Da sich die Monopole die nationalen Märkte bereits vollständig untergeordnet haben, geht von ihnen eine gesetzmäßige Tendenz nach Internationalisierung von Produktion und Handel aus.
Charakteristisch für die imperialistische Produktionsweise sind Raubprofite, das heißt, dass sich die Monopole durch ihre hervorgehobene ökonomische und politische Stellung die Profite der konkurrierenden Monopole, der nichtmonopolistischen Bourgeoisie oder der neokolonial abhängigen Länder auf der ganzen Welt aneignen. Das sind Raubprofite, die nicht unmittelbar durch die kapitalistische Lohnarbeit erwirtschaftet sind, sondern geraubt.
Kennzeichnend für den modernen Imperialismus im Unterschied zum Imperialismus des Feudalismus, denn nicht erst der Kapitalismus kennt einen Imperialismus – aber im Kapitalismus ist der Export von Kapital entscheidend geworden.
Politisch definierte Lenin den Imperialismus als Reaktion auf der ganzen Linie, nach innen und außen.
Machtpolitisch strebt der Imperialismus nach Weltherrschaft.
Diese drei Definitionen kennzeichnen unterschiedliche Merkmale des imperialistischen Gesellschaftssystems, die als dialektische Einheit betrachtet werden müssen.
Doch der Imperialismus ist einer Entwicklung unterworfen:
Ende des 19. Jahrhunderts wurde die neue Epoche des Finanz- und Monopolkapitals, sprich: des Imperialismus eingeleitet. Anfang des 20. Jahrhunderts hatte sich der Monopolkapitalismus endgültig herausgebildet.
Der Imperialismus wandelte sich während des Zweiten Weltkriegs vom Monopolkapitalismus zum staatsmonopolistischen Kapitalismus.
Das bedeutet – im Unterschied zum Monopolkapitalismus – die Monopole haben sich den Staat vollständig untergeordnet, seine Organe sind mit denen des Staates verschmolzen und auf dieser Grundlage haben die Monopole ihre Herrschaft über die gesamte Gesellschaft errichtet. Das ist staatsmonopolistischer Kapitalismus, die heutige Form des Imperialismus.
Das System des Imperialismus auf dieser Stufe muss deshalb als Diktatur der Monopole bezeichnet werden, gleich welche Herrschaftsform sie bevorzugen – den Faschismus, die Militärdiktatur oder die bürgerliche Demokratie – immer ist es eine Diktatur der Monopole.
Der imperialistische Kolonialismus nahm nach dem Zweiten Weltkrieg den Charakter des Neokolonialismus an, denn nach den Schlägen der Kolonialvölker konnte das alte Kolonialsystem nicht mehr aufrecht erhalten werden.
Das heißt, die neokoloniale Ausbeutung erfolgt in erster Linie über das Finanzkapital mit der Methode der wirtschaftlichen Durchdringung und politischen Abhängigkeit. Das bedeutet allerdings nicht, dass der Imperialismus auf die militärische Eroberung verzichtet – wie wir das gegenwärtig im Ukrainekrieg miterleben.
Im Gegenteil, der Krieg ist systemimmanent mit dem Imperialismus verbunden.
Seit den 1990er Jahren muss man von einer Neuorganisation der internationalen Produktion sprechen.
Mit der Internationalisierung der Produktion seit den 1990er Jahren hat der Imperialismus eine neue Qualität bekommen.
Das bedeutet, dass kapitalistische Produktion und Handel hauptsächlich international, auf den Weltmarkt bezogen stattfinden. Es ist nicht mehr entscheidend, ob sie Profite machen, sondern ob sie im Weltmarkt eine bestimmte Spitzenstellung erzielen können. Der deutsche Bergbau war einer der sichersten und produktivsten der Welt, aber die RAG war damit nicht in der Lage in die Reihe der Spitzenmonopole aufzusteigen, deshalb wurde der gesamte Steinkohlebergbau in Deutschland geschlossen.
Das hat eine neue Stufe der imperialistischen Konkurrenz ausgelöst, in der sich die internationalen Monopole der einzelnen imperialistischen Länder einen erbitterten Schlagabtausch liefern, was die allgemeine Kriegsgefahr tendenziell verschärft. Die Reaktion nach innen richtet sich vor allem gegen die Arbeiterklasse, die Revolutionäre und ihre Parteien sowie die kämpfenden Massen, um unter allen Umständen die imperialistischen Machtverhältnisse aufrechtzuerhalten.
