Rezension RW 36
Rezension von Frank Kuschel, Arnstadt zu Stefan Engel „Die Krise – Der bürgerlichen Ideologien und des Antikommunismus“ und die Antwort der Redaktion
Frank Kuschel, Verlagsleiter THK-Verlag Arnstadt, verfasste eine Rezension des Buchs. Monika Gärtner-Engel von der Redaktion REVOLUTIONÄRER WEG verfasste dazu eine Antwort.
Frank Kuschel Montag, 24. Mai 2021
Rezension
Stefan Engel „Die Krise – Der bürgerlichen Ideologien und des Antikommunismus“
Wer Klassenkampfschriften mag, dem ist dieses Buch nur zu empfehlen.
Der Schreibstil von Stefan Engel, geprägt von Begriffen aus der heißen Phase der Klassenkämpfe, ist in der Gegenwart eher unüblich und insofern doch auch schon wieder etwas Außergewöhnliches. Beim Lesen füllt man sich in die Zeit des kalten Krieges vor dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik zurückversetzt. Dabei schreibt Stefan Engel aber auch über das Heute und die Zukunft. Das Buch ist es wahres Trommelfeuer von Fakten und Argumenten.
Ich habe jedoch Zweifel, ob die Sprache von Stefan Engel derzeit die Massen erreicht. Für die Anhänger der kommunistischen Ideale in ihrer Ursprungsform ist diese Streitschrift von Stefan Engel hingegen sicherlich eine Pflichtlektüre.
Stefan Engel thematisiert in seinem Buch nahezu die gesamte Geschichte aller Kräfte, die sich zum Marxismus-Leninismus bekannt haben und schließt dabei alle mit ein, die aus seiner Sicht zu den unterschiedlichsten Zeiten die kommunistischen Ideale verraten haben. Meist war der kleinbürgerliche Geist die Ursache für diesen Verrat.
Die Auflistung des Verrates an den kommunistischen Idealen ist sehr umfangreich. Hier lohnt schon mal das Lesen, ohne dass dabei jede Bewertung von Stefan Engel geteilt werden muss.
Hätte Stefan Engel auf die Glorifizierung der Stalin-Ära und die Chinesische Kulturrevolution verzichtet, würden seine Thesen zur Krise des Antikommunismus unbelasteter wirken.
Der Buchtitel „Die Krise – der bürgerlichen Ideologien und des Antikommunismus“ ist wohl noch Wunsch des Autors. Auch wenn es den Verfechtern der kommunistischen Idealen schmerzt: der Antikommunismus wirkt immer noch sehr tiefgreifend und verfängt bei vielen Menschen. Hierfür liefert Stefan Engel in seinem Buch selbst zahlreiche Beispiele.
Eine Krise einer politischen Strategie sieht aber anders aus.
Nicht überraschend macht Stefan Engel manchmal verstreckt aber auch sehr offen Werbung für die Partei, die er selbst geprägt hat und für die er steht, die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschland (MLPD).
Er thematisiert die Ausgrenzung der MLPD durch die Gewerkschaften, sozialen Bewegungen und Parteien und verweist auf offensichtliche Missverständnisse in der Kommunikation, der politischen Aktivitäten, der Bündnispolitik und den Zielen der Zusammenarbeit. Dass die MLPD durch den Verfassungsschutz beobachtet und auch durch staatliche Behörden behindert wird, ist ebenso Thema für Stefan Engel.
Der bürgerliche und rechte, bis hin zu faschistisch. geprägten Antikommunismus überrascht die Leserinnen und Leser sicherlich nicht. Was überrascht, ist die Kritik von Stefan Engel am, aus seiner Sicht, praktizierten Antikommunismus im linken politischen Spektrum.
Verkürzt zusammengefasst habe ich den Eindruck, dass die Ideale des Kommunismus aus Sicht von Stefan Engel nur noch durch die MLPD gewahrt werden. Selbstzweifel sind hier dem Autor fremd. Hier lohnt das Lesen, um sich selbst eine Meinung zu bilden.
Die Linke als Bewegung ist tatsächlich in der Krise und da hat auch der praktizierte Antikommunismus seinen Anteil daran. Es gibt aber auch innere Ursachen für die Krise der Linken als Bewegung. Damit müssen sich gerade auch Linke auseinandersetzen. Hier hatte ich mir vom Buch mehr erhofft.
