Willi Dickhut

Willi Dickhut

Mai 1945: "Welche Ursachen führten zur Aufrichtung der faschistischen Diktatur?"

Referat von Willi Dickhut an Mitglieder der KPD Solingens, Anfang Mai 1945

Von RW-Redaktion

Vorwort zur Publikation von zwei Schriften von Willi Dickhut vom Mai 1945

Willi Dickhut: Zwei Grundsatzreferate vom Mai 1945

Diese beiden Grundsatzreferate bestechen auch durch ihre grundsätzlichen Aussagen zu allen wesentlichen Fragen unmittelbar nach dem II. Weltkrieg.

Vor allem für den Aufbau einer Einheitsfront gegen Faschismus und Krieg haben sie auch heute große Bedeutung.

Zu ihrem Verständnis sind zwei historische Faktoren wesentlich: Zum einen war das deutsche Monopolkapital nach der Niederlage des Hitlerfaschismus vorübergehend entmachtet. Zum anderen – so Willi Dickhut - war „das Ergebnis der Jahre des Faschismus … eine allgemeine Linksentwicklung der werktätigen Massen.“

Wir danken dem Stadtarchiv Solingen, das uns diese Schriften aus dem Nachlass von Willi Dickhut zur Verfügung gestellt hat.

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Referat von Willi Dickhut an Mitglieder der KPD, Anfang Mai 1945



Welche Ursachen führten zur Aufrichtung der faschistischen Diktatur?


In Deutschland wirkte sich in den Jahren 1931-1933 die Weltwirtschaftskrise, verschärft durch die Lasten des Versailler Vertrages, katastrophal aus. Die Industrie lag zum größten Teil still, die Häfen glichen Schiffsfriedhöfen, die Finanzen des Reiches und der Länder waren zerrüttet, sechs Millionen Arbeitslose zuzüglich Millionen Kurzarbeiter.

Es reiften die Situation und die Bedingungen heran, unter welchen das Proletariat nicht mehr weiterleben wollte und die Bourgeoisie unter den bisherigen Herrschaftsformen nicht mehr weiterregieren und ihre Macht aufrechterhalten konnte.

Deutschland war in der Tat das schwächste Glied in der Kette der kapitalistischen Staaten. Langsam reifte eine revolutionäre Situation heran. Eine Regierung löste die andere ab. Die Parlamentsauflösungen erfolgten am laufenden Band. Die Papen-Regierung griff immer mehr zu faschistischen Mitteln (Auflösung der Preußenregierung).

Eine Welle von Streikkämpfen der Arbeiter gegen Brüning'sche und Papen'sche Lohnherabsetzungen und Notverordnungen ging durch das Land. In manchen Fällen (BVG-Streik) nahm der Streik bereits die Form politischer Massenstreiks an.

Die Rolle der SPD und des ADGB

Durch die jahrelange falsche Politik des »kleineren Übels« verhinderte die SPD- und ADGB1-Führung die Aufnahme des geschlossenen Kampfes gegen diese volksfeindliche Politik der kapitalistischen Regierungen. Noch bei der Absetzung der Preußen-Regierung im Juli 1932 forderten die Gewerkschafts- und SPD-Führung die Massen nicht zum Kampfe auf. Diese Politik begünstigte die Bourgeoisie bei der Aufrichtung der faschistischen Diktatur. Die Parole der SPD vom »Abwirtschaftenlassen« wirkte sich gegen die Arbeiterschaft aus und diente nur dem Faschismus. Durch diese jahrelange Politik der Sozialdemokratie wurde der Sozialismus-Marxismus bei den schwankenden Elementen des deutschen Volkes in Mißkredit gebracht. Die SPD trägt die historische Hauptschuld für die Aufrichtung der Hitlerdiktatur in Deutschland!

Es gelang den Nationalsozialisten, durch soziale Demagogie und nationale Phraseologie einen großen Teil der enttäuschten Menschen auf ihre Seite zu ziehen. Die Großkapitalisten begünstigten von Anfang an die Nazibewegung. Sie stellten dieser Partei gewaltige Gelder für ihren Volksbetrug zur Verfügung.

So sahen wir im Jahre 1932 einen Wettlauf zwischen den revolutionären Kräften auf der einen und den reaktionär-faschistischen Kräften auf der anderen Seite.

Wenn es den Nazis in diesen Jahren gelang, sich einen solchen gewaltigen Masseneinfluß zu verschaffen, dann war eine wesentliche Ursache hierfür die Spaltung der Arbeiterklasse auf gewerkschaftlichem wie auf politischem Gebiet. Die Arbeiterklasse war nicht jener starke Magnet, der alle schwankenden Elemente anzog.

