Willi Dickhut
Mai 1945: "Probleme der proletarischen Einheit"
Referat der Kreisleitung Solingen; Verfasser: Willi Dickhut
Vorwort zur Publikation von zwei Schriften von Willi Dickhut vom Mai 1945
Willi Dickhut: Zwei Grundsatzreferate vom Mai 1945 (Anmerkung: Veröffentlichung des zweiten Referats im Juni 2020 geplant)
Diese beiden Grundsatzreferate bestechen auch durch ihre grundsätzlichen Aussagen zu allen wesentlichen Fragen unmittelbar nach dem II. Weltkrieg.
Vor allem für den Aufbau einer Einheitsfront gegen Faschismus und Krieg haben sie auch heute große Bedeutung.
Zu ihrem Verständnis sind zwei historische Faktoren wesentlich: Zum einen war das deutsche Monopolkapital nach der Niederlage des Hitlerfaschismus vorübergehend entmachtet. Zum anderen – so Willi Dickhut - war „das Ergebnis der Jahre des Faschismus … eine allgemeine Linksentwicklung der werktätigen Massen.“
Wir danken dem Stadtarchiv Solingen, das uns diese Schriften aus dem Nachlass von Willi Dickhut zur Verfügung gestellt hat.
KPD Kreisleitung Solingen
PROBLEME DER PROLETARISCHEN EINHEIT
Als im Sommer 1932 die gewaltige Weltwirtschaftskrise ihrem Tiefpunkt zustrebte, eine Notverordnung die andere ablöste, war es klar, daß die Bourgeoisie nicht mehr mit den Mitteln der Demokratie ihre Herrschaft aufrechterhalten konnte. Die Brüning-Regierung wurde abgelöst durch die Papen-Regierung. Ein Leutnant mit zehn Mann erschien und komplimentierte den »sozialistischen« Minister Severing vom Ministerstuhl. Anstatt die Arbeiterklasse mit den Gewerkschaften zum Kampf aufzurufen, wich der »kleine Metallarbeiter« der Gewalt.
Die Papen-Regierung bedeutete eine der Formen des Faschismus, aber noch nicht die offene faschistische Diktatur. Die Weltwirtschaftskrise strebte weiter dem Abgrund zu. Immer mehr Industriebetriebe, Handels- und Handwerksunternehmungen und Banken brachen zusammen und die Landwirtschaft verschuldete in untragbarer Weise. Konkurse, Zwangsversteigerungen, Exmittierungen1 u.ä. waren an der Tagesordnung. Das Arbeitslosenheer schwoll wie eine Lawine an. Die Auflösungserscheinungen des Kapitalismus traten immer offensichtlicher in Erscheinung. Mit noch schärferen, einschneidenderen Notverordnungen wollte die faschistische Papen-Regierung die Entwicklung hemmen.
Ein großer Teil der sozialen Reformen, die das Proletariat dem Kapitalismus im Jahre 1918 unter dem Druck der sozialen Revolution abgerungen hatte, war schon abgebaut worden; jetzt sollten die Reste der Errungenschaften des Proletariats zermalmt werden. Dieser Versuch scheiterte an dem wachsenden Kampfwillen in der Arbeiterklasse. Gewaltige Streiks und Demonstrationen wurden gegen die Papen'schen Notverordnungen ausgelöst. Die Entwicklung strebte der revolutionären Krise zu, ohne daß die Sozialdemokratie in der Lage war, diesen Prozeß noch weiter aufzuhalten; die eigenen Mitglieder radikalisierten trotz der Politik des »kleineren Übels«. Der revolutionäre Gärungsprozess in den Massen nahm immer größeren Umfang und beschleunigteres Tempo an.
Andererseits verfielen die bankrotten oder die mit Riesenschritten dem Bankrott entgegengehenden klein- und mittelbürgerlichen Schichten und der größte Teil der Bauernmassen (mit Ausnahme der Masse der Klein- und Zwergbauern, die den revolutionären Kurs einschlugen) den demagogischen Parolen der Hitlerfaschisten und erweiterten ruckartig die faschistische Massenbasis. Ein Wettlauf zwischen den revolutionären und den faschistischen Kräften entstand.