Was haben Linke für Antworte auf solche Fragen wie: die Anonymisierung des Kapitals, die Zunahme der Vielfalt von Beschäftigungsverhältnissen, die Globalisierung aller Arbeits- und Lebensbereiche, die Abnahme der Bindebereitschaft an Parteien, Gewerkschaften, sozialen Bewegungen, Kirchen? Sind nationale Lösungen für internationale Probleme tauglich? Wo steht derzeit die nationale und internationale Linke, wie müsste sie aufgestellt sein, um gesellschaftlichen Einfluss zu erlangen und wie kommt sie dahin? Die Antwort von Stefan Engel: das Klassenbewusstsein stärken, ist eine Antwort – aber reicht sie aus?
Wenn Stefan Engel erreicht, dass über seine Thesen stärker öffentlich debattiert wird, dann wäre dies verdienstvoll.
Seine sehr zugespitzte Kritik auch an Akteuren der Gegenwart, wird aber, so befürchte ich, Türen schließen, statt sie zu öffnen. Worte haben Macht und Wirkung. Schon Karl-Marx formulierte: Eine revolutionäre Idee wird aber erst dann zur materiellen Gewalt, wenn sie Massen ergreift
Frank Kuschel
Verlagsleiter THK-Verlag Arnstadt
Redaktion REVOLUTIONÄRER WEG 8. August 2021
Monika Gärtner-Engel
An Frank Kuschel, Verlagsleiter THK-Verlag Arnstadt
Lieber Frank Kuschel,
vielen Dank für deine Rezension des Buchs von Stefan Engel »Die Krise der bürgerlichen Ideologie und die Krise des Antikommunismus«! Da Stefan Engel über mehrere Wochen unterwegs ist, bat er mich, dir zu antworten. Ich freue mich, dass ich auf diese Weise wieder einmal in Kontakt mit dir komme. Sehr gerne erinnere ich mich noch an die Arbeitswochenenden mit dir zum Haushalt Gelsenkirchen! Inzwischen bin ich ja aus der Kommunalpolitik (zumindest im Stadtrat) ausgestiegen unter der Leitlinie des Generationswechsels. Das ist eine klasse Sache und es gab am Ende - nach 20 Jahren - noch ein wirklich fulminantes Abschiedsfest mit Gästen quer aus dem politischen Gemüsegarten.
Es tut mir sehr leid, dass die Antwort an dich so lange gedauert hat. Es kamen so viele Zuschriften, die wir alle gerne beantworten. Vor allem aber wird schon mit Hochdruck an der nächsten Nummer der ja insgesamt vierteiligen Serie „Die Krise der bürgerlichen Ideologie …“ gearbeitet. Das wird sicher wieder interessanter Stoff auch für dich werden. Auf deine nächste Rezension werden wir schneller antworten, versprochen! ;-)
Jetzt aber zu deiner Rezension selbst. Du betonst: »Wenn Stefan Engel erreicht, dass über seine Thesen stärker öffentlich debattiert wird, dann wäre dies verdienstvoll.« und schreibst, dass sie ein »wahres Trommelfeuer von Fakten und Argumenten« enthalten. Genau eine solche öffentliche Debatte streben wir an und haben sie mit den ersten beiden - schon verkauften - Auflagen sicher auch schon angestoßen! Nur die bürgerlichen Medien boykottieren das Buch total. Umso mehr begrüßen wir, dass du mit deinen Fragen, Einwänden und Kritiken zu dieser öffentlichen Auseinandersetzung beiträgst. Auf einige dieser Punkte will ich eingehen:
Du empfiehlst die Lektüre des Buchs, befürchtest aber, dass es nur von jemandem gelesen bzw. gemocht wird, der »Klassenkampfschriften mag« und bezweifelst, »ob die Sprache von Stefan Engel derzeit die Massen erreicht«. Damit beziehst du dich vermutlich auf die streitbare Polemik gegen die verschiedenen Formen der bürgerlichen Ideologie, insbesondere des Antikommunismus und die Verwendung wissenschaftlicher, marxistisch-leninistischer Begriffe. Du hast sicherlich Recht, dass diese Sprache in der Gesellschaft zunächst ungewohnt und unter dem Bannstrahl des Antikommunismus zuweilen befremdlich erscheint.