Die Fehler der Kommunistischen Partei

Die Sozialdemokratie, die bis zum Jahre 1931 die soziale Hauptstütze der Bourgeoisie war, verlor immer mehr an Masseneinfluß zugunsten der Kommunisten und der Nationalsozialisten. Unter den Bedingungen der wirtschaftlichen und politischen Lage vollzog sich eine Veränderung. Bei dem ansteigenden Einfluß der NSDAP wurde die Nazipartei die Hauptstütze der Bourgeoisie. Das hinderte aber die deutsche Bourgeoisie nicht daran, im Verlaufe des Jahres 1932-1933 sich auch bei der Niederhaltung der Arbeiterschaft der SPD- und ADGB-Führung zu bedienen.

Als nach der Zusammenkunft Hitlers mit den Großindustriellen in Düsseldorf Hitler Garantien gegeben hatte, vollzog die kapitalistische Klasse endgültig einen Bruch mit der Sozialdemokratie.

Die NSDAP wurde nunmehr endgültig die soziale Hauptstütze der Kapitalisten.

Diesen Wandel hat unsere Partei nicht voll ausgenutzt. Man bezeichnete die sozialdemokratischen Führer als Sozialfaschisten, was falsch war. Statt zu erkennen, daß die Kapitalisten mit der Hitlerclique alle demokratischen Grundrechte vernichten würden, machten die Kommunisten gemeinsam mit den Nationalsozialisten beim Volksentscheid gegen die Preußenregierung mit. Wir hätten die Aufgabe gehabt, das ganze Volk für die Erhaltung der Demokratie zu mobilisieren. Die Herstellung einer gemeinsamen Front der Arbeiterklasse wäre notwendig gewesen. Vor allem hätte man eine organisatorische Einheit auf gewerkschaftlichem Gebiet herstellen müssen, statt dessen führte die Partei die RGO2-Politik fort. Unsere starre Einheitsfrontpolitik »nur von unten« war nicht richtig. Unsere Parteiführung hätte sich auch an die SPD-und ADGB-Führung zwecks gemeinsamen Kampfes zur Erhaltung der demokratischen Grundrechte wenden müssen. Diese Einschätzung der Lage und das Festhalten an einer starren Taktik erschwerte die Herstellung der Einheit der Arbeiterklasse, dadurch wurde die Arbeiterklasse nicht die gewaltige, mächtige Kraft, die alle Schwankenden anzog. Diese Erkenntnis ist notwendig zur richtigen Beurteilung der nunmehrigen Aufgaben.

Welche Aufgaben wurden der Hitler-Regierung durch die deutsche Bourgeoisie gestellt?

1. Niederschlagung und Zerstörung aller revolutionären Arbeiterorganisationen und darüber hinaus Vernichtung aller demokratischen Grundrechte und Liquidierung auch der übrigen demokratischen Parteien (SPD, Zentrum).

2. Wiedererringung einer Weltmachtstellung für die deutschen Kapitalisten, was notwendig machte die Organisierung eines neuen imperialistischen Krieges.

Im Programm der Komintern, S. 23 wurde schon im Jahre 1931 die faschistische Diktatur folgendermaßen charakterisiert:

»bedient sich der Faschismus in Zeiten, die für die Bourgeoisie besonders kritisch sind, einer antikapitalistischen Phraseologie; sobald aber er seine Macht gesichert sieht, erweist er sich immer mehr als terroristische Diktatur des Großkapitals und wirft allen antikapitalistischen Plunder von sich.«

Ganz richtig bezeichnet der Genosse Dimitroff den Faschismus, indem er schreibt:

»Der Faschismus ist die Diktatur des reaktionärsten, chauvinistischsten und imperialistischsten Teiles des Finanzkapitals.«

Jawohl, es gelang den Hitlerfaschisten, alle demokratischen Grundrechte des deutschen Volkes zu vernichten. Die breiten Massen wurden durch verlogene Phraseologie für die Ziele des Kapitals eingefangen.

Durch soziale Betrugsmanöver, wie NSV3, KDF4 usw. streute man dem deutschen Volk Sand in die Augen.

Da die Trust- und Monopolbindungen in der Wirtschaft einen natürlichen Ablauf der Weltwirtschaftskrise verhinderten und die Welt aufgeteilt war, mußte man zwangsläufig eine neue gewaltsame Aufteilung der Welt anstreben.

Der Krieg war deshalb der einzige Ausweg.

