Stefan Engel
Die Bedeutung der theoretischen Arbeit für den Aufbau der marxistisch-leninistischen Partei und ihr Zusammenhang zur Heranbildung proletarischer Kader
Referat von Stefan Engel (MLPD) auf einer Konferenz internationaler Marxisten-Leninisten in Belgien am 17.07.86
2. Der Kampf gegen den kleinbürgerlichen Subjektivismus und Objektivismus im Parteiaufbau
3. Die Bedeutung der ideologisch-politischen Linie der MLPD
4. Die Bedeutung der dialektisch-materialistischen Methode
5. Die Einheit von Theorie und Praxis als Hauptmerkmal der proletarischen Linie und ihrer Umsetzung
6. Vermittlung von Buchwissen oder kritisch-selbstkritische Aneignung des Marxismus-Leninismus
7. Das selbständige Denken und Handeln, das A und O der proletarischen Kadererziehung
8. Die proletarische Kadererziehung als Garant des Parteiaufbaus der MLPD
9. Die Umerziehung kleinbürgerlicher Intellektueller zu proletarisch denkenden und handelnden Kadern
10. Die Denkweise entscheidet alles!
Liebe Genossinnen und Genossen,
ich freue mich, heute hier sprechen zu dürfen. Gerade der gegenwärtige Stand der internationalen Zersplitterung der Marxisten-Leninisten macht es erforderlich, einen intensiven ideologischen Kampf um die Einheit der internationalen marxistisch-leninistischen Bewegung zu führen. Ohne eine solche Einheit der Marxisten-Leninisten in aller Welt wird sich das internationale Proletariat niemals zu einer kämpfenden Einheit zum Sturz des Imperialismus und zur Errichtung seiner internationalen Klassenherrschaft zusammenschließen können.
Die Monopole haben sich längst multinational organisiert, um ihre Ausgangsposition in ihrem erbitterten Konkurrenzkampf um die Ausbeutung billigster Rohstoffvorkommen, um billigste Arbeitskräfte und nicht zuletzt um die immer enger geratenden internationalen Märkte zu verbessern. Ihre Regierungen und Parteien führen internationale Absprachen durch zur Niederhaltung jedweder revolutionärer Regung der internationalen Arbeiterklasse. Die Sozialdemokratie hat mit ihrer „Sozialistischen Internationale“ ein internationales Instrument geschaffen, den Klassenkampf in den imperialistischen Ländern ebenso wie in den Entwicklungsländern zu dämpfen und mit ihrer reformistischen Ideologie an die lange Leine imperialistischer Machtpolitik zu legen. Nicht zuletzt haben die modernen Revisionisten in allen Ländern der Welt mehr oder weniger starke Agenturen aufgebaut, um den Kampf der werktätigen Massen für den Sozialismus zu zersetzen. Sie verfälschen die Ideologie des Marxismus-Leninismus und betreiben eine Politik der Klassenversöhnung mit den Imperialisten und des Ausverkaufs revolutionärer Ideen unter sozialimperialistischer sowjetischer Weltmachtpolitik. Dagegen ist es den Marxisten-Leninisten bisher nicht gelungen, auch nur annähernd eine solche internationale Einheit herzustellen. Die einzig wirklichen Internationalisten haben sich am wenigsten international organisiert – welch ein gravierender Widerspruch. Die Unterdrückung und Ausbeutung des internationalen Industrieproletariats wird zweifellos unnötig verlängert, wenn dieser Widerspruch nicht gelöst wird.
