von rf-news
Staatsmonopolistischer Kapitalismus: Wer steckt hinter dem iranischen Regime?
Seit Monaten rebellieren die Massen im Iran gegen das brutale faschistische Regime – angestoßen durch die Ermordung der jungen Kurdin Jina Masha Amini durch die iranische Sittenpolizei.
Irans Präsident Ebrahim Raisi irrt sich gründlich, wenn er meint, die "systemkritischen Proteste" seien unterdessen zu Ende. Der relative Rückgang der Proteste zur Zeit bedeutet nur, dass die Arbeiter- und Volksbewegung im Iran um Klarheit darüber ringt, wie ihr Kampf weitergeführt und höherentwickelt werden kann. [1] Dazu muss sie sich auch über die ökonomische Basis der faschistischen Diktatur klar werden. In den hiesigen bürgerlichen Massenmedien wird – wenn überhaupt - der religiöse Fanatismus des Regimes angeprangert. Bestenfalls ist die Rede von einer tiefen Krise der iranischen Wirtschaft mit horrender Inflation für die Massen. Aber was ist das für eine Wirtschaft – und was repräsentiert dabei das Regime der religiösen Führer?
Waren die Geistlichen nach dem Sturz des vom westlichen Imperialismus, vor allem dem US-Imperialismus, abhängigen Schah-Regime 1980 zunächst vor allem eng mit den Basar-Kaufleuten verbundene Islam-Gelehrte [2], verwandelten sie sich in den mehr als 40 Jahren ihrer Herrschaft in eine staatsmonopolistische Kapitalistenklasse. Der Iran wurde von einem abhängigen halbfeudal-halbkapitalistischen Land zu einem neuimperialistischen Land. Lenin stellte fest: „Würde eine möglichst kurze Definition des Imperialismus verlangt, so müßte man sagen, daß der Imperialismus das monopolistische Stadium des Kapitalismus ist.“ [3] Eine entscheidende Voraussetzung für den Iran, ein neuimperialistisches Land zu werden, war die Schaffung staatsmonopolistisch-kapitalistischer Strukturen.
Bereits unmittelbar nach 1980 konzentrierten die religlösen Führer die politische und ökonomische Macht systematisch in ihren Händen. Dazu beschlagnahmten sie den größten Teil des Vermögens der Schah-Clique - den reichsten feudalen Großgrundbesitzern - gaben es aber nicht wie versprochen für die „Mostazafin“ (den Besitzlosen oder Entrechteten) aus, sondern schufen bzw. nutzten religiöse Stiftungen („Bonyâd“ genannt), die zum Aufbau ihnen gehörender industrieller Komplexe dienten. Die größten Betriebe im Iran sind deshalb durchweg staatliche oder halbstaatliche monopolkapitalistische Unternehmen. [4] Die religiöse Fassade des Regimes diente und dient der Verwirrung und Unterwerfung der Massen. Sie verschleiert die staatskapitalistische Ausbeutung und stellt den faschistischen Charakter ihrer Herrschaft als "gottgegeben“ dar.
Das größte Einzelunternehmen ist heute die staatliche Ölgesellschaft NIOC (National Iranian Oil Company). Sie macht allein rund 20 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) aus. Schon im Jahr 2011 nahm der Iran den vierten Platz der weltweiten Erdgasförderung ein. Der riesige miteinander verflochtene Komplex von Unternehmen der Islamischen Revolutionswächter (IRGC) produziert mehr als die Hälfte des BIP. [5] Außerdem existiert ein klerikal-kommerzielles Monopol, das aus einem Netzwerk von Bonyâds besteht, das auch etwa ein Fünftel des BIP erwirtschaftet. Die reichste ist die „Bonyâd-e Âstân-e Qods-e Razavi“. Diese Bonyâds unterstehen direkt dem Staatsoberhaupt Ayatollah Ali Chamenei.