Seit dem Jahre 1933 wurde systematisch ein neuer Krieg von der Hitlerclique vorbereitet. Man redete viel vom Frieden und rüstete unaufhaltsam auf. Folgende Tatsachen mögen das noch einmal charakterisieren:

  • Austritt Deutschlands aus dem Völkerbund,
  • Wiederherstellung der Wehrhoheit,
  • Einführung der Arbeitsdienstpflicht,
  • Militärische Besetzung des entmilitarisierten Rheingebietes,
  • Vormilitärische Jugenderziehung in der HJ5,
  • Bau des Volkswagenwerkes,
  • KDF-Flotte, Reichsautobahnen, usw.

Auch gebietlich und bevölkerungsmäßig traf man alle Vorbereitungen. Einverleibung Österreichs ins Reich, Wiederangliederung des Saargebietes, des Sudetenlandes und des Memelgebietes. Einverleibung der Tschechoslowakei, Abschluß eines Bündnisvertrages mit Italien, Antikominternpakt.

Die Versuche Hitlers, eine imperialistische Kriegsfront gegen die Sowjetunion aufzurichten

Schon in seinem »Kampf«6 predigte Hitler ein gemeinsames Vorgehen aller kapitalistischen Staaten gegen die UdSSR. Während seiner ganzen Regierungszeit hat es nicht an Versuchen gefehlt, diese Einheitsfront herzustellen. Hitler entsandte Ribbentrop als Sonderbotschafter nach London. Man beachte seine Reden im Reichstage, in denen er England die Unversehrtheit seines Imperiums durch deutsche Waffenhilfe zusicherte. Selbst das Münchner Abkommen in der Frage Tschechoslowakei trug die Gefahr der Bildung eines kapitalistischen Kriegsblockes gegen die Sowjetunion in sich.

Weshalb lehnten England und Frankreich ein gemeinsames Vorgehen mit Deutschland gegen die Sowjetunion ab?

England und Frankreich erkannten, daß bei dem siegreichen Ausgang des Krieges gegen die Sowjetunion Deutschland im Herzen Europas der mächtigste imperialistische Militärstaat geworden wäre. Man hoffte, Deutschland gegen Sowjetrußland ausrichten zu können. England und Frankreich waren sich darüber klar, daß trotz einem gemeinsamen Vorgehen gegen die UdSSR Deutschland über kurz oder lang dennoch auch gegen sie vorgehen würde.

Die reaktionäre Clique um Chamberlain7 versuchte bei dem Münchner Abkommen, Deutschland zum Kampfe gegen die Sowjetunion auszurichten. Man hoffte von Seiten des reaktionären Klüngels der französischen und englischen Bourgeoisie, Deutschland und die Sowjetunion wechselseitig zu schwächen.

Durch die geschickte Außenpolitik der UdSSR wurde diese kapitalistische Einheitsfront verhindert. Am Vorabend dieses Krieges schloß die Sowjetunion, um ihrem Lande den Frieden zu erhalten, einen Nichtangriffspakt mit Deutschland ab.

Die Auseinandersetzung mit Polen der Anfang eines neuen Weltkrieges

Da die Hitlerregierung sah, daß sie mit »friedlichen« Mitteln ihr Ziel nicht erreichen würde, löste sie diesen Krieg aus. Es gelang der deutschen Kriegsmaschine, Polen sehr schnell niederzuschlagen. Ebenso besetzte man Dänemark und Norwegen. Dann erfolgte der Überfall auf Holland, Belgien und die Niederschlagung Frankreichs.

Der Versuch Hitlers, England zu bezwingen, scheiterte, weil er über keine mächtige Flotte verfügte und weil die Tatsache des sowjetrussischen Druckes im Osten vorhanden war.

Auch während des Krieges ließ es Hitler nicht an Versuchen fehlen, zu einer Verständigung mit England zu kommen (Siehe seine Reden im Reichstag und der Heß8-Flug nach England). Heß unterbreitete folgenden Vorschlag:

Deutschland leistet Verzicht auf die Wiedererringung der Kolonien. Dafür soll England Deutschland freie Hand im Osten lassen.

Die englische Regierung mußte ablehnen, denn man hatte den nationalen Verteidigungskrieg propagiert unter der Devise: »Hitler ist die nationale Gefahr.« In Anbetracht dieser Lage hätten die Völker des englischen Imperiums eine solche Wendung nicht mitgemacht. Hinzu kam, daß die englische Bourgeoisie selbst aufgespalten war. Die Okkupation Frankreichs war gleichfalls für England untragbar. Alle diese Faktoren verhinderten die Absicht Hitlers. Da eine Verständigung nicht erreicht wurde, war der Krieg gegen die Sowjetunion für Hitler-Deutschland eine wirtschaftliche und militärische Notwendigkeit.

In der Vorbereitungsperiode des Krieges Hitlers gegen die UdSSR greift Italien auf dem Balkan an.