In dieser Zeit – Mitte September 1932 – kursierten in dem oberen Hundert der deutschen Bourgeoisie die »Deutschen Führerbriefe«, mit einem Artikel der Privatkorrespondenz des »Reichsverbandes der Deutschen Industrie«. Dieser Artikel, mit der Überschrift »Die soziale Rekonsolidierung des Kapitalismus« lautet:
»Das Problem der Konsolidierung des bürgerlichen Regimes im Nachkriegsdeutschland ist allgemein durch die Tatsache bestimmt, daß das führende, nämlich über die Wirtschaft verfügende Bürgertum zu schmal geworden ist, um seine Herrschaft allein zu tragen. Es bedarf für die Herrschaft, falls es sich nicht der höchstgefährlichen Waffe der rein militärischen Gewaltausübung anvertrauen will, der Bindung von Schichten an sich, die sozial nicht zu ihm gehören, die ihm aber den unentbehrlichen Dienst leisten, seine Herrschaft im Volke zu verankern und dadurch deren eigentlicher und letzter Träger zu sein. Dieser letzte oder Grenzträger der bürgerlichen Herrschaft war in der ersten Periode der Nachkriegskonsolidierung die Sozialdemokratie.
In der ersten Rekonsolidierungsära des bürgerlichen Nachkriegsregimes war die Spaltung der Arbeiterschaft fundiert durch die lohn- und sozialpolitischen Errungenschaften, in die die Sozialdemokratie den revolutionären Ansturm umgemünzt hatte. Diese nämlich funktionierten als eine Art Schleusenmechanismus, durch den der beschäftigte und fest organisierte Teil der Arbeiterschaft im Arbeitsmarktgefälle einen erheblichen Niveauvorteil gegenüber der arbeitslosen und fluktuierenden Masse der unteren Kategorie gemäß und gegen die volle Auswirkung der Arbeitslosigkeit und der allgemeinen Krisenlage der Wirtschaft relativ geschützt war.
Die politische Grenze zwischen SPD und KPD verläuft fast genau auf der sozialen und wirtschaftlichen Linie dieses Schleusenmechanismus. Da zudem die sozialdemokratische Ummünzung der Revolution in Sozialpolitik zusammenfiel mit der Verlegung des Kampfes aus den Betrieben und von der Straße in das Parlament, die Ministerien und die Kanzleien, d.h. mit der Verwandlung des Kampfes von unten in die Sicherung von oben, waren fortan SPD und Gewerkschaften, mithin aber auch der gesamte von Ihnen geführte Teil der Arbeiterschaft mit Haut und Haaren an den bürgerlichen Staat und durch ihre Machtbeteiligung an ihn gekettet, und zwar so lange als erstens das geringste von jenen Errungenschaften auf diesem Weg zu verteidigen übrig bleibt und als zweitens die Arbeiterschaft ihrer Führung folgt.
Vier Folgerungen aus dieser Analyse sind wichtig:
1. Die Politik des kleineren Übels ist nicht eine Taktik, sie ist die politische Substanz der Sozialdemokratie.
2. Die Bindung der Gewerkschaftsbürokratie an den staatlichen Weg von oben ist zwingender als ihre Bindung an den Marxismus, also an SPD und gilt gegenüber jedem bürgerlichen Staat, der sie einbeziehen will.
3. Die Bindung der Gewerkschaften an die SPD steht und fällt politisch mit dem Parlamentarismus.
4. Die Möglichkeit einer liberalen Sozialverfassung des Monopolkapitalismus ist bedingt durch das Vorhandensein eines automatischen Spaltungsmechanismus der Arbeiterschaft. Ein bürgerliches Regime, dem an einer liberalen Sozialverfassung gelegen ist, muß nicht nur überhaupt parlamentarisch sein, es muß sich auf die SPD stützen und der SPD ausreichende Errungenschaften lassen. Ein bürgerliches Regime, das diese Errungenschaften vernichtet, muß SPD und Parlamentarismus opfern, muß sich für die SPD einen Ersatz verschaffen und zu einer gebundenen Sozialverfassung übergehen.