Eine Verschärfung der allgemeinen Kriegsgefahr erleben wir insbesondere seit der offenen Krise der Neuorganisation der internationalen Produktion, die in Verbindung mit der Weltwirtschafts- und Finanzkrise 2008 ausgebrochen ist.
Sie ist offen hervorgebrochen mit dem Kampf zwischen der NATO und Russland um die Vorherrschaft in den ehemaligen Sowjetrepubliken Georgien und Ukraine, der zu einem imperialistischen Krieg zwischen Russland und der NATO in der Ukraine führte.
3. Mit der Neuorganisation der internationalen Produktion entstanden eine Reihe neuer Erscheinungen und wesentlicher Veränderungen des imperialistischen Weltsystems, die für die Strategie und Taktik der Marxisten-Leninisten, der Revolutionäre und Antiimperialisten von grundlegender Bedeutung sind.
A. Dies hatte zu allererst Auswirkung auf die Veränderung der Produktionsweise:
Internationale Monopole sind zum Teil länderübergreifend zu weltmarktbeherrschenden Übermonopolen verschmolzen.
Die 500 größten der insgesamt 120.000 internationalen Monopole des allein herrschenden internationalen Finanzkapitals beherrschen heute ökonomisch den Weltmarkt und politisch das Weltgeschehen.
Die Grundlage der Produktionsweise ist die internationale Arbeitsteilung, die die verschiedenen Volkswirtschaften – einschließlich der imperialistischen Länder – in eine besondere gegenseitige Abhängigkeit vom Weltmarkt stürzt und insbesondere in Krisenzeiten durch Störung der Lieferketten und Krisen in der Rohstoffversorgung empfindlich beeinträchtigt.
Gleichzeitig gibt es einen neuen charakteristischen Widerspruch:
Die internationalen Übermonopole haben ihre Herrschaft über die gesamte Welt errichtet und kämpfen erbittert um die Vorherrschaft auf dem Weltmarkt.
Gleichzeitig bleibt die Nationalstaatlichkeit unverzichtbar als machtpolitische Basis und Ausgangspunkt für den internationalen Konkurrenzkampf bestehen. Dieser Widerspruch ist heute sehr ausgeprägt.
B. Die Neuorganisation der internationalen Produktion verändert die internationale Klassenstruktur. Der Siegeszug der kapitalistischen Produktionsweise hat eine mächtige internationale Arbeiterklasse herausgebildet. Das sind insgesamt 4,5 Milliarden, die zur internationalen Arbeiterklasse gehören, also die Mehrheit der Weltbevölkerung.
Doch mit der Herausbildung internationaler Monopole entstand im Besonderen ein internationales Industrieproletariat in den internationalen Großbetrieben, deren Produktionsweise über Ländergrenzen hinweg standardisiert ist. Ich habe Betriebe internationaler Monopole in Indien oder in Argentinien besucht, die genauso arbeiten wie in Deutschland. Es gibt geklonte Fabriken von GM, die genauso wie in Deutschland produzieren.
Dazu gehören Arbeiter und Angestellte, die direkt bei den internationalen Monopolen beschäftigt sind, auch Arbeiter und Angestellte nationaler Monopole, Zulieferer usw.
Damit hat sich der Imperialismus selbst mächtige Gegner geschaffen:
»Dieses internationale Industrieproletariat ist Träger einer gesellschaftlichen Entwicklung, die den Klassenantagonismus über alle nationalen Schranken hinaus in den Vordergrund treten lässt und in der internationalen Arbeiterklasse über alle Unterschiede hinweg Gemeinsamkeit und Annäherung immer stärker herausbildet.
Die Stellung der Arbeiter in der fortgeschrittensten gesellschaftlichen Produktion, die einen internationalen Charakter bekommen hat, bildet die materielle Grundlage dafür.« (Stefan Engel, »Götterdämmerung über der ›neuen Weltordnung‹«, Seite 86)
Das begründet die führende Rolle des internationalen Industrieproletariats im antiimperialistischen Kampf.