Ausgangspunkt der weltweiten Spaltung und Liquidierung marxistisch-leninistischer Parteien war die Machtergreifung einer entarteten Bürokratie als herrschende Kapitalistenklasse neuen Typs in der Sowjetunion auf den XX. Parteitag der KPdSU und die Wirkung des modernen Revisionismus in mehr oder weniger allen Ländern der Welt. In dem Grundsatzprogramm der MLPD heißt es hierzu:
„Weder die gestörten Ausbeuterklassen noch die Intervention imperialistischer Mächte vermochten das sozialistische System zu stürzen. Vielmehr waren es die noch ungenügende Festigung des sozialistischen Bewußtseins der Massen der Werktätigen und Parteimitglieder, ihre unzureichende revolutionäre Wachsamkeit und die schwache revolutionäre Kontrolle über die Verantwortlichen Führer, die es zuließen, daß die Bürokratie in Partei, Staat und Wirtschaft kleinbürgerlich entartete, die Partei auf den revisionistischen Weg lenkte und so zur Bourgeoisie neuen Typs wurde.“
Daraus mussten auch für den Aufbau der marxistisch-leninistischen Partei Lehren gezogen werden, die nur eine Partei neuen Typs sein konnte unter Berücksichtigung aller reichhaltigen positiven und negativen Erfahrungen aus der Geschichte der internationalen kommunistischen und Arbeiterbewegung.
Es ist zweifellos grundsätzlich falsch, eine solche neue Partei aufbauen zu wollen, ohne vorher den Nachweis erbracht zu haben, daß die alte Partei revisionistisch entartet ist. Das gilt gleichermaßen für die internationale marxistisch-leninistische und Arbeiterbewegung. Ideologisch ging es deshalb vor allem darum, die Lehren von Marx, Engels, Lenin, Stalin und Mao Tsetung und die Idee der großen proletarischen Kulturrevolution zu verteidigen und den modernen Revisionismus als neue Spielart der bürgerlichen Ideologie innerhalb der Arbeiterbewegung zu entlarven. Aber das konnte noch keine ausreichende Grundlage für den Parteiaufbau sein. Dazu mußte eine auf die konkreten Verhältnisse bezogene ideologisch-politische Linie ausgearbeitet werden, die nur das Ergebnis der Vereinigung der grundlegenden Lehren des Marxismus-Leninismus mit den konkreten Erfahrungen des proletarischen Klassenkampfs mittels der konkreten Analyse der konkreten Situation sein konnte. Es ist ein besonderes Merkmal der Geschichte der Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands, von ihren Anfängen im Zirkelzustand Ende der sechziger Jahre, über die Periode des Parteiaufbaus als Bund von 1972 bis 1982, bis zum heutigen Tag, daß der Ausarbeitung der ideologisch-politischen Linie in allen wesentlichen Fragen stets größte Beachtung beigemessen wurde, die zur Richtschnur des proletarischen Parteiaufbaus wurde.
2. Der Kampf gegen den kleinbürgerlichen Subjektivismus und Objektivismus im Parteiaufbau
Natürlich wurde diese Aufgabe der Ausarbeitung einer ideologisch-politischen Linie als Grundlage des Parteiaufbaus allgemein auch von den vielen tausend kleinbürgerlichen Studenten anerkannt, die Ende der sechziger Jahre, Anfang der siebziger Jahre die junge marxistisch-leninistische Bewegung förmlich überfluteten. Doch waren sie nicht in der Lage, den Marxismus-Leninismus in seinem Wesen zu begreifen und schöpferisch auf die konkreten Verhältnisse anzuwenden. So kam es zu einer Explosion kleinbürgerlich-subjektivistischer Auffassungen in der noch jungen, ideologisch, politisch und organisatorisch noch schwachen marxistisch-leninistischen Bewegung, die sie zusehends von den Massen isolierte.
Die den kleinbürgerlichen Studenten typischste Erscheinungsform des Subjektivismus war der Dogmatismus, die unkritische Übernahme von Lehrmeinungen aus den Büchern. So kam es, daß die verschiedensten kleinbürgerlichen Organisationen wie die KPD/ML Roter Morgen oder die Studenten-KPD die sektiererische RGO-Politik (Rote Gewerkschaftsopposition) zur Grundlinie ihrer Gewerkschaftsarbeit machten. Dabei hatte sich die Gründung eigener revolutionärer Gewerkschaften statt der geduldigen Kleinarbeit in den vorhandenen Gewerkschaften in der Geschichte längst als falsch erwiesen. Statt der Zurückdrängung des reformistischen Einflusses unter der Industriearbeiterschaft gab diese sektiererische Politik den Reformisten eine willkommene Handhabe, um die Marxisten-Leninisten in den Betrieben als Spalter zu verleumden und sie aus den Gewerkschaften zu drängen.