Der Prozeß dieses Übergangs, in dem wir uns augenblicklich befinden, weil die Wirtschaftskrise jene Errungenschaften zwangsläufig zermalmt hat, durchläuft das akute Gefahrenstadium, daß mit dem Fortfall jener Errungenschaften auch der ihm beruhende Spaltungsmechanismus der Arbeiterschaft zu wirken aufhört, mithin die Arbeiterschaft in der Richtung auf den Kommunismus ins Gleiten gerät und die bürgerliche Herrschaft sich der Grenze eines Notstandes einer Militärdiktatur nähert.
Die Rettung aus diesem Abgrund ist nur möglich, wenn die Spaltung und Bindung der Arbeiterschaft, da jener Schleusenmechanismus in ausreichender Weise nicht wieder aufzurichten geht, auf andere und zwar direkte Weise gelingt. Hier liegen die positiven Möglichkeiten und Aufgaben des Nationalsozialismus.
Wenn es dem Nationalsozialismus gelänge, die Gewerkschaften in eine gebundene Sozialverfassung einzubringen, so wie die SPD sie früher in die liberale eingebracht hat, so würde der Nationalsozialismus damit zum Träger einer für die künftige bürgerliche Herrschaft unentbehrlichen Funktion und müßte in dem Sozial- und Staatssystem dieser Herrschaft notwendig seinen organisierten Platz finden.
Die Gefahr einer staatskapitalistischen oder sogar sozialistischen Entwicklung, die oft gegen eine solche berufsständische Eingliederung der Gewerkschaften unter nationalsozialistischer Führung eingewandt wird, wird in Wahrheit gerade durch sie gebannt. Zwischen den beiden Möglichkeiten einer Rekonsolidierung der bürgerlichen Herrschaft und der kommunistischen Revolution gibt es keine dritte.«
Nach diesen »Führerbriefen« hatte die herrschende Klasse die innenpolitische Entwicklung mit einer Klarheit und Schärfe erkannt, die nichts wünschen übrig ließ. Die Folge war eine Unterstützung der NSDAP mit allen nur denkbaren Mitteln und Hinsteuern zur offenen faschistischen Diktatur. Das geschah durch die Schleicherregierung als Übergangskabinett. Es mußte rasch gehandelt werden, folglich durfte dieses Kabinett nur von kurzer Dauer sein. Das kennzeichnete die Schwäche der deutschen Bourgeoisie.
Während in allen Schichten der Bourgeoisie eine schnelle Einigung erzielt wurde, konnte die werktätige Masse die Bildung einer großen antifaschistischen, antikapitalistischen Einheitsfront, die im Entstehen und Wachsen begriffen war, nicht mehr vollenden,
1. weil die reformistischen Führer diese sich langsam kristallisierende Einheit der Arbeiterklasse sabotierten, damit die Arbeiterklasse verrieten und dem Faschismus den Weg ebneten und
2. weil die revolutionäre Partei, die KPD, die an sich richtige Einheitspolitik zu starr, ohne revolutionäre Beweglichkeit und Elastizität anwandte.
Das kennzeichnete die Schwäche der Arbeiterklasse.
»In diesem Zusammenhang darf man den Sieg des Faschismus in Deutschland nicht nur als ein Zeichen der Schwäche der Arbeiterklasse und als Ergebnis der Verrätereien an der Arbeiterklasse seitens der Sozialdemokratie betrachten, die dem Faschismus den Weg ebnete. Man muss ihn auch als Zeichen der Schwäche der Bourgeoisie betrachten, als Zeichen dafür, daß die Bourgeoisie nicht mehr imstande ist, mit den alten Methoden des Parlamentarismus und der bürgerlichen Demokratie zu herrschen, und in Anbetracht dessen gezwungen ist, in der Innenpolitik zu terroristischen Regierungsmethoden zu greifen ...« schrieb Stalin im „Rechenschaftsbericht an den XVII. Parteitag 1934.“ (Werke, Band 13, S. 261/262)
So kam es, daß die faschistischen Kräfte den Sieg errangen und die revolutionären Kräfte in diesem Wettlauf unterlagen.
12 Jahre faschistischer Diktatur in Deutschland, 12 Jahre furchtbarer Ausbeutung und brutaler Unterdrückung mit Ausmündung in ungeheures Elend haben der Arbeiterklasse die Erkenntnis der Notwendigkeit und den Drang nach der Bildung der Einheit der Arbeiterklasse aufgezwungen. Wie soll aber die Bildung der Einheit von sich gehen? Bildung einer Einheitsfront zwischen kommunistischen, sozialdemokratischen, christlichen und parteilosen Arbeitern oder Einheitspartei, d.h. Zusammenschluß zwischen KPD und SPD?
