Willi Dickhut

Willi Dickhut

Zur ersten Nummer des Revolutionären Wegs

Grundsätzliche Briefwechsel und Dokumente Willi Dickhuts 1969

Von RW-Redaktion
Zur ersten Nummer des Revolutionären Wegs

12.8.69

Die Kritik (des Revolutionären Wegs 1 an dem Revisionismus

– die Herausgeber) geht im wesentlichen so vor, daß einem Zitat aus einem revisionistischen Text ein Klassikerzitat entgegengesetzt wird. Dadurch wird sehr eindrucksvoll gezeigt, wie wenig die DKP-Grundsatzerklärung mit dem Marxismus-Leninismus zu tun hat. Trotzdem ist dieses Vorgehen unzureichend. Zwar ist es notwendig und richtig, die historischen und internationalen Erfahrungen als Grundlage zu nehmen; all dies ersetzt aber keineswegs die konkrete Analyse der heutigen Lage in unserem Land. (Vergleiche Mao Tsetung: »Unsere Schulung umgestalten«.)

Wie man zu falschen Ergebnissen kommen kann, wenn man die konkrete Analyse der heutigen Lage vernachlässigt, sieht man zum Beispiel an der Bundeswehrfrage. Die Forderung nach Verkürzung der Wehrdienstzeit ist keineswegs illusionär, da selbst Teile der Monopolbourgeoisie dafür eintreten (vor allem FDP). Dies natürlich in ihrem Klasseninteresse: Heranziehung möglichst aller Wehrpflichtigen (anders als bisher) und zugleich eine »populäre Maßnahme« zum Stimmenfang.

Zur ersten Nummer des Revolutionären Wegs

Wenn eine solche Forderung auch von uns aufgegriffen oder selbst vorgebracht werden kann, so hat das allerdings andere Gründe:

  1. Diese Forderung wird auch von jenen jungen Arbeitern usw. eingesehen, die bis jetzt noch nicht die Notwendigkeit des revolutionären Kampfs begriffen haben.
  2. Ihre Durchsetzung stärkt die Kampfkraft der Arbeiterklasse und schwächt dadurch die des Klassenfeinds (was im übrigen mehr im Interesse des Kapitals liegt, ist offenbar nicht eindeutig zu bestimmen; deshalb auch die Differenzen zwischen CDU und SPD/FDP): Eine möglichst kurze Wehrdienstzeit (nicht aber eine Berufsarmee!) liegt im Interesse der Arbeiter. Sie reicht gerade, um das Notwendige zu lernen. Die Zeit darüber hinaus dient nur dazu, die Widerstandsfähigkeit zu brechen und die Soldaten zu blindem Gehorsam abzurichten (vergleiche dazu Friedrich Engels).

Als Beispiel, wie die Kritik am Revisionismus und zugleich ein eigenes Programm in der Bundeswehrfrage aussehen sollte, sei hier der Änderungsantrag angeführt, den die DKP Marburg seinerzeit vorverlegte. (Nebenbei: Man darf deshalb diese Gruppe nicht überschätzen. Daß solche Formulierungen durchgesetzt werden konnten, lag an zufälligen günstigen Bedingungen.)

»›Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht‹ ist eine bürgerlich-pazifistische Forderung und hat nichts mit Marxismus zu tun. Eine solche Forderung aufzustellen heißt, Illusionen über den Imperialismus zu verbreiten. Das gilt auch für die Behauptung, die Bundeswehr könnte in eine ›reine Verteidigungstruppe‹ umgewandelt werden. Das ist bürgerliche Ideologie. In Wirklichkeit hat die Bundeswehr, wie jede kapitalistische Armee, zwei Aufgaben: Aggression nach außen und Unterdrückung der Arbeiter im Innern. Sie kann also niemals eine ›reine Verteidigungstruppe‹ sein.

Anstelle dieses Unsinns sollte folgendes im Aktionsprogramm stehen (es soll ja eine ›Anleitung zum Handeln‹ sein!):

  1. Objektive Aufgabe der Bundeswehr (siehe oben).
  2. Wir fordern deshalb die kämpfende Jugend auf, nicht den Wehrdienst zu verweigern, sondern in die Bundeswehr zu gehen, um dort dafür zu sorgen, daß diese Armee nicht zu einem Angriffskrieg gegen die DDR oder gegen die Bevölkerung der Bundesrepublik eingesetzt werden kann.«

Die Verkürzung auf zwölf Monate wird also nicht kritisiert.

Wir haben hier also

  1. eine unmittelbare Forderung im Interesse der Arbeiterklasse, die einsehbar und auch im Kapitalismus durchsetzbar ist,
  2. statt irgendwelcher »friedlich«-revisionistischer Träumereien eine richtige Einschätzung der kapitalistischen Armee,
  3. die richtige Parole für den bewußtesten Teil der jungen Arbeiter und der Intelligenz. Diese Parole wiederum ist leichter zu befolgen, wenn es sich dabei nur um zwölf Monate handelt!