Beim Studium unterschieden die kleinbürgerlichen Intellektuellen nicht zwischen grundsätzlichen, allgemeingültigen Aussagen des Marxismus-Leninismus und konkreten zeitbedingten, also taktischen Aussagen der Klassiker, was zu einer heillosen Verwirrung führte. So glaubte der KBW, die Ablehnung der systematischen Kleinarbeit in Betrieb und Gewerkschaft und seine einseitig politische Agitation, z.B. gegen den § 218 (Schwangerschaftsabbruch wird unter Strafe gestellt – Stefan Engel) aus „Was tun“ von Lenin ableiten zu können. Lenin verfaßte seine Schrift „Was tun?“ 1902 in einer Situation des Aufschwungs politischer Kämpfe der Arbeiterklasse. Die KBW-Führer meinten, es sei ökonomistisch, den Kampf um ökonomische Reformen zu führen, ohne zu begreifen, daß der Inhalt der Reformen, um den die Arbeiterklasse kämpft, nicht losgelöst werden kann vom Grad ihres Klassenbewußtseins. Naturgemäß steht deshalb in einer nichtrevolutionären Situation der Kampf um wirtschaftliche Teilforderungen im Vordergrund. Unabhängig vom konkreten Inhalt der Reformen geht es den Marxisten-Leninisten immer darum, den Kampf um Reformen höherzuentwickeln, ihn als Schule des Klassenkampfs zu führen. Deshalb ist auch der Kern der revolutionären Taktik die Verbindung von ökonomischen und politischen Kämpfen, bzw. die Überleitung ökonomischer in politische Kämpfe der Arbeiterklasse.
Neben den Erscheinungen des Dogmatismus und des Empirismus trat aber auch eine andere Erscheinung auf, die zur Aufstellung kleinbürgerlicher Ausrichtungen führte, der metaphysische Objektivismus.
So war der KBW Meister in der endlosen Ansammlung konkreter Fakten, Zahlenreihen und Zitaten, ohne jedoch in der Lage zu sein, dieses Material auf seinen Wesensgehalt zu untersuchen und daraus richtige Schlussfolgerungen für den Klassenkampf zu ziehen. Man kann den kleinbürgerlichen KBW-Führern also nicht vorwerfen, sie hätten sich nicht mit der konkrete Wirklichkeit beschäftigt. Aber das tun bürgerliche Journalisten teilweise auch. Was den dialektischen Materialisten vom bürgerlichen Objektivisten unterscheidet, ist doch die Durchdringung der konkreten Situation mit dem Marxismus-Leninismus, ist die Betrachtung der konkreten Verhältnisse vom proletarischen Klassenstandpunkt aus. Diese ist unzertrennlich auf den Zweck der revolutionären Veränderung eben dieser Verhältnisse ausgerichtet.
Was beiden Abweichungen von einer proletarischen theoretischen Arbeit gemeinsam ist, ist die Trennung der Theorie des Marxismus-Leninismus von der Praxis des Klassenkampfs.
3. Die Bedeutung der ideologisch-politischen Linie der MLPD
Ich möchte nicht weiter auf die einzelnen Blüten der verschiedenen kleinbürgerlichen Führer eingehen. Die MLPD hat dies umfassend in dem ersten Teil der „Geschichte der Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands“ getan, der im Herbst letzten Jahres erschien. Wichtig ist nur, daß die proletarische Linie der MLPD auch Ergebnis des prinzipiellen ideologischen Kampfes gegen alle Erscheinungen des Revisionismus und Reformismus ebenso wie des kleinbürgerlichen Dogmatismus und Empirismus ist.
