Rezension zu "Die Krise der bürgerlichen Naturwissenschaft"

Rezension zu "Die Krise der bürgerlichen Naturwissenschaft"

Das Buch ist ein fundierter Aufruf zu mehr kritischem Geist

Von einer Physikerin aus Berlin

In den USA vertrauen heute weit weniger Menschen der Wissenschaft als noch vor der Corona- Pandemie, so lautet das Ergebnis einer Umfrage des renommierten Meinungsforschungsinstituts Pew Research Center in Washington. In Deutschland vertrauen gemäß Wissenschaftsbarometer 2023 noch 56 Prozent der Befragten der Wissenschaft und Forschung. Damit ist der Vertrauensverlust gegenüber den Jahren vor Corona zwar geringer als in den USA, doch vorhanden. In Österreich spricht man von zunehmender Wissenschaftsskepsis. Oft wird die Frage gestellt: Ist die Wissenschaftsskepsis gerechtfertigt?

Liest man das Buch „Die Krise der bürgerlichen Naturwissenschaft“, welches, wie die Einleitung verrät, das „Produkt der kollektiven Weisheit eines großen Teams sachkundiger, kritischer und wissenschaftlich denkender“ Menschen ist, ist man versucht, die Frage anders zu stellen:

Ist ein Vertrauen in die moderne Wissenschaft gerechtfertigt? Hat sich in der Gesellschaft bereits genug kritischer Geist entwickelt? Oder existiert nicht (leider) noch eine gewisse Wissenschaftsgläubigkeit, die medial von Mythen genährt wird, indem Naturwissenschaftler wie Physiker oder Mediziner als „neutrale Experten“ bezeichnet werden und Forschungsergebnisse als gesichert dargestellt werden?

Neben einer Einführung und einem Ausblick wird die Krise der verschiedenen Wissenschaftsgebiete wie Physik, Biologie, Umweltforschung, Ingenieurwesen, Medizin und Psychologie jeweils separat in einem Kapitel ausgeleuchtet. Dabei ist es eine Stärke des Buches, analoge Mechanismen wie z.B. positivistische und pragmatische Herangehensweisen, idealistische Deutungen, unnütze Großprojekte und Raubbau an natürlichen Ressourcen als auch die Eigennützigkeit und Abhängigkeit von Forschenden herauszuarbeiten, sodass in der Tat so etwas wie das generelle Bild einer „Krise der bürgerlichen Naturwissenschaft“ entsteht. Fundiert wird anhand von Beispielen und aussagekräftigen, oft historischen und zum Teil warnenden Zitaten erzählt, warum sich eine Krise der bürgerlichen Naturwissenschaft entwickeln musste und worin sie besteht.

Wer sich weiterbilden möchte und ein gesundes Maß an Skepsis gegenüber dem Wissenschaftsbetrieb und seinen Ergebnissen erwerben möchte, dem sei dieses Buch empfohlen. Benötigen wir eine (oft als umweltschonend deklarierte) Digitalisierung mit 5G, Totalüberwachung usw. überhaupt, die in Wahrheit Sozialsphäre, Muße, das natürliche Denken und die Umwelt zerstört? Benötigen wir eine Gen- und Medizinforschung, die das Maß verloren hat, indem Natürlichkeit durch Künstlichkeit ersetzt wird? Oder eine idealistisch geprägte Physik, die am CERN aufwändig nach Spekulationen wie Gravitonen und Gottesteilchen sucht?

Das Buch ist ein fundierter Aufruf zu mehr kritischem Geist. Wissenschaftsgläubigkeit wird dann fatal, d.h. mensch- und naturzerstörerisch, wenn sie auf eine Wissenschaft trifft, die im Interesse des Geldes und Kapitals agiert, z.B. im Interesse der Pharmaindustrie, der Großkonzerne, der zunehmenden Ausbeutung von Natur und Mensch oder der weltweiten Überwachung.