Bis zu 80 Prozent der Wirtschaft werden so von monopolistischen Konglomeraten dominiert, die überwiegend unter der operativen Führung der so genannten „Revolutionsgarden“ stehen. Sie werden beherrscht von der obersten Riege der religiösen Führer und sind eng verflochten mit den Spitzen des Militärs. Die ökonomische Herrschaft dieses militärisch-industriellen Komplexes ist eine ökonomische Grundlage für das extrem reaktionäre und frauenfeindliche Wesen des iranischen Regimes in der Machtausübung nach innen und für sein äußerst aggressives Wesen als neuimperialistisches Land nach außen.
Seit 1980 verfolgt die iranische Führung in zunehmender Intensität das imperialistische Ziel, eine Vormachtstellung in der zentralen Region des westlichen Asiens zwischen dem Kaspischen Meer im Norden und dem Golf von Oman bzw. dem Persischen Golf im Süden durchzusetzen und sich wirtschaftlich dort auszubreiten. Sie scheut auch keine kriegerischen Auseinandersetzungen dabei und infiltriert viele Länder mit ihren Milizen, bzw. finanziert in anderen Ländern mit ihr verbundene faschistische Organisationen.
Die Verfügungsgewalt über das iranische Monopolkapital hat eine kleine, führende Schicht der Herrschenden, von religiösen Führern und hochrangigen Militärs im Verbund mit Vertretern der Großbourgeoisie und des Großgrundbesitzes. Der miltärisch-industrielle Komplex kontrolliert große Teile des Wirtschaftslebens. Das ist ein sozioökonomischer Hintergrund für die besonders reaktionäre und aggressive Ausrichtung des neuimperialistischen Iran, in dem seit mittlerweile 43 Jahren eine finstere faschistische Diktatur herrscht.
Mit den Strukturen des staatsmonopolistischen Kapitalismus im Iran wurde aber auch eine große und gut organisierte Arbeiterklasse geschaffen. Die etwa eine Million Erdöl- und Erdgasarbeiter bilden den Kern des iranischen Industrieproletariats. Zwischen 2000 und 2017 wurde die Industrie mithilfe von Jointventures mit europäischen Firmen sprunghaft auch in anderen Bereichen ausgebaut. Der iranische Staat kontrollierte diesen Prozess und erhielt von den Einnahmen dieser Zusammenarbeit einen Anteil von etwa 40 Prozent. So entstand u.a. eine große Autoindustrie mit etwa 500.000 Beschäftigten. Der Iran wurde dabei auch zum zehntgrößten Stahlproduzenten und sechstgrößten Zementhersteller weltweit. [6]
Die Industrieproduktion machte 2017 über 35 und 2021 schon über 39 Prozent des Bruttoinlandsproduktes aus, dazu kommen noch große Teile der 48 Prozent des als „Dienstleistungen“ bezeichneten Bereichs. Es wird geschätzt, dass 24 Millionen Iraner und Iranerinnen in der Industrie tätig sind. Heute zählen über drei Viertel der 85 Millionen Einwohner zur städtischen Bevölkerung, allein in Teheran leben über 14 Millionen Menschen. Mit der Arbeiterklasse ist zugleich der entschiedenste Gegner des Regimes herangewachsen – das zeigt sich auch in der gegenwärtigen Massenbewegung.
Die Situation einer faschistischen Diktatur in einem Land mit neuimperialistischem Charakter erfordert für die Arbeiter- und Volksbewegung im Iran die klare Orientierung auf eine antifaschistisch-neudemokratische Revolution als Teil der internationalen proletarischen Revolution auf dem Weg zum Sozialismus.
Zuerst erschienen auf rf-news.de
Quellen & Links
[1] Siehe rf-news-Artikel „Bedeutende Initiativen für einen neuen Aufschwung der Massenkämpfe“ vom 25.02.2022
[2] https://www.dwds.de/wb/Mullah
[3] Lenin, Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus, Werke, Bd. 22, S. 270
[4] https://de.qantara.de/inhalt/wirtschaft-im-iran-die-krise-des-mullah-kapitalismus
[6] https://www.gtai.de/de/trade/iran/branchen/zementindustrie-will-weiter-expandieren-739158