RW 36

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Rezension eines Marburger Psychologen zum Buch „Die Krise der bürgerlichen Ideologie und des Antikommunismus“

Rezension zum Buch „Krise der bürgerlichen Ideologie und des Antikommunismus“

Dies Buch hat mir sehr geholfen mit der bürgerlichen Weltanschauung in der Psychologie besser fertig zu werden. Als Student musste ich immer wieder ernüchtert feststellen, dass die bürgerliche Psychologie hinter ihren Versprechungen weit zurück bleibt und kam zu dem Schluss, dass sie vergleichbar pseudowissenschaftlich ist wie die bürgerliche Ökonomie. Das Buch hat mir in dieser ersten Ausgabe schon geholfen, darüber mehr Klarheit zu gewinnen und Schlussfolgerungen zu ziehen.

Zunächst durch die Analyse der Ideologie der Ideologiefreiheit, die sich als „Wertfreiheit“ in der „Wissenschaftlichen Psychologie“ zeigt. Durch das Studieren des Buchs wurde mir die ideologische Basis der bürgerlichen Psychologie bewusster. Sie basiert auf dem Positivismus, Pluralismus, Pragmatismus, Leib-Seele-Dualismus und Empiriokritizismus. Und bietet damit den Boden für den reaktionärsten Teil der bürgerlichen Ideologie, wie historisch die Eugenik (z.B. F. Galton). Auch heute noch wird ganz „wertfrei“, zu den Unterschieden zwischen Menschen gearbeitet, in Form von rassistischen, sexistischen Untersuchungen (z.B. bezieht sich T. Sarrazin auf die Intelligenzforschung der Psychologie).

Die bürgerliche Psychologie geht in ihrer Individualisierung gesellschaftlicher Phänomene soweit, historische und gesellschaftliche Fragen generell auszublenden oder als zweitrangig zu bewerten.

Gleichzeitig sind psychologische Theorien und Thesen in Massenmedien heute sehr verbreitet und nicht mehr auf eine „akademische Diskussion“ beschränkt.

Das Buch hat eine selbstkritische Auseinandersetzung mit den eigenen Erfahrungen gefördert.

Zum einen mit der bürgerlichen Psychologie selbst sowie mit der kleinbürgerlichen Kritik an ihr. Die Masse der Studierenden entwickelt spontan eine Kritik an der bürgerlichen Psychologie und sucht nach Alternativen. In Form von Lesekreisen und Zirkeln von Studierenden gibt es an vielen Universitäten eine zunächst kritische Auseinandersetzung, bei der verschiedene Erscheinungen kritisiert werden. Bevor es aber zu einer grundsätzlichen Auseinandersetzung kommen kann, zum Beispiel durch das Studium marxistischer Positionen im Original, werden Inhalte des Revisionismus (Kritische Psychologie von K. Holzkamp), Postmoderner Psychologie und Frankfurter Schule als Alternativen eingebracht. Später wird jedoch das Nebeneinander verschiedener „Sichtweisen“ und Kritiken betont, so sollen die verschiedenen Kritiken sich einander ergänzen. Das Buch hat mir geholfen mit diesen verschiedenen Strömungen besser fertig zu werden, hat mir Haltung und Argumente vermitteln können, so zum Beispiel zum „Psycho-Marxismus“ der „Frankfurter Schule“.

Die bürgerliche Psychologie ist voll von antikommunistischen Thesen und Ansichten, beispielsweise wird besonders auf K. Poppers Skeptizismus (Falsifikationismus) eingegangen, der sich explizit gegen den dialektischen Materialismus wendet. Aus meiner Erfahrung bleibt die kleinbürgerliche Kritik deshalb widersprüchlich, weil sie im wesentlichen auf dem selben modernen Antikommunismus und Idealismus, wie die bürgerliche Psychologie basiert. Diese wesentliche Identität von bürgerlicher Ideologie und kleinbürgerlicher Denkweise konnte ich durch das Buch erst begreifen (…) Aus meiner Erfahrung entwickelt sich bei kritischen Studierenden der Wunsch nach einer anderen Psychologie. Es kommen Fragen zum Verhältnis von Marxismus zur Psychologie auf. Und es gibt Neugier daran, welche Kritik der Marxismus an der bürgerlichen Psychologie formuliert. Vom modernen Antikommunisten wird dies scheinbar aufgriffen, indem die philosophische Kritik von Marx akzeptiert (aber meiner Erfahrung nach kaum im Original gelesen) wird. Es wird aber direkt beigefügt, dass im „kollektivistischen real-existierenden Sozialismus“, das Individuum, der Einzelmensch aus dem Blick verloren gegangen sei, sich dafür nicht interessiert wurde. Dies wird weder belegt, noch sich mit konkreten Positionen dazu auseinandergesetzt. Nur mit dem Wort „Stalinisten“ wird suggeriert, dass die Anwendung des dialektischen Materialismus in der Psychologie zu einer „Pseudowissenschaftlichen Psychologie“, Dogmatismus und Ökonomismus führen würde. Die Rolle der Psychologie in der Sowjetunion wird hauptsächlich geleugnet und totgeschwiegen. Die Fortschritte in der Wissenschaft dort werden nicht genannt.

(…) Die bürgerliche Psychologie tritt heutzutage in der Gesellschaft sehr häufig als moderne Psychotherapie auf. Die moderne Psychotherapie gibt sich in Medien, Presse und Literatur als pragmatische Problemlöserin und Harmoniestifterin in vielen gesellschaftlichen Fragen und bei persönlichen Problemen. Gleichzeitig schrecken die verschiedenen  „Therapieschulen“ nicht davor zurück, offen extremen Individualismus und Spiritualismus zu propagieren. Die Ursachen für psychische Leiden werden letztendlich ins Individuum gelegt, eine systematische Untersuchung aller Ursachen für psychische Störungen fehlen. Aus dieser zur Massenfrage gewachsenen Bedeutung der bürgerlichen Psychologie, gibt sich auch die Wichtigkeit einer marxistisch-leninistischen Kritik an ihr. Dies wurde mir durch diesen ersten Band deutlich und ich freue mich auf die Behandlung dieser Fragen in einem der späteren Bücher dieser Reihe.