Die Sowjetregierung, in Erkenntnis der Unvermeidlichkeit der Auseinandersetzung mit dem faschistischen Deutschland, trifft Sicherungsmaßnahmen. Im Einverständnis mit den Völkern der Baltikum-Staaten wurden diese Gebiete besetzt und in die Sowjetunion eingegliedert. Gleichfalls mußte die Sowjetregierung im Norden eine Sicherung treffen. Die finnische Bourgeoisie konspirierte bereits im Geheimen mit Deutschland gegen die UdSSR. Die Sicherung Leningrads wurde eine Notwendigkeit. Im russisch-finnischen Konflikt bestand gleichfalls die Gefahr der Bildung einer imperialistischen Kriegsfront gegen die UdSSR. England und Amerika standen damals bereit, zugunsten der finnischen Bourgeoisie zu intervenieren. (Siehe die starke Unterstützung der schwedischen Bourgeoisie gegenüber Finnland.) Nur die geschickte Politik der Sowjetunion wandte durch die Wiederherstellung des Friedenszustandes die Gefahr ab.

Der Beginn des Krieges gegen die UdSSR

Hitler wußte, daß nur durch einen plötzlichen Überfall auf die Sowjetunion militärische Vorteile zu erreichen waren. Man glaubte, die Sowjetregierung stürzen zu können. Dieser Plan scheiterte an dem Widerstand der Roten Armee und des russischen Volkes. Die klassenbewusste Arbeiterschaft Leningrads, Moskaus und Stalingrads gab den Ausschlag.

Der Charakter des Krieges und die Stellungnahme der Arbeiterklasse zum Kriege

Um die Stellungnahme der Arbeiterklasse zum Krieg zu bestimmen, ist eine genaue Untersuchung des Charakters des Krieges notwendig. Der Genosse Lenin hat in den gesammelten Werken, Bd. 36, Seite 276 folgendes gesagt:

»Je nach der geschichtlichen Situation, je nach den Klassenverhältnissen usw. muß zu verschiedenen Zeiten auch die Stellung zum Krieg verschieden sein. Es ist unsinnig, jede Teilnahme am Krieg ein für alle mal, prinzipiell abzulehnen.«

Die Stellung der deutschen Linken im Weltkriege 1914-18 (Rosa Luxemburg in der Juniusbroschüre, in der behauptet wird, daß es im Zeitalter des Imperialismus nur imperialistische Kriege geben kann), war falsch. Keiner trat schärfer dieser Auffassung entgegen als der Genosse Lenin. Es gibt zwei Grundarten von Kriegen:

Gerechte und ungerechte Kriege

Lenin sagt im Bd. 21 Seite 300/301 dazu Folgendes:

»Sprachen die Sozialisten im Hinblick auf die Kriege einer solchen Epoche von der Berechtigung des Verteidigungskrieges, so hatten sie stets gerade diese Ziele, das heißt die Revolution gegen Mittelalter und Leibeigenschaft im Auge. Die Sozialisten verstanden unter einem Verteidigungskrieg stets einen in diesem Sinne gerechten Krieg (wie sich Wilhelm Liebknecht einmal ausdrückte). Nur in diesem Sinne erkannten und erkennen jetzt noch die Sozialisten die Berechtigung, den fortschrittlichen und gerechten Charakter der Vaterlandsverteidigung oder des ›Verteidigungs‹krieges an.«

Jawohl, es gibt Kriege, die gerecht sind, Kriege der Kolonialvölker für ihre nationale Freiheit, Kriege der Arbeiterklasse gegen die Bourgeoisie, Kriege der Sowjetunion gegen imperialistische Staaten, Kriege der Sowjetunion im Bunde mit einigen kapitalistischen Staaten gegen den reaktionärsten, imperialistischsten, faschistischen Staat.

Jawohl es gibt Kriege, die fortschrittlich sind und Kriege, die die Arbeiterklasse in die Barbarei, in das Mittelalter stürzen wollen, wie es die Hitlerclique vorhatte. Lenin sagt in Bd. 21, Seite 299:

»Von den Pazifisten wie von den Anarchisten unterscheiden wir Marxisten uns weiter dadurch, daß wir es für notwendig halten, einen jeden Krieg in seiner Besonderheit historisch (vom Standpunkt des Marxschen dialektischen Materialismus) zu analysieren. Es hat in der Geschichte manche Kriege gegeben, die trotz aller Greuel, Bestialitäten, Leiden und Qualen, die mit jedem Krieg unweigerlich verknüpft sind, fortschrittlich waren, d.h. der Entwicklung der Menschheit Nutzen brachten, da sie halfen, besonders schädliche und reaktionäre Einrichtungen (z.B. den Absolutismus oder die Leibeigenschaft) und die barbarischsten Despotien Europas … zu untergraben. Wir müssen daher die historischen Besonderheiten eben des jetzigen Krieges untersuchen.«