C. »Der Zusammenbruch der sozialimperialistischen Supermacht Sowjetunion und des Rats für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) 1990/1991 führte zu einem einheitlichen Weltmarkt. …
Dieser Prozess der wirtschaftlichen und politischen Neuordnung der Welt wälzte das gesamte bisherige imperialistische Weltsystem um.« (Stefan Engel, Gabi Fechtner, Monika Gärtner-Engel, »Der Ukrainekrieg und die offene Krise des imperialistischen Weltsystems«, S. 6)
Staatliche Monopole wurden privatisiert, länderübergreifende Fusionen ließen gigantische Monopolgebilde entstehen.
Diese Entwicklung blieb nicht auf die alten imperialistischen Länder beschränkt, sondern erfasste auch eine Reihe ehemals sozialistische Länder und bevölkerungsreiche neokolonial abhängige Länder.
So entstanden eine Reihe neuimperialistische Länder in Russland, in China, in Indien, in Indonesien, in Brasilien, in Südafrika, der Türkei oder in Saudi-Arabien.
Diese sind heute im wesentlichen in den G 20-Gipfeln zusammengefasst.
Bereits im Jahr 2017 gab es mindestens 14 neu-imperialistische Länder, in ihnen lebte mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung.
Sie machten den USA, Japan und den Staaten der EU zunehmend Absatzmärkte und Einflussgebiete streitig. Einige dieser Länder bauten eine regionale imperialistische Vormachtstellung auf.
Sie verfolgen Visionen eigener imperialistischer Vorherrschaft, entwickeln schnell wachsende militärische Machtapparate und bilden weltweit ideologisch-politische Machtzentren zur Manipulation der öffentlichen Meinung heraus. Beispielsweise Al Jazeera und auch Russland macht eine intensive Propaganda über RT (Russia Today).
Gleichzeitig bleiben die USA die einzige imperialistische Supermacht.
Diese Sonderrolle zeigt sich gerade auf militärischem Gebiet.
Doch auch China ist inzwischen zu einer ökonomischen Supermacht geworden und strebt danach, dies auch in politischer und militärischer Hinsicht zu werden.
Dieser Widerspruch zwischen den USA und China bestimmt die hauptsächlichen ökonomischen und politischen Widersprüche innerhalb des imperialistischen Weltsystems.
Wir erleben gerade, wie diese einzelnen Imperialisten sich verstärkt in erweiterten Blockbildungen wie BRICS organisieren und dadurch einander verschärft Konkurrenz machen.
D. Mit dem Übergang zum Imperialismus am Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Ausbeutung von Mensch und Natur sprunghaft vertieft.
Sie nahm die Dimension der Ausbeutung und Unterdrückung ganzer Länder und Völker an.
Umfang und globales Ausmaß der Untergrabung der natürlichen Lebensgrundlagen der Menschheit lösten Ende der 1960er/Anfang der 1970er-Jahre eine globale Umweltkrise aus, die die Einheit von Mensch und Natur allgemein in Frage stellte.
Mit der Neuorganisation der internationalen Produktion ab den 1990er-Jahren wandelte sich diese Umweltkrise von einer Begleiterscheinung zu einer Gesetzmäßigkeit des imperialistischen Weltsystems.
»Die rücksichtslose Ausbeutung der Naturressourcen als eine Quelle des Reichtums auf einem Niveau der systematischen und allseitigen Zerstörung der lebensnotwendigen Einheit von Mensch und Natur (wurde) erstmals zu einem ökonomischen Zwang.« (für die Monopole um Maximalprofit zu erzielen.) (Stefan Engel, »Morgenröte der internationalen sozialistischen Revolution«, Seite 190/91)
In den vergangenen Jahren hat sich der Übergang zur globalen Umweltkatastrophe massiv beschleunigt. Das bedeutet, dass inzwischen ein selbstzerstörerischer Prozess in der Natur eingesetzt hat, der die menschlichen Existenzgrundlagen in Frage stellt.
Damit ist eine latente Existenzkrise der Menschheit entstanden, was dramatische Auswirkungen für das menschliche Leben, aber auch für die revolutionäre Strategie und Taktik im Kampf gegen den Imperialismus nach sich zieht.