Sch.

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21.8.69

Lieber Genosse Sch.!

Deine Stellungnahme zur ersten Nummer des Revolutionären Wegs habe ich erhalten. Besten Dank für Deine konkrete Kritik, die ich hiermit beantworte:

Die Methode, den Revisionismus mit Klassikerzitaten zu widerlegen und zu bekämpfen, hat zwei Gründe: erstens kann in einer Kampfschrift gegen den Revisionismus – die Hauptgefahr in der Arbeiterbewegung – keiner so klar, scharf und überzeugend formulieren wie unsere Klassiker, vor allem Lenin, und zweitens: Wenn irgendein Genosse inhaltlich dasselbe, nur etwas anders formuliert, gegen den Revisionismus schreibt, wird ihm das von den Revisionisten nicht ohne weiteres abgenommen. Wenn ihnen jedoch Marx, Engels und Lenin vorgehalten werden, müssen sie das, was die Klassiker gegen die Revisionisten sagen, entweder abnehmen oder sich offen gegen den Marxismus-Leninismus wenden, den sie immer noch als Aushängeschild benutzen. Da sie beides nicht können oder wollen, schweigen sie lieber. Das gilt auch für die Kreisleitung der DKP Marburg, der ich auf einen Brief eine entsprechende Antwort gab.

Was den konkreten Punkt Deiner Kritik betrifft, die zwölf Monate Dienstzeit, stimme ich Dir insofern zu, daß der marxistisch-leninistische Standpunkt stärker herausgestellt werden mußte. Da es sich um eine Programmkritik handelt, wurde lediglich der revisionistische Standpunkt kritisiert. Da die Revisionisten den friedlichen Weg zum Sozialismus predigen, den bewaffneten Kampf folglich ablehnen, treten sie einerseits für die Wehrdienstverweigerung ein und betreiben praktisch eine pazifistische Politik, anderseits unterstützen sie ein gewisses Maß an Rüstung und damit den Militarismus. Sie stellen den marxistisch-leninistischen Standpunkt auf den Kopf, der zwei Seiten einer Sache enthält:

1.Seite: Da der moderne Militarismus das Resultat des Kapitalismus ist, muß er entschieden bekämpft werden. Darum Bebels Losung: »Diesem System keinen Mann und keinen Groschen!« Lenin schrieb bereits 1908:

»Eine spezielle antimilitaristische Propaganda muß um so energischer betrieben werden, als die Fälle der Einmischung bewaffneter Kräfte in den Kampf zwischen Kapital und Arbeit immer häufiger werden und die Bedeutung des Militarismus nicht nur im heutigen Kampf des Proletariats, sondern auch im kommenden – im Augenblick der sozialen Revolution – immer klarer zutage tritt.«

Die Revisionisten bekämpfen in ihrer Programmforderung nicht den Militarismus, sondern treten gewissermaßen für einen

»gemäßigten« Militarismus mit reduzierter Rüstung ein.

2.Seite: Um den Kapitalismus zu stürzen und die Macht zu erobern, muß sich die Arbeiterklasse auf den bewaffneten Kampf vorbereiten. Sie muß das Waffenhandwerk erlernen. Ich verweise auf Lenins »Militärprogramm der proletarischen Revolution« (Ausgewählte Werke in zwei Bänden – Bd. I, S. 876–886).

Gewiß für die Grundausbildung eines Soldaten genügen zwölf Monate, ja noch weniger das ist nicht das wesentliche. Es schadet auch keineswegs, wenn revolutionäre Arbeiter sich mit Spezialwaffen vertraut machen (zum Beispiel ABC-Waffe, Luftwaffe): Ob da zwölf Monate genügen, kann ich nicht beurteilen. Entscheidend ist die grundsätzliche Seite, daß sich die Arbeiter für die kommenden Klassenschlachten vorbereiten müssen, und dafür brauchen sie die Kenntnis moderner Waffen.

Die Revisionisten lehnen das ab, fordern zur Wehrdienstzeitverweigerung auf und verweisen auf den friedlichen Weg.

Es war beabsichtigt, dieses Problem in einer späteren Ausgabe des Revolutionären Wegs als Thema »Über Krieg und Frieden« zu behandeln. Im übrigen bitte ich Dich, auch zum Revolutionären Weg 2 Stellung zu nehmen und mir etwas über Deine Tätigkeit in der Bewegung mitzuteilen. Wie stehst Du zur KPD/ML offen und kritisch?

Mit revolutionärem Gruß Willi