Der Krieg begann im Jahre 1939 als ein imperialistischer Krieg. Wenn bis zum Jahre 1941 die militärische Auseinandersetzung einen rein imperialistischen Charakter trug, änderte sich das mit dem Eintritt der Sowjetunion in den Krieg. Der Krieg wurde nunmehr ein gerechter Krieg. Die faschistische Clique hatte die Absicht, die Sowjetunion als den sozialistischen Hort des internationalen Proletariats zu vernichten. Es ging um Sein oder Nichtsein der Arbeiterklasse und damit der demokratischen Staaten überhaupt.

Während die Arbeiterklasse im Verlaufe des imperialistischen Krieges die Aufgabe hat, die Niederlage der eigenen Bourgeoisie herbeizuführen, hatte sie nunmehr durch die Einbeziehung der Sowjetunion in den Krieg die Aufgabe, sich an die Spitze der Armee zu stellen, um mit allen Mitteln und aller Macht die Niederlage der faschistischen Bande zu erzwingen und damit der Sowjetunion zum Siege zu verhelfen.

Eintritt Japans in den Krieg

Die Hitlerregierung sah die ungeheure Schwierigkeit, in welcher sie sich militärisch befand. Sie veranlasste Japan, in den Krieg einzutreten. Die Hitlerregierung hoffte, die Engländer und Amerikaner würden in Anbetracht der Wichtigkeit der fernöstlichen Rohstoffgebiete ihre Hauptkampfkraft in diese Kampfzone verlegen. Die Spekulation ging daneben, weil die englische und die amerikanische Regierung erkannten, daß der Hauptfeind in diesem Kriege Deutschland war.

Der Hitlerfaschismus und Militarismus ist geschlagen

Die Arbeiterklasse hatte nicht die Kraft, Hitler zu stürzen. Unsere Partei hat nicht vermocht, alle Kräfte des deutschen Volkes für die Erringung des Friedens und damit des Sturzes Hitlers zu mobilisieren. Das deutsche Volk hat Hitler jahrelang unterstützt und seine Kriegsverbrechen geduldet. Das Volk hatte Furcht vor der Niederlage. Die deutsche Armee war so durch die Taten der Hitlerbande in Schuld geraten, daß sie gekämpft hat bis zum letzten Augenblick. Erst in den letzten Jahren des Krieges verloren die Nazis immer mehr an Masseneinfluß. Das Volk wollte den Frieden, aber brachte nicht die Kraft zum Sturz Hitlers auf.

Welche Ursachen führten zum 20. Juli?

Als ein Teil der deutschen Bourgeoisie sah, daß dieser Krieg zu einer Niederlage führen mußte, versuchte man, Hitler zu beseitigen. Dieser Versuch sollte eine Niederlage zugunsten der Sowjetunion verhindern. Man glaubte, die Gegensätze im Lager der Vereinten Nationen seien so groß, daß man sie zugunsten der deutschen Bourgeoisie ausnutzen könnte. Diese Aktion mußte scheitern, weil die Großkapitalisten nach wie vor mit Hitler gingen und weil diese Bewegung ohne engsten Kontakt mit den breiten Volksmassen vor sich ging. Die Bewegung des 20. Julis beschränkte sich auf einen kleinen Kreis der Militärs, der Junker und einen Teil der Bourgeoisie.

Im Juli 1943 bildete sich in Moskau die Bewegung »Freies Deutschland«. Diese Bewegung erließ einen Aufruf an das deutsche Volk und an die Wehrmacht. In diesem Aufruf heißt es: »Die Hitlerclique richtet Deutschland zugrunde. Hitler bedeutet nationales Unglück. Deshalb: ›Alle Waffen gegen Hitler!«

Während andere Völker sich in der letzten Zeit der Hitlerperiode erhoben, unternahm das deutsche Volk nichts dergleichen. Durch eine breite Volkserhebung hätte das deutsche Volk sich wieder die Achtung in der Welt erringen können. Aber es war zu schwach, und die fortschrittlichen Kräfte waren aufgespalten und unentschlossen.

Der Hitlerfaschismus ist durch die militärische Kraft der Vereinten Nationen gebrochen.