»Es gibt eine Reihe irreversibler Entwicklungen wie die globale Klimakatastrophe, das Erlahmen der Meeresströme und Jetwinde, das Umkippen der Meere, das weltweite Artensterben mit dem drohenden Zusammenbruch grundlegender Ökosysteme oder die Chronifizierung der Ausdünnung der Ozonschicht.«
Wir haben diese neue Entwicklung der globalen Zerstörungs- und Selbstzerstörungsprozesse der Biosphäre aktuell analysiert und werden dazu Anfang Oktober eine Extranummer unseres theoretischen Organs REVOLUTIONÄER WEG veröffentlichen.
E. Eine neue Erscheinung ist die ausschlaggebende Bedeutung der Börsen für das Generieren von Maximalprofiten.
Sie sind neben der dramatischen Staatsverschuldung maßgeblich für die Generierung von Maximalprofiten und die internationale Steigerung der Inflation verantwortlich.
Angesichts der allgemeinen Krisenhaftigkeit wird das Krisenmanagement zur vornehmsten ökonomischen und politischen Aufgabe des Staates und seiner Regierungen.
Das hat eine chronische Staatsverschuldung zur Folge und überträgt die Krisenanfälligkeit der Ökonomie auf die Staatshaushalte.
Die meisten neokolonial abhängigen Länder stecken in massiven Verschuldungskrisen und die imperialistischen Regierungen in latenten Regierungskrisen.
F. Im Zusammenhang mit dem zwischenimperialistischen Ukrainekrieg erleben wir strategische Erschütterungen im Gefüge der Neuorganisation der internationalen Produktion:
»Der Übergang zum Weltwirtschaftskrieg spitzt den hauptsächlichen Widerspruch zwischen den revolutionären internationalisierten Produktivkräften und der nationalstaatlichen Macht und der Organisation der kapitalistischen Produktionsverhältnisse aufs Äußerste zu. Das treibt die Gefahr eines Dritten Weltkriegs voran.« (Stefan Engel, Gabi Fechtner, Monika Gärtner-Engel, »Der Ukrainekrieg und die offene Krise des imperialistischen Weltsystems«, Seite 38)
Der Krieg in der Ukraine ist auf beiden Seiten ein ungerechter Krieg im Namen der herrschenden Oligarchen in Russland und der Ukraine und ihrer Hintermänner, weil er von mächtigen imperialistischen Blöcken mit dem Ziel der Neuaufteilung der Welt geführt wird.
Der Wirtschaftskrieg des Westens gegen Russland hat eine zweischneidige Wirkung.
Neben der beabsichtigten Schwächung der russischen Wirtschaft provoziert die Sanktionspolitik von NATO und EU das Ende des einheitlichen Weltmarkts.
Das berührt aber die ökonomische Hauptbedingung der Neuorganisation der internationalen Produktion. Die bisherige internationale Arbeitsteilung ist infrage gestellt; wichtige Produktionsverbünde werden auseinandergerissen und Industriebranchen von Rohstoffen und Vorprodukten abgeschnitten und in dauerhafte Krisen gestürzt.
Die Einschränkung oder gar das völlige Abschneiden von bisher offenen Absatzmärkten erschwert auch den Absatz der gesteigerten Massenproduktion der Übermonopole.
Diese Entwicklung trifft auf eine schon im Vorfeld des Kriegs entstandene Logistik-, Energie- und Rohstoffkrise sowie eskalierende Handelskriege.
So sind die Folgen für die Weltwirtschaft noch nicht absehbar.
4. Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Genossinnen und Genossen, mehr denn je ist der Imperialismus ein Koloss auf tönernen Füßen.
Jeder Tag bringt ans Tageslicht, dass er die zentralen Probleme der Menschheit nicht lösen kann, sondern sie verursacht oder gar verschärft.
Sein hauptsächlicher Gegner, die internationale Arbeiterklasse mit dem Kern des internationalen Industrieproletariats, umfasst heute mit ihren Familien 4,5 Milliarden Menschen.
Das ist die Mehrheit der Bevölkerung auf der Welt.
Täglich schafft sich der Imperialismus Tausende neuer Gegner!
Durch die Höherentwicklung des Imperialismus sind breite Schichten der überwiegenden Mehrheit der Menschheit einer wachsenden Unterdrückung ausgesetzt.