Die weltanschauliche Auseinandersetzung beginnt schon bei der Prägung und Verwendung von Begriffen und Wissenschaftlichkeit der Streitkultur. Dieser „Klassenkampf in der Sprache“ ist ja keineswegs von Stefan Engel erfunden! Das kommt schon allein darin zum Ausdruck, dass sich die Herrschenden einer Sprache bedienen, die versöhnlich klingt und die Widersprüche verdeckt und verwischt. So verdeutlicht der Begriff »Kapitalismus« eindeutig, dass wir es mit einem Ausbeutungssystem zugunsten des Kapitals zu tun haben, während der Begriff der »sozialen Marktwirtschaft« den Leuten jahrzehntelang vorgaukeln sollte, dass dieses Wirtschaftssystem ein Gleichgewicht zwischen sozialen Belangen der Massen und den Interessen »der Wirtschaft« anstrebe.
Ist es nicht gerade deshalb besonders wichtig, eine wissenschaftliche Sprache zu verbreiten, die die tatsächlichen, auch antagonistischen Widersprüche in der kapitalistischen Gesellschaft treffend zum Ausdruck bringt? Die bürgerlichen Begriffe geben sich nämlich harmlos, sind aber in Wirklichkeit alles andere als ideologiefrei, sie sind manipulativ und auch aggressiv-diffamierend („Linksextremismus“) und Repressionen vorbereitend („Totalitär“).
Die Begriffe des Marxismus-Leninismus werden seit Jahrzehnten mit antikommunistischen Vorbehalten und Missdeutungen belegt und ganz bewusst von den Herrschenden weitgehend aus dem öffentlichen Leben verdrängt. Sie sind aber gerade in der bedeutsamen antikapitalistischen Tendenz, die sich im fortschrittlichen Stimmungsumschwung herausgebildet hat, zur Bewusstseinsbildung und dementsprechend zielklarem Handeln unabdingbar.
Die Verwendung dieser treffenden Begriffe ist natürlich ein Schwimmen gegen den Strom – aber das ist durchaus so gewollt. Die Redaktion hat sich unter der Leitung von Stefan Engel auch besonders bemüht, jegliche Form eines abgehobenen, akademischen Philosophenstreits zu vermeiden. Wenn du genau hinschaust, sind auch vor allem die Zitate der jeweiligen Schulen des Antikommunismus am kompliziertesten, verschrobensten und am schwersten zu verstehen!
Nicht zuletzt: In unseren zahlreichen öffentlichen Lesegruppen zu dem Buch helfen wir den Teilnehmern, auch diese Begriffe kennen zu lernen, sie kritisch zu diskutieren, zu überprüfen - und sie sich zu eigen zu machen, wenn sie sie richtig finden.
Du schreibst weiter: »Hätte Stefan Engel auf die Glorifizierung der Stalin-Ära und die chinesische Kulturrevolution verzichtet, würden seine Thesen zur Krise des Antikommunismus unbelasteter wirken.« Wenn man gegen den Antikommunismus streiten will, dann kann man aber diese »heißen Eisen« nicht umgehen, denn der moderne Antikommunismus baut gerade auf den Mythen und Geschichtslügen zu Stalin und zur Kulturrevolution maßgeblich auf. Das belastet eine offene Auseinandersetzung über Antikommunismus und Kommunismus - der ja ohnehin mit einem Tabu belegt ist. Oder hast du Zeitungsartikel oder gar Talkshows mit einer offenen Debatte über Lenin, Stalin oder Mao Zedong erlebt?
Im Zusammenhang mit der Aufstellung der Lenin-Statue in Gelsenkirchen gab es tatsächlich (von der Stadtspitze mit ihren versuchten Verboten natürlich ungewollt provoziert) eine tatsächliche Massendebatte im Stadtteil über Lenin und die sozialistische Sowjetunion. Das war teils sehr polarisiert, aber im Endeffekt wirksam und überzeugend. So hat kurz vor der Aufstellung der Statue der Radiosender REL eine Umfrage dazu gemacht, und zum Entsetzen aller bürgerlichen Parteien fanden 71 % zur Lenin-Statue: „Wenn die Partei das möchte, soll sie es tun“.