Die Vereinten Nationen wollen Deutschland nicht zu Grunde richten. Auf der Jalta-Konferenz erklärten die Vertreter der drei großen Nationen:

»Es ist nicht unsere Absicht, das deutsche Volk zu vernichten, aber erst, wenn der Nationalsozialismus und Militarismus ausgerottet sein werden, wird sich für die Deutschen die Hoffnung auf ein würdiges Leben und auf einen Platz in dem Rate der Nationen ergeben.«

Deutschland ist in vier Besatzungszonen aufgeteilt. Diese werden durch Militärregierungen in Verbindung mit deutschen Zivilverwaltungen regiert. Die militärische Niederlage Deutschlands ist so katastrophal, daß alle Zweige der deutschen Volkswirtschaft zerrüttet sind. Die Militärregierungen gehen nur langsam an die Lösung der wirtschaftlichen Probleme heran. Die Wiedereinführung demokratischer Grundrechte, Koalitionsfreiheit, Pressefreiheit usw. wird nur schrittweise vorgenommen.

Die Militärregierungen wissen aber, daß sie ihre Ziele in Deutschland niemals erreichen werden, wenn sie nicht die breiten Volksmassen für den Wiederaufbau, die Produktion usw. gewinnen. Ohne die Beseitigung des Nazismus und Militarismus und die Heranziehung demokratischer Elemente auch in der Führung der deutschen Verwaltungen wird ein Wiederaufbau unmöglich sein.

Entfesselung einer breiten, demokratischen Volksbewegung

Ohne die Beteiligung aller fortschrittlichen demokratischen Elemente ist ein Wiederaufbau unseres Landes undenkbar. Der Hitlerfaschismus hat durch seinen Krieg große Teile der Mittelständler und der Kleinbourgeoisie ruiniert. Sie sind enttäuscht und suchen nach einem Ausweg. Diese Elemente werden sich der Kraft anschließen, die am mächtigsten und stärksten im gesamten Leben unseres Volkes in Erscheinung tritt.

Die Arbeiterklasse, die Führerin in dieser demokratischen Volksbewegung

Alle fortschrittlichen Kräfte werden mit der Arbeiterklasse kämpfen, wenn wir es verstehen, wirklich positiv die brennenden Probleme des Wiederaufbaus zu lösen. Wir Kommunisten wissen, daß es nur einen endgültigen Ausweg geben kann, das ist die Aufrichtung der sozialistischen Gesellschaftsordnung. Im Augenblick ist die Möglichkeit für die Durchsetzung dieses sozialistischen Endziels nicht gegeben. Unser Ziel ist ist in der heutigen Etappe die Erringung einer wahren demokratischen Volksrepublik. In dieser Volksrepublik soll derjenige, der Werte schafft, auch entscheidend mitbestimmen. Jedem in Deutschland ist es klar, daß es kein Zurück zur Weimarer Demokratie geben kann. Auf dem Boden der Demokratie von Weimar wuchs der Faschismus. Die demokratische Volksrepublik schaltet von vornherein jede Betätigungsmöglichkeit des Nazismus und Militarismus aus.

Zur Erringung einer wahren Volksrepublik und zum Wiederaufbau unseres Landes ist ein entschlossener Kampf aller demokratischen Kräfte notwendig.

Die Einheit der Arbeiterklasse ist eine dringende Notwendigkeit!

Die Arbeiterklasse ist die einzige fortschrittliche Klasse überhaupt. Die anderen demokratischen Schichten des Volkes sind Verbündete der Arbeiterklasse. Nur dann, wenn die Arbeiterklasse geschlossen und mächtig auftritt, werden sich alle schwankenden Elemente dieser Kraft anschließen. Die Aufspaltung der Arbeiterklasse muß überwunden werden. Auf gewerkschaftlichem Gebiet gilt es zuerst eine organisatorische Einheit herzustellen und zwar in einer Einheitsgewerkschaft. Im Verlaufe des Kampfes und nach gründlicher Durchdiskutierung aller grundsätzlichen und taktischen Fragen muß auch eine organisatorische Einheit der Arbeiterklasse auf politischem Gebiet erfolgen. Unser Ziel muß sein:

Schaffung einer einheitlichen, einzigen Arbeiterpartei!

In allen Orten muß unsere Parteileitung mit der Parteiführung der SPD eine Arbeitsgemeinschaft bilden. In den gemeinsamen Besprechungen müssen alle Fragen, die die Arbeiterklasse angehen, gemeinsam beraten und demgemäß gemeinsame Beschlüsse gefasst werden.