Leicht zu erahnen, dass die Millionen Einwohner der indonesischen Hauptstadt Jakarta, die von Überflutung bedroht ist, sich nicht damit abfinden werden, überspült zu werden, während sich Herrschende, Regierungskreise und Privilegierte in der bereits neu geplanten Hauptstadt im Landesinneren niederlassen, die allerdings nur für 2 der 10 Millionen Einwohner geplant ist!
Das zeigt sich auch in der weltweiten Flüchtlingsbewegung, die objektiv nichts anderes als einen Protest gegen diese Lebensverhältnisse im Imperialismus darstellt :
Fluchtgründe sind vervielfacht und verschärft durch die begonnene globale Umweltkatastrophe: Wissenschaftler gehen davon aus, dass jeder zweite Flüchtling ein Flüchtling vor der Umweltkatastrophe ist. Das bringt Milliarden in Widerspruch zu diesem krisengeschüttelten imperialistischen Weltsystem.
Aber auch die galoppierende Inflation stellt die Massen vor existentielle Probleme.
Der Kampf gegen die Unterdrückung sexueller Orientierung gewinnt an Selbstbewusstsein.
Imperialistische und kapitalistische Regierungen vollziehen eine Rechtsentwicklung, die sich in einer allgemeinen Tendenz zum Faschismus und zur Militärdiktatur usw. ausdrückt.
Die reaktionäre rassistische Hetzkampagne gegen Flüchtlinge in den imperialistischen Ländern ist der Versuch, die zunehmende Kritik der Massen an der Abwälzung der Krisen- und Kriegslasten zu kanalisieren.
Dagegen regt sich Widerstand und viele Flüchtlinge beginnen, sich dem Kampf gegen den Imperialismus anzuschließen.
In der Türkei, Russland und dem Iran ist der Übergang zur faschistischen Diktatur bereits vollzogen.
In Israel, Ungarn, Polen, Italien und der Ukraine haben wir es mit ausgeprägten Übergängen zum Faschismus zu tun. Dagegen regt sich Protest!
So demonstrieren seit Monaten die Massen in Israel gegen die Verfassungsänderung Netanjahus.
Die Rechtsentwicklung ist die reaktionäre Antwort auf die Krise des imperialistischen Weltsystems.
Deshalb muss sich der Kampf der internationalen Arbeiterklasse gegen den Imperialismus auch mit dem Kampf gegen den Faschismus und dem Kampf der vom Imperialismus Unterdrückten verbinden.
5. Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Genossinnen und Genossen,
der Ukrainekrieg mit der akuten Vorbereitung eines atomaren Welt- und Atomkriegs hat wie die begonnene globale Umweltkatastrophe das Potenzial, die ganze Menschheit in den Untergang zu reißen.
Ein Weltkrieg, aber auch die globale Umweltkatastrophe haben das Potenzial, weite Teile der Erde unbewohnbar machen. Die Menschheit befindet sich objektiv in einem Wettlauf mit der Zeit, ob der Kapitalismus weiter die Lebensgrundlagen der Menschheit zerstören kann – oder ob der Kampf um Befreiung, der Kampf um den Sozialismus beschleunigt aufgenommen wird.
Auch nach der sozialistischen Revolution steht die Kampfaufgabe, dass die vereinigten sozialistischen Staaten der Welt alles tun, um die globale Umweltkatastrophe zu dämpfen und ihre Ausbreitung zu verhindern.
Die Frage der notwendigen Rettung der Menschheit muss notwendiger Bestandteil jedes antiimperialistischen Kampfs und der marxistisch-leninistischen Strategie und Taktik des Kampfs gegen den Imperialismus und für den Sozialismus werden und in dessen Zentrum rücken.
6. Liebe Genossinnen und Genossen, in der internationalen marxistisch-leninistischen und Arbeiterbewegung gibt es eine regelrechte ökonomische, politische und weltanschauliche Neuorientierung und entfalteten Kampf um die Denkweise.
Dabei treten eine Reihe von Ansichten auf, die einer marxistisch-leninistischen Prüfung nicht standhalten.
Das tritt insbesondere in Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine hervor:
a. Immer wieder werden nur noch die USA imperialistisch eingeordnet.