Die Entwicklung der proletarischen Partei nach Form und Inhalt vollzog sich unter dem Einfluß der Entwicklung und wechselseitigen Bedingtheit des materiellen Lebens der Gesellschaft, d.h. sie formte, entwickelte und veränderte sich parallel der Entwicklung und Veränderung der kapitalistischen Gesellschaftsordnung vom Kapitalismus der freien Konkurrenz zum Imperalismus, vom Kapitalismus, der den Arbeitern noch ökonomische Zugeständnisse machen, noch soziale Reformen gewähren konnte, zum Kapitalismus der brutalsten Ausbeutung und Unterdrückung, des Endes der sozialen Reformen.
Entsprechend dieser Entwicklung und Veränderung der sozialen Struktur der Gesellschaft verwandelte sich die proletarische Partei von einer parlamentarischen Partei der vorrevolutionären Epoche zur revolutionären Partei, die den Erfordernissen der Periode der offenen und bewaffneten Klassenkämpfe, der Periode der proletarischen Revolution entsprach. Wie vollzog sich diese Entwicklung und Umbildung der proletarischen Partei?
»In der vorrevolutionären Periode« - erklärt Stalin in »Über die Grundlagen des Leninismus« - »in der Periode der mehr oder weniger friedlichen Entwicklung, als die Parteien der II. Internationale in der Arbeiterbewegung die herrschende Kraft darstellten und die parlamentarischen Kampfformen als die Grundformen galten – unter diesen Bedingungen hatte die Partei nicht die ernste und entscheidende Bedeutung und konnte diese auch nicht haben, wie die Partei sie dann unter den Bedingungen der offenen revolutionären Schlachten gewann. Zur Verteidigung der II. Internationale gegen verschiedene Angriffe erklärte Kautsky, dass die Parteien der II. Internationale ein Friedensinstrument und kein Kriegsinstrument seien, dass sie gerade deshalb nicht imstande gewesen seien, während des Krieges, in der Periode der revolutionären Aktionen des Proletariats, irgend etwas Ernstes zu unternehmen. Das ist völlig richtig. Aber was bedeutet das? Das bedeutet, dass die Parteien der II. Internationale untauglich sind für den revolutionären Kampf des Proletariats, dass sie keine Kampfparteien des Proletariats sind, die die Arbeiter zur Macht führen, sondern ein Wahlapparat, der für Parlamentswahlen und den parlamentarischen Kampf eingerichtet ist. Daraus erklärt sich eigentlich auch die Tatsache, dass in der Periode der Herrschaft der Opportunisten der II. Internationale nicht die Partei, sondern die Parlamentsfraktion die maßgebende politische Organisation des Proletariats war. Es ist bekannt, dass die Partei in dieser Periode in Wirklichkeit ein Anhängsel und dienstbares Element der Parlamentsfraktion war. Es erübrigt sich wohl nachzuweisen, dass unter solchen Bedingungen und mit einer solchen Partei an der Spitze von einer Vorbereitung des Proletariats auf die Revolution nicht einmal die Rede sein konnte.
Die Sache änderte sich jedoch von Grund aus mit dem Anbruch der neuen Periode. Die neue Periode ist die Periode offener Zusammenstöße der Klassen, die Periode revolutionärer Aktionen des Proletariats, die Periode der proletarischen Revolution, die Periode der direkten Vorbereitung der Kräfte zum Sturz des Imperialismus, zur Ergreifung der Macht durch das Proletariat. Diese Periode stellt dem Proletariat neue Aufgaben: die gesamte Parteiarbeit auf neue, auf revolutionäre Art umzubauen, die Arbeiter im Geiste des revolutionären Kampfes um die Macht zu erziehen, Reserven auszubilden und heranzuziehen, das Bündnis mit den Proletariern der benachbarten Länder herzustellen, feste Verbindungen mit der Befreiungsbewegung der Kolonien und der abhängigen Länder zu schaffen usw. usf. Zu glauben, daß diese neuen Aufgaben mit den Kräften der alten sozialdemokratischen Parteien, die in den friedlichen Verhältnissen des Parlamentarismus erzogen wurden, gelöst werden können - heißt sich zu hoffnungsloser Verzweiflung, zu einer unausbleiblichen Niederlage verurteilen. Die alten Parteien weiter an der Spitze zu belassen, wo man solche Aufgaben zu bewältigen hat, heißt völlig ungerüstet dastehen. Es erübrigt sich wohl nachzuweisen, daß das Proletariat sich mit einer solchen Sachlage nicht abfinden konnte.