Der Kampf um die Verteilung der Lasten dieses Krieges

Es ist unsere Aufgabe, zu der Schuldfrage des deutschen Volkes positiv Stellung zu nehmen. Das deutsche Volk in seiner Gesamtheit ist an dem heutigen Zustand, durch seine duldnerische Haltung gegenüber der Nazidiktatur mitschuldig und mitverantwortlich. Wir müssen uns der internationalen Gewerkschaftskonferenz in dieser Auffassung anschließen. In den Beschlüssen heißt es:

»Die Wiedergutmachung ist natürlich nicht nur die Aufgabe der Arbeiterschaft, die in ihren besten Teilen nie hitlerhörig gewesen ist, sondern muß das Werk des gesamten deutschen Volkes sein. Denn nur so kann ein wenig von der ungeheuren Schuld gegenüber den freien Völkern abgetragen werden und die Grundsteine für die Völkerverständigung und für ein friedliebendes und demokratisches Deutschland gelegt werden.«

Das deutsche Volk in seiner Gesamtheit wird die Schäden dieses Krieges wiedergutmachen müssen. Der Aufbau unseres Landes geht auch nicht ohne Opfer von sich. Die Großkapitalisten werden versuchen, die Lasten dieses Krieges auf die Schultern der Werktätigen abzuwälzen. Alle demokratischen Kräfte, an der Spitze die Arbeiterklasse, müssen dafür sorgen, daß die Hauptschuldigen an diesem Kriege auch die Hauptlasten tragen. Wenn wir alle Fragen positiv stellen, werden alle demokratischen Elemente mit uns gemeinsam kämpfen.

Sollen Kommunisten staatliche oder kommunale Funktionen übernehmen?

Jawohl! Alle Kommunisten haben in diesen Funktionen die Aufgabe, praktisch und positiv in allen Zweigen des öffentlichen und betrieblichen Lebens im Interesse der werktätigen Bevölkerung zu arbeiten. Es kommt nicht darauf an, nun durch radikale Parolen oder Phraseologie und unter dauernder Betonung des Kommunismus unter den Massen zu wirken und zu agitieren, sondern wir werden einen wachsenden Einfluß gewinnen, wenn wir tatsächlich die Aktivisten bei der Durchsetzung der Volksinteressen beim Wiederaufbau und dergleichen sind.

Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit

Da die Lösung der wirtschaftlichen Probleme schwer ist, muß unsere Hauptarbeit in den Betrieben und in den Gewerkschaften liegen. Wir müssen die tatsächlichen Führer der Belegschaften werden. Das können wir aber nur, wenn wir auch alle Tagesfragen der Arbeiter lösen. Die Betriebszelle ist die Grundlage aller Arbeit der Kommunisten in den Betrieben. Deshalb Aufbau von Betriebszellen! In allen Großbetrieben muß die verantwortliche Leitung den Genossen bei der Durchführung der Arbeit helfen. Setzt für diese Betriebe verantwortliche Instrukteure ein. Dieselben sollen keine Kommandeure, sondern Helfer der Betriebzelle sein. In jedem Betrieb muß eine Betriebsvertretung auf demokratischer Basis gebildet werden. Alle Arbeiter, ganz gleich welcher Partei oder Religionsgemeinschaft sie angehören, müssen in den Betriebsvertretungen verankert sein. »Die besten Kollegen in den Betriebsrat« muß die Losung sein. Die Betriebsvertretungen müssen über alle konkreten betrieblichen Fragen im Bilde sein und gemäß den Notwendigkeiten des betrieblichen Lebens die Interessen der Belegschaften wahren. Agitation alleine genügt nicht, sondern der beste Führer ist derjenige, der überall für die Interessen seiner Kollegen eintritt. In der Einheitsgewerkschaft treten die Kommunisten als die besten und aktivsten Gewerkschafter auf. Wenn die Arbeitermassen sehen, daß wir als Kommunisten in jeder Form unsere Pflicht tun, werden sie uns ohne Bedenken auch mit der Führung betrauen.

Arbeit unter den Frauen und Jugendlichen

Das Leben der Frauen des werktätigen Volkes ist ein schweres. Durch eine systematische Schulung und durch entschlossenes Eintreten für die Forderungen der Werktätigen und der Arbeiterfrauen überhaupt, werden wir auch diese Schicht für den demokratischen Volkskampf gewinnen. Es ist unter allen Umständen zu vermeiden, daß diese Arbeit nur die Aufgabe einzelner Genossinnen ist.

Wir wollen vorläufig keinen kommunistischen Jugendverband. Die Bildung eines solchen würde die Aufspaltung der demokratischen Jugend bedeuten. Unser Ziel muß sein: Eine einheitliche, freie deutsche Jugendbewegung. In dieser Jugendbewegung sollen alle fortschrittlichen Jugendlichen erfaßt werden. Durch eine gute Erziehung und Schulung gilt es, die Reste der faschistischen und militaristischen Ideologie auszurotten. Diese Arbeit ist keine leichte, da der Hitlerfaschismus sich an der deutschen Jugend am meisten versündigt hat. Klar ist, daß die Führung dieser Jugend in der jetzigen Zeit unter der kameradschaftlichen Erziehung und Führung der älteren Generation stehen muß. Erst, wenn sich aus der Jugend heraus wieder verantwortungsbewußte Jugendführer herausgebildet haben, kann diesen Männern die Führung der Jugend übertragen werden.