Allerdings liegt es uns fern, irgendetwas in der Geschichte der Arbeiterbewegung zu »glorifizieren«. Der Antikommunismus pauschalisiert, wir differenzieren: Wir würdigen die historische Rolle Stalins, die unvergänglichen Verdienste der sozialistischen Sowjetunion unter der Führung von Stalin wie im Aufbau des Sozialismus oder dem Sieg gegen den Hitlerfaschismus, analysieren und kritisieren aber auch seine Fehler und Versäumnisse. Verschiedene Fragen sind aufgrund lange geschlossener Archive nur sehr schwer oder bisher gar nicht zu klären. Wir haben uns trotzdem entschlossen, unter dem Titel „Biografische Betrachtungen zu Stalin“ in den nächsten Jahren ein Buch zur Klärung verschiedener noch offener Fragen und wichtigen Argumenten in der Auseinandersetzung herauszubringen.
Du weist berechtigt darauf hin, dass in der Arbeiterbewegung natürlich noch mehr neue Fragen zu klären sind, als in diesem Buch behandelt werden können. Auf einige der Probleme sind wir in der Reihe REVOLUTIONÄRER WEG schon eingegangen und arbeiten weiter daran. Doch wenn schon Grundfragen nicht geklärt sind, kann im Einzelnen auch nur Verwirrung herauskommen, wie sie die bürgerliche Ideologie erzeugen will. Dass viele Organisationen - was man aber nicht mit der internationalen Arbeiterbewegung gleichsetzen sollte - mit einem „linken“ Anspruch tatsächlich in krisenhaften Entwicklungen stecken, hat sehr viel mit diesen weltanschaulichen Grundfragen zu tun. Die größte Verwirrung entsteht aus der Abkehr vom Marxismus-Leninismus bzw. der dogmatischen Unfähigkeit, ihn schöpferisch für die heutige Zeit anzuwenden und weiterzuentwickeln. Genau dem dient die Reihe „REVOLUTIONÄRER WEG“, deren Ausgaben die jeweils brennenden Fragen der Zeit ins Zentrum stellen und gründlich behandeln.
Lieber Frank, am Schluss deiner Rezension bemerkst du treffend, dass das Buch eine »sehr zugespitzte Kritik auch an Akteuren der Gegenwart« ist. Du vermutest, das könnte »Türen schließen, statt sie zu eröffnen«. Dass unsere Streitschrift bei Feinden der Arbeiterbewegung und des wissenschaftlichen Sozialismus auf Ablehnung bis Hass stößt, war zu erwarten. Die antikommunistisch motivierte Kriminalisierung von Stefan Engel durch eine vom Bundesinnenministerium, aber auch dem Verfassungsschutz und dem der Landesregierung unterstehenden Polizeiapparat Thüringen betriebene Einstufung als »Gefährder« richtete sich nicht nur gegen ihn als Person, sondern auch gegen ihn als Leiter der wissenschaftlichen Arbeit der Redaktion REVOLUTIONÄRER WEG. Es ist ein großer Erfolg von Stefan und der ganzen MLPD im Kampf gegen den Antikommunismus und ein Gewinn für die demokratische Bewegung, dass diese »Gefährder«beurteilung am 3.8.21 vom Landgericht in Meiningen als rechtswidrig zurückgewiesen wurde.
Hier war es auch über längere Zeit so, dass unsere Offensive dagegen „vor verschlossenen Türen“ stand – zum Beispiel bei der verantwortlichen Landesregierung von Bodo Ramelow. Aber das kann nicht unser Maßstab sein, sondern das, was richtig ist, muss getan werden. Und die überwältigende Solidarität aus dem In- und Ausland und nach (!) dem Urteil auch das Presseecho und ein freundlicher Brief aus der Zentrale der Partei DIE LINKE zeigen, dass sich das Richtige auch letztlich positiv durchsetzt. Die ganzen Aktivitäten rund um dieses Thema zeigen auch: Wer in die Offensive geht gegen den Antikommunismus, offenbart auch dessen Defensive und stärkt die Kräfte der Bewegung „Gib Antikommunismus keine Chance!“
Und genau darin liegt der ganze Sinn und Zweck, sowie der jetzt schon beginnende Erfolg des Buches. Es öffnet in diesem Sinne Türen, und zwar nachhaltig, weil die Sache wirklich gründlich ausgetragen wird! Denn der größte Spaltpilz in der Arbeiterbewegung und anderen sozialen Bewegungen ist derzeit noch der Antikommunismus. Offene Türen auf der Grundlage des Antikommunismus eröffnen dagegen nur den Weg in die Akzeptanz und Aufrechterhaltung der herrschenden Verhältnisse.
Es würde mich freuen, wenn wir diese Auseinandersetzung weiterführen könnten.
Mit herzlichen Grüßen
Monika Gärtner-Engel