Daraus folgt die Notwendigkeit einer neuen Partei, einer Kampfpartei, einer revolutionären Partei, die kühn genug ist, die Proletarier in den Kampf um die Macht zu führen, die genügend Erfahrung hat, um sich in den komplizierten Verhältnissen der revolutionären Situation zurechtzufinden, und genügend Elastizität besitzt, um Klippen jeder Art auf dem Wege zum Ziel zu umgehen.
Ohne eine solche Partei ist an einen Sturz des Imperialismus, an die Eroberung der Diktatur des Proletariats gar nicht zu denken. Diese neue Partei ist die Partei des Leninismus.« (Stalin, Werke, Band 6, S. 149/150, Hervorhebung W.D.)
Die von Stalin aufgezeigten Voraussetzungen der Rolle einer revolutionären Partei werden von den Parteien der Kommunistischen Internationale erfüllt. Die Kommunistische Partei ist der Vortrupp, die Avantgarde des Proletariats, die in ihren Reihen solche Arbeiter vereinigt, die über mehr oder weniger entwickeltes Wissen über Ursache und Wirkung, Strategie und Taktik, Bedingungen und Resultate der Klassenkämpfe verfügen, die sich nicht scheuen, die revolutionären Interessen der Gesamtbewegung über die Einzelinteressen und Wünsche verschiedener Schichten und Strömungen innerhalb des Proletariats zu setzen; die es verstehen, den Massen die Bedingungen und den Verlauf der Klassenkämpfe, ihre Zusammenhänge und wechselseitige Bedingtheit, ihre Wege und ihre Ziele zum Bewußtsein zu bringen, sie von dem Einfluß der Bourgeoisie zu lösen und sie mit revolutionärer Tatkraft und revolutionärem Willen zu erfüllen. Nur so kann die marxistisch-leninistische Partei die Massen zum Siege führen.
Die marxistisch-leninistische Partei kann nur dann die Aufgaben in der Periode der proletarischen Revolution erfüllen, wenn sie einen unversöhnlichen Kampf gegen Opportunisten aller Schattierungen, gegen Versöhnler, gegen Paktierer und Kapitulanten, die durch ihr Verhalten die Interessen der Bourgeoisie wahrnahmen, führt. Um das zu können, muß sie ihre eigenen Reihen frei von diesen Elementen halten.
»Bevor man sich vereinigt und um sich zu vereinigen, muß man sich zuerst entschieden und bestimmt voneinander abgrenzen« , fordert Lenin.
Die Geschichte der Bolschewistischen Partei lehrt, daß sie einen unversöhnlichen Kampf gegen die opportunistischen Gruppen innerhalb der Partei und zur Vernichtung dieser Gruppen, der »Ökonomisten«, Menschewiki, Trotzkisten, Bucharinleuten u. a. geführt hat.