Der Kampf um die proletarische Linie des Parteiaufbaus entscheidet letztlich über den gesamten Parteiaufbau. Wir haben in den zurückliegenden Jahren die Erfahrung gemacht, nicht nur in der BRD, daß die theoretische Arbeit, die ständige Weiterentwicklung des Marxismus-Leninismus in Verbindung mit der Anwendung auf die Praxis des Klassenkampfes oft unterschätzt wird. Dabei ist diese Seite der Parteiarbeit heute wichtiger denn je. Mit der vollständigen Herausbildung des staatsmonopolistischen Kapitalismus in den fortgeschrittendsten Ländern, mit der Ablösung des Kolonialismus durch den Neokolonialismus der imperialistischen Länder nach dem II. Weltkrieg, mit der zunehmenden Klassenscheidung in den Entwicklungsländern und nicht zuletzt mit der revisionistischen Entartung der ehemals sozialistischen Länder in bürokratisch-kapitalistische ist der Kampf für den Sozialismus äußerst kompliziert geworden. Das spontane Klassenbewußtsein in den staatsmonopolistischen Ländern reicht nicht aus, um das verworrende Bild der Herrschaft des Monopolkapitals vollständig zu durchschauen.
Ja selbst wir Marxisten-Leninisten tun uns manchmal schwer, neue Entwicklungen rechtzeitig in ihrem Wesen zu erfassen und entsprechende Schlußfolgerungen zu ziehen. Allein das erste Halbjahr 1986 brachte eine solch rasche Folge von tiefgreifenden Ereignissen hervor, daß die Massen wahren Wechselbädern ausgesetzt wurden. Kaum erreichte die Bewegung zur Verteidigung gewerkschaftlicher Rechte ihren Höhepunkt mit Massendemonstrationen und Warnstreiks, die von Millionen Industriearbeitern und Angestellten getragen wurden, überfielen die US-Imperialisten mit direkter Unterstützung der NATO Libyen und provozierten auf diese Art und Weise eine gefährliche Konfrontation mit der Sowjetunion. Wie leicht kann durch solch einen Funken ein atomarer Weltbrand entstehen mit all seinen verheerenden Folgen für die Situation der Menschheit. Auch hier demonstrierten Hunderttausende mit spontanen Demonstrationen und Protestaktionen trotz der massiven Abwiegelungsversuche der imperialistisch-pazifistischen Führer der Friedensbewegung. Noch war dieses Ereignis nicht voll im Bewusstsein der Massen verarbeitet, geschah bereits in Tschernobyl der bisher größte Unfall in einem Kernkraftwerk mit katastrophalen Auswirkungen, die selbst vor Ländergrenzen nicht halt machten. Wieder entstand ein breiter Unmut in der Bevölkerung. Die Forderung nach Stillegung der Atomanlagen wurde in kurzer Zeit von 70 Prozent der Bevölkerung in der BRD unterstützt. Die Regierung verschärfte panisch ihre Unterdrückung vor allem gegenüber der kleinbürgerlichen Umweltbewegung und ging zu offenem Staatsterrorismus über, um sich auf zu erwartende verschärfte Klassenauseinandersetzungen vorzubereiten.
In dieser Situation wäre die MLPD gnadenlos in dem Auf und Ab der Bewegung unter den Werktätigen untergegangen, hätte sie nicht bereits in ihrem theoretischen Organ Nr. 23 „Krisen und Klassenkampf“ die Einschätzung von der 4. Phase der Allgemeinen Krise des Kapitalismus getroffen, die von einer allseitigen Verschärfung aller gesellschaftlichen Widersprüche geprägt ist. Daraus schloß der II. Parteitag der MLPD die unmittelbare Notwendigkeit des beschleunigten Parteiaufbaus, der Gewinnung einer Masse neuer Mitglieder, des Aufbaus von Jugendmassenorganisationen, der Reorganisierung in 16 kleine schlagkräftige Bezirke und des Aufbaus der Parteischule – kurz einer Offensive zur Lösung der Kaderfrage nach innen und außen.
Der Höhepunkt dieser Offensive soll ein offensiver Bundestagswahlkampf im Januar 1987 zum beschleunigten Aufbau der Bezirke sein. Während die Opportunisten durch die Bank in den Sog der reformistischen Wahltaktik geraten sind, indem sie die Ablösung der ultrarechten Kohl-Genscher-Regierung in den Mittelpunkt rückten, rückte die MLPD mit ihrer Losung der Stärkung der sozialistischen Alternative diejenige Frage in den Mittelpunkt, die sich aus dem Auf und Ab immer wieder deutlich heraushebt, die Frage nach der Zukunft der