Die Arbeit unter den kleinbürgerlichen, kleinbäuerlichen und intellektuellen Schichten

Die kleinbürgerlichen und intellektuellen Schichten sind ins Wanken geraten. Wir müssen sie klug und geschickt bearbeiten. Es kann uns gar nicht gleichgültig sein, wohin sich diese Kräfte konzentrieren. Es gibt unter diesen Schichten fortschrittliche Kräfte, die wir für den Volkskampf benötigen. Wir müssen den Klein- und Mittelbauern in jeder Form helfen. In unserem ganzen Bezirk sind Beispiele vorhanden, die beweisen, welche großen Möglichkeiten für die Gewinnung dieser Kreise für die Volkssache bestehen.

Die Rolle der Partei und die Heranbildung neuer Führungskader

Die Partei ist die Avantgarde des Proletariats und des gesamten demokratischen Volkes. Sie muß der Motor der Volksbewegung sein. Überall muß die Partei aktiv und positiv zu allen Fragen des Wiederaufbaus, der Wiedergutmachung usw. Stellung nehmen. Kühn und entschlossen muß die Partei in allen Fragen handeln! Es gilt vor allen Dingen, durch intensive Schulungsarbeit neue Parteikader zu schaffen. Wir müssen das Tor der Partei für alle guten, aktiven Arbeiter aus den Betrieben und den Gewerkschaften offen halten! Alle Aktivisten der Arbeiterschaft, die besten Elemente aus den übrigen Schichten unseres Volkes sollen in die Partei einbezogen werden. Eine besondere Schulungsarbeit, neben der allgemeinen Schulung für diese Kader ist unbedingt notwendig. Der Stamm unserer alten, bewährten Parteifunktionäre ist stark gelichtet. Die Zufuhr neuen Blutes muß bei der gesteigerten Arbeit der Partei unsere Aufgabe sein.

Schlussbemerkungen

Viele Genossen werden die Erklärung des Zentralkomitees unserer Partei gelesen und gehört haben. Diese Erklärung unseres ZK entspricht der heutigen Situation, das Programm ist ein Zeitprogramm, ändert aber nichts an unserer grundsätzlichen Auffassung. Wir wollen den Sozialismus! In Anbetracht der neuen Lage muß unsere Politik und Taktik eine bewegliche sein. Kein Genosse darf annehmen, daß sich etwas an unseren Grundsätzen geändert hätte. Aber wir benötigen eine ganz neue, den nationalen Bedingungen unseres Landes angepasste Politik. Unser strategisches Ziel ist die Eroberung der Mehrheit der Arbeiterklasse und deren Verbündeten für den sozialistischen Ausweg. Unsere Politik und Taktik ist dieser Aufgabe unterzuordnen. Niemals verlieren wir unser sozialistisches Endziel aus dem Auge.

Wir sind Internationalisten! Wir sind aber gleichzeitig auch die größten Patrioten, denn keiner liebt sein Vaterland mehr als wir Kommunisten. Das haben wir in dem vergangenen Hitlerkrieg bewiesen. Die Auflösung der Komintern hat den Weg für eine bessere Herstellung der einheitlichen Kampffront der deutschen Nation gegen den Nazismus und Militarismus frei gemacht.

Wir Kommunisten wollen alle Wege beschreiten und alle Methoden anwenden, die uns unserem Endziel näher bringen.

Genossen, zwölf Jahre faschistische Diktatur liegen hinter uns. Ein Teil unserer besten Genossen haben ihr Leben im Interesse des arbeitenden deutschen Volkes verloren. Vor uns stehen gewaltige Aufgaben, lösen wir sie, wie es die Lage von uns erfordert.

Genossen an die Arbeit im Sinne unserer Genossen

Ernst Thälmann, Jonny Schehr,

Lambert Horn, Robert Stamm, Rudolf Hennig

und all der unzähligen aufrechten Kämpfer unserer Partei!

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1Allgemeiner Deutscher Gewerkschaftsbund

2Revolutionäre Gewerkschafts-Opposition

3Nationalsozialistische Volkswohlfahrt

4»Kraft durch Freude«

5Hitlerjugend

6»Mein Kampf«

7Premierminister Englands von 1937-1940

8Rudolf Heß, Stellvertreter Hitlers