»Wenn es unserer Partei gelungen ist, in der Partei die innere Einheit, die beispiellose Geschlossenheit ihrer Reihen zu schaffen, so vor allem deshalb, weil sie es verstanden hat, ... die Liquidatoren und Menschewiki aus der Partei zu verjagen. Der Weg zur Entwicklung und Festigung der proletarischen Parteien führt über ihre Säuberung von den Opportunisten und Reformisten, den Sozialimperialisten und Sozialchauvinisten, den Sozialpatrioten und Sozialpazifisten. Die Partei wird gestärkt dadurch, dass sie sich von den opportunistischen Elementen reinigt.« (Stalin, „Über die Grundlagen des Leninismus“, Werke, Band 6, S. 163)
Welche Lehren haben wir daraus zu ziehen? Die 12 Jahre faschistischer Diktatur haben einen nachhaltigen Eindruck auf die Masse der Mitglieder und eines Teils der Führer der Sozialdemokratie hinterlassen. Sie haben erkannt, daß ohne die aktive Mitwirkung der Sowjet-Union, ohne Einsatz ihrer wirtschaftlichen und militärischen Kraft die fürchterliche faschistische Kriegsmaschine nicht oder nur äußerst schwer, bestimmt nicht in dem Tempo zu zerschlagen war. Ein großer Teil hat erfaßt, daß in der heutigen revolutionären Epoche die soziale Frage nur durch revolutionären Kampf zum Sturz der kapitalistischen Herrschaft gelöst werden kann. Da nur die Kommunisten einen konsequenten revolutionären, nach einheitlichen Richtlinien ausgerichteten Kampf führen, orientieren sich die breiten proletarischen Massen immer mehr der Kommunistischen Partei zu. Das Ergebnis der Jahre des Faschismus ist eine allgemeine Linksentwicklung der werktätigen Massen.
Die Massen wünschen eine Einheit der Arbeiterklasse auf revolutionärer Basis. Da das Ziel der Arbeiterklasse – die Erringung der sozialistischen Gesellschaftsordnung – nur auf revolutionärem Wege erreicht werden kann, unterstellen sich die Massen bereitwillig der Führung der Kommunisten, sofern diese eine klare marxistisch-leninistische Linie vertreten und sich durch Aktivität im Kampf bewähren. Kann diese Voraussetzung durch eine Verschmelzung der KPD mit der SPD durch Bildung einer Einheitspartei erfüllt werden?
Entweder haben sich Führung und Mitgliedschaft der SPD wirklich vom Boden des Reformismus und Parlamentarismus entfernt, sich zur Anerkennung der proletarischen Revolution und der Diktatur des Proletariats durchgerungen und zur praktischen Mitarbeit entschlossen, dann finden Sie auch den Weg in die Kommunistische Partei oder sie können sich noch nicht von den reformistischen und parlamentarischen Eierschalen, die ihnen anhängen, lösen, noch nicht von den opportunistischen Tendenzen befreien, dann würde durch Vereinigung der opportunistischen und revolutionären Elemente in einer Einheitspartei die revolutionäre Linie getrübt, die Kampfkraft der Partei geschwächt werden. Die bolschewistische Partei lehrt aber, daß gerade die Entfernung der opportunistischen, reformistischen und menschewistischen Elemente die leninistische Partei gestärkt hat.
Darum ist die Bildung einer solchen Einheitspartei, die auf einem Mischmasch von revolutionären Phrasen und reformistischen Handlungen fundiert ist, falsch. Nur dort, wo die Kommunistische Partei organisatorisch und ideologisch äußerst schwach gegenüber einer starken sozialdemokratischen Partei ist (wie z.B. der Labour Party in England oder auch der nationalrevolutionären Kuomintang in China), kämpft sie um eine organisatorische Vereinigung, bei Aufrechterhaltung ihrer organisatorischen Selbstständigkeit als Fraktion innerhalb der Sozialdemokratie. Zweck einer solchen Vereinigung ist, unter solchen Umständen, auf diesem Wege eine bessere Möglichkeit zur Gewinnung der sozialdemokratischen Arbeiter für den revolutionären Kampf zu haben. Ist die Kommunistische Partei aber zu einer wirklichen Massenpartei geworden, dann muß sie auch nach außen hin als selbstständiger Faktor auftreten, weil eine solche Stärke psychologisch auf die Massen wirkt, sie anzieht wie ein Magnet die Feilspäne. Darum muß die organisatorische Selbstständigkeit als revolutionäre Massenpartei gewahrt bleiben.
Die Bildung der Einheit der Arbeiterklasse darf also unter den jetzigen Umständen nicht durch die organisatorische Verschmelzung der KPD mit der SPD erfolgen, sondern muß die Schaffung einer breiten Einheitsfront der kommunistischen, sozialdemokratischen, christlichen und parteilosen Arbeiter vorsehen, in der die Kommunisten um die Führung ringen. Das Ziel einer solchen Einheitsfrontpolitik ist die Eroberung der Mehrheit der Arbeiterklasse für den revolutionären Kampf um die Macht, für die Diktatur des Proletariats als Übergangsperiode von der kapitalistischen zur sozialistischen Gesellschaftsordnung.