Das ist ein vom Revisionismus beeinflusster Standpunkt, denn z.B. auch Luxemburg ist ein imperialistisches Land, obwohl es nur 360 000 Einwohner hat. Aber es geht um die ökonomisch-politische Struktur, ob ein Land ein imperialistisches oder abhängiges Land ist.
Die Revisionisten rechtfertigen damit ihre Politik der Unterstützung Putins und Chinas.
Der russische Imperialismus, der chinesische Imperialismus, der japanische oder der europäische Imperialismus werden dagegen schön geredet.
Die KPRF Russland wiederholte bei Kriegsbeginn fast wortgleich die Rechtfertigungen des russischen Präsidenten Putin, NATO und USA würden Russland aus dem Nachbarland heraus bedrohen, Moskau werde im Donbass den Frieden erzwingen usw.
Eine solche revisionistische Argumentation führt heute direkt zum Sozialchauvinismus.
Teilweise wird von den Revisionisten sogar eine sogenannte multipolare Weltordnung gefordert, was nichts anderes als einen proimperialistischen Standpunkt bedeutet. Wir wollen keine neue imperialistische Weltordnung, sondern den Sturz des Imperialismus und den Aufbau des Sozialismus.
Bis in die revolutionäre Arbeiterbewegung hinein gibt es Unsicherheiten oder auch mit diesen revisionistischen Standpunkten übereinstimmende Meinungsäußerungen.
Dabei ist es eine Tatsache, dass die USA und die NATO ihre Osterweiterung seit 1990 ständig vorangetrieben haben.
Das war eine Provokation Russlands.
Gleichzeitig verwirklicht Russland selbst eine imperialistische Machtpolitik, überfiel Georgien und annektierte 2014 die Krim.
2015 rettete es mit menschenverachtenden Luftangriffen die Macht des angeschlagenen Assad-Regimes in Syrien und baute seinen eigenen strategischen Einfluss im Mittleren und Nahen Osten sowie in Afrika aus. Die meisten Militärputsche in den letzten Monaten in Afrika sind auf dem Hintergrund des imperialistischen Einflusses Russlands zu sehen.
b. Eine weitere zu klärende Frage ist, dass der Charakter des Imperialismus einseitig als politische Machtausübung verstanden wird.
In der Folge wurden oft kleinere imperialistische Länder verkannt, weil ihnen die militärpolitische Basis fehlt.
Entscheidend für die richtige Einschätzung ist aber der ökonomische Charakter eines Landes.
c. Des weiteren wird der Imperialismus nicht selten auf den Kolonialismus bzw. Neokolonialismus reduziert. Das ist ein wichtiger Widerspruch zum ILPS, die die Rolle der internationalen Arbeiterklasse nicht anerkennen, sondern einseitig die Unterdrückung der Völker betonen. Diesen Standpunkt kann man so nicht akzeptieren, weil der Imperialismus vor allem die Arbeiterklasse ausbeutet und das auch in den imperialistischen Ländern. Der Klassenkampf der Arbeiterklasse gegen die Bourgeoisie ist entscheidend und die Arbeiterklasse muss die führende Rolle im Kampf gegen den Imperialismus haben.
d. Teils wird auch die Rolle des internationalen Finanzkapitals als kollektive Machtstruktur des imperialistischen Weltsystems gering geschätzt.
So ist ein oft gehörtes Argument gegen die Herausbildung neuimperialistischer Länder, dass zum Beispiel Katar kein imperialistisches Land sei, weil es keine ausgeprägte eigenständige Produktion besäße.
Das verkennt die Rolle des internationalen Finanzkapitals.
Eine wichtige Analyse ging Ende Juli durch die deutsche Presse, wonach 52,1 Prozent der DAX-Titel in ausländischer Hand sind, nur 31,3 Prozent in deutscher, und der Rest ist nicht zuzuordnen.
Kein ernstzunehmender Revolutionär würde aufgrund dieser Tatsachen den imperialistischen Charakter Deutschlands bestreiten.
Es ist eine Methode der internationalen Monopole, an den internationalen Börsen Kapital einsammeln.
So ist Katar der größte Kapitalseigner der größten Bank Deutschlands, der Deutschen Bank, und ebenso der der Daimler-Benz AG.
