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Wolfram Weimer: Ultrarechter-völkischer Kulturkampf von oben
Zu Wolfram Weimer, Staatsminister und Beauftragter der Bundesregierung für Kultur und Medien
Bundeskanzler Merz hatte im Mai den Publizisten und Verleger Wolfram Weimer als Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien eingesetzt. Ganz so überraschend ist das nicht: Merz und Weimer sind eng befreundet, beide Villen-Besitzer am Tegernsee und Teil der »Tegernsee-Connection«.
Weimer war berühmt-berüchtigter Rechtsaußen-Publizist bei konservativen Medien der deutschen Bourgeoisie: der »FAZ«, »Welt«, »Focus«, Gründer und Chefredakteur von »Cicero«. 2012 gründete er mit seiner Frau die »Weimer-Media-Group«, in der bürgerliche Organe verlegt werden. Sie veranstaltete auch die jährlichen Ludwig-Erhard-Gipfel in Gmund (am Tegernsee): Laut Selbstbeschreibung der Weimer Media Group ist es: »das Treffen der Meinungsführer Deutschlands, die zu brennenden Themen unserer Zeit interessante Denkansätze und neue Lösungswege finden wollen. Vorstandsvorsitzende großer Konzerne tauschen sich mit Ministern ebenso aus wie die führenden Medienköpfe der Republik mit Wirtschaftsforschern.« Nebenbei: Auch die neue CDU-Wirtschaftsministerin Katherina Reiche gehört seit Jahren zu diesem erlauchten Kreis.
Kein Zweifel: Weimer ist eine prägender Kopf der deutschen Bourgeoisie, Personifizierung der Diktatur der Monopole durch die Vereinigung von Medienmacht und bürgerlicher Politik. Seine ideologisch-politischen Konzepte hat er in verschiedenen Aufsätzen und Büchern offen dargelegt. Merz wusste also nur zu gut, wen er an die Spitze der staatlichen Kultur- und Medienpolitik befördert – und warum:
In seinem Buch Das konservative Manifest formuliert Weimer 2018 »Zehn Gebote der neuen Bürgerlichkeit« wie »Person würdigen«, »Familie lieben«, »Nation ehren«, »Tradition hegen«, »Recht und Ordnung respektieren« und »Gott achten«. Die von ihm geforderte »Erneuerung der Gesellschaft« bedeutet eine ultrareaktionäre bis rassistisch-faschistoide Wende in Kultur und Gesellschaft:
Er bedauert, dass die »Welteroberung« als »zivilisatorische Leistung« sich leider nach 1945 erledigt hätte. Denn der Krieg habe «für das koloniale Selbstbewusstsein wie ein Verbrennungsofen (das hat er wirklich geschrieben!!) der europäischen Ansprüche – machtpolitischer, wirtschaftlicher, kultureller und moralischer Natur» gewirkt! »Europa vermehrt sich nicht mehr räumlich. [...] Territorial werden die Räume, die von europäischen Hauptstädten beherrscht werden, immer kleiner. [...] Im alten Kontinent wurde dieser erdrutschartige Machtverlust nicht einmal bedauert. Man betrachtete die eigene Kolonialgeschichte mit moralischen Gewissensbissen als illegitime Expansion.« Die «dunkle Seite» der europäischen Kolonialisierung der Welt würde in Schulen zu Unrecht nur als «Sündenfall» dargestellt (so Weimer 2012 und 2018). Eine erschreckend offen imperialistische Rechtfertigung der Verbrechen des deutschen Kolonialismus.
Das schrieb er nicht nur. Er versucht das jetzt mit seinem politischen Amt auch umzusetzen: im überarbeiteten »Gedenkstättenkonzept« ist die von seiner Vorgängerin Claudia Roth noch geplante Aufarbeitung des deutschen Kolonialismus gestrichen.
In ähnlich nationalistisch-faschistoider Denkweise beklagt er, dass die Deutschen im 2. Weltkrieg ihre «Vaterlandsgefühle» und ihr «Herkunftsbewusstsein» verloren hätten, dass diese Gefühle nach 1945 «systematisch bekämpft und zerstört worden sind, als habe es die Welt vor 1933 und ihre geistigen Traditionen nie gegeben» …
In offenem Rassismus kritisierte er den »innerstaatlichen Multikulturalismus, der uns aus muslimischen Problemgebieten einen Kulturgewinn vorgaukeln will«. Stattdessen propagiert er den »äußeren Multikulturalismus«, den «tradierten Multikulturalismus der Vaterländer, nicht des Schmelztiegels«. Das ist nur ein anderer Begriff für den faschistischen Ethnopluralismus, nach dem die Völker nach Blut und Rasse getrennt gehörten! Rassistisch beschimpft er das Bürgergeld, das eigentlich »Migrantengeld« heißen müsste.
Weiterhin ist Weimer erklärter Klimaskeptiker. In den Publikationen seines Weimers Verlag veröffentlicht er regelmäßig Gastbeiträge des Europäischen Instituts für Klima und Energie (EIKE) (deutschsprachiger Arm der internationalen »Klimaskeptiker«).
Eine »Lösung« sieht Weimer ausgerechnet in der Wiederbelebung der Religion als Chance für eine kulturelle Renaissance des Abendlandes.
»Das 21. Jahrhundert wird ein Zeitalter der Religion. Gott kehrt zurück… Er kommt mitten hinein in den politischen Raum. Dieses Traktat vertritt die These, dass sich der Säkularisierungsprozess umkehren wird. Wir gehen vom postmodernen ins neoreligiöse Zeitalter.« Dabei bezeichnet er dreist das Christentum als »Religion der Liebe« , den Islam dagegen als »Religion des Schwertes«.
Hans-Jürgen Jakobs vom »Handelsblatt« lobte vor 5 Monaten ausdrücklich die »Tegernsse-Connection« zwischen Merz und Weimer: »Erkennbar geht es um den Versuch, kulturelle Deutungshoheit zu gewinnen für jenen Konservativismus, für den Merz und Weimer stehen…«. Weimer steht für den Versuch eines radikalen ultrareaktionären-völkischen Kurswechsels im Kampf um die Denkweise der Massen mittels Kultur und Medien. Der Kampf dagegen muss Bestandteil des Kampfes gegen Rechtsentwicklung und Faschismus werden.