Nun ist aber das Wort Diktatur durch die 12 Jahre faschistischer Diktatur in Mißkredit geraten und eine starke Abneigung gegen jede Diktatur aufgekommen. Dadurch hat die abgehalfterte bürgerliche Demokratie eine Aufwertung erfahren. Die breiten Massen verstehen nicht die konkreten Unterschiede zwischen faschistischer und proletarischer Diktatur, bürgerlicher und proletarischer Demokratie. Hier heißt es eine breite Aufklärungsarbeit leisten. Die faschistische Diktatur ist eine Diktatur einer kleinen Minderheit, einer Handvoll Kapitalisten gegen die große Mehrheit der Werktätigen. Die proletarische Diktatur ist eine Diktatur der großen Mehrheit, der Masse der Werktätigen, gegen die konterrevolutionären kapitalistischen Kreise, die die Errungenschaften der proletarischen Revolution zunichte machen wollen.
Die bürgerliche Demokratie ist eine Demokratie für die kapitalistische Klasse, nicht für die Masse der Werktätigen; sie ist eine verschleierte Diktatur der Bourgeoisie zur besseren Beherrschung der Massen. Selbst das allgemeine gleiche und geheime Wahlrecht dient der Bourgeoisie als ein betrügerisches Mittel zur Aufrechterhaltung ihrer kapitalistischen Herrschaft, und sollte dieses Mittel nicht mehr dem Zweck genügen, so wird es beschränkt oder beseitigt.
Die proletarische Diktatur verkörpert die proletarische Demokratie, die Interessen und den Willen des werktätigen Volkes, der großen Mehrheit der Menschheit; sie ist darum die wirkliche Demokratie. Die bürgerliche Demokratie ist ebenso eine der Herrschaftsformen des Kapitalismus, wie die faschistische Diktatur. Der Unterschied besteht darin:
Während die faschistische Diktatur mehr mit dem Mittel des Terrors arbeitet, ohne auf das Mittel des Betruges zu verzichten, tritt in der bürgerlichen Demokratie mehr das Mittel des Betruges in Erscheinung, daneben aber auch das Mittel des Terrors.
Beide Formen dienen der Bourgeoisie zur Beherrschung der breiten Massen. Die proletarische Demokratie, die Demokratie der Werktätigen, ist eine Herrschaftsform der Arbeiterklasse gegen die Reste der Bourgeoisie; sie ist identisch mit der Diktatur des Proletariats, die die Liquidierung der Kapitalisten als Klasse vorsieht.
Somit ist proletarische Demokratie weder ein Pseudonym für die Diktatur des Proletariats, noch eine Zwischenstufe zwischen kapitalistischer und proletarischer Herrschaft. Die proletarische Demokratie kann nur durch die Eroberung der Macht durch die Arbeiterklasse gewonnen werden, und die Erhaltung der Macht der Arbeiterklasse ist nur durch die Diktatur des Proletariats möglich. Wenn wir aus taktischen Gründen das Wort proletarische Demokratie in den Vordergrund stellen, so müssen wir uns aber klar sein, daß kein Unterschied zwischen proletarischer Demokratie und proletarischer Diktatur als Herrschaftsform des Proletariats besteht. Proletarische Demokratie bedeutet Demokratie für alle Werktätigen; proletarische Diktatur bedeutet Diktatur gegen die kapitalistischen Elemente.
Die Klärung dieser grundsätzlichen Fragen ist die notwendige Voraussetzung zur Bildung der proletarischen Einheitsfront. Ohne eine klare Formulierung über das, was wir wollen, ohne eine scharfe Abgrenzung aller Tendenzen und Meinungen wird eine Einheitsfront zum Einheitsbrei. Der Einheitsbrei mündet in den Opportunismus, wirkt sich immer zum Schaden der Arbeiterklasse aus und macht die Durchführung der proletarischen Revolution unmöglich. So hängt das Gesamtproblem der Einheit der Arbeiterklasse mit dem Gesamtproblem der proletarischen Revolution zusammen; ersteres ist ein Teil des letzteren.
(Verfasst von Willi Dickhut)
1Zwangsräumungen