Katar betreibt eine allseitige kapitalistische Ausbeutung, indem es das Kapital aus der Ölförderung überall auf der Welt anlegt.
e. Wir müssen auch diskutieren, welche irreführenden und gefährlichen Wege beschritten werden, wenn keine prinzipielle Abrechnung mit den bürokratisch-kapitalistischen Ländern in der ehemaligen Sowjetunion und der Volksrepublik China nach Mao Zedong geübt wird.
Zum Teil werden sogar die nachfolgenden Länder wie Putins Russland als sozialistisch betrachtet. Es gab einen Austritt einer bolivianischen Organisation aus der ICOR, die Russland als sozialistisches Land bezeichnen. Diese russische Regierung unterdrückt die kommunistischen Parteien und Symbole, koordiniert die faschistischen Bewegungen in ganz Europa – wie kann man das sozialistisch nennen? Man muss sich mehr mit den Klassikern des Marxismus-Leninismus befassen, sonst ist man völlig auf dem Holzweg.
f. Es gibt auch die Erscheinung, dass das weltweite Wachstum der Arbeiterklasse postmodernistisch geleugnet wird, indem man sie alle Dienstleister nennt. Wenn ein großer Teil der Arbeiter in Werksverträge ausgegliedert wird, machen sie die gleiche Arbeit wie vorher, aber in der Statistik werden sie nicht mehr als Arbeiter geführt. Aber mit dieser Begründung wird die führende Rolle der Arbeiterklasse im antiimperialistischen Kampf skeptisch in Frage gestellt.
Die Losung »Proletarier aller Länder vereinigt euch« hat heute eine umfassendere materielle Grundlage als jemals zuvor.
Dass dies subjektiv noch nicht so verstanden wird, ist eine andere Frage.
Daran müssen wir arbeiten und den Kampf der Arbeiter international organisieren.
Das ist viel komplizierter und dazu sind internationale Organisationsformen notwendig, in denen die Arbeiterklasse ihre führende Rolle wahrnimmt.
7. Liebe Genossinnen und Genossen, liebe Freundinnen und Freunde,
die Gründung und der erfolgreiche Aufbau der antiimperialistischen Einheitsfront, das Praktizieren des proletarischen Internationalismus, der länderübergreifenden Kooperation und Koordination ist eine treffende Antwort auf Rechtsentwicklung, Faschismus, Krieg und globale Umweltkatastrophe.
Trotz aller militärischen, politischen und ökonomischen Macht ist der Imperialismus strategisch schwach.
Er kann die Probleme der Menschheit nicht mehr lösen.
Das spüren die Arbeiter und Massen weltweit.
In zahlreichen Streiks, ja Aufständen, Kämpfen und Protestbewegungen, aber auch in Fragen und Suche nach Orientierung zeigt sich das.
Denn seit dem revisionistischen Verrat ist das Ansehen des Sozialismus immer noch geschädigt und Zerrbilder darüber herrschen unter den Massen bis hinein in die Arbeiterklasse vor.
Doch gerade die Suche nach einer gesellschaftlichen Alternative alarmiert die Imperialisten, weil sie ihnen keine Antworten und Lösungen geben können.
Und deswegen nutzen sie ihren Machtapparat, aber auch ihre Medien, um gegenzusteuern und Verwirrung zu bringen, insbesondere auch durch eine sozialfaschistische Demagogie und ihre sogenannte Querfronttaktik, indem sie sogar in linke Organisationen eindringen. Es ist eine Katastrophe, dass die größten Massendemonstrationen in Tschechien gemeinsam von Faschisten und Revisionisten erfolgen, die sogenannte »Kommunistische Partei« macht Massendemonstrationen zur Solidarität mit Putin. Das ist äußerst gefährlich, weil es die Arbeiter desorientiert und den Faschismus verharmlost.
Die Arbeiter und Massen kommen in Bewegung – die Frage ist, wohin zielt ihr Protest?
Darauf müssen wir Einfluss nehmen, die Arbeiter und Massen organisieren, ihren Protest aufgreifen, verbinden, koordinieren, ihn radikalisieren und durch Bewusstseinsarbeit höherentwickeln und revolutionieren.
Das ist die Aufgabe der teilnehmenden Organisationen der antiimperialistischen Einheitsfront.
In diesem Sinn wünsche ich dem ersten Weltkongress der antiimperialistischen und antifaschistischen Einheitsfront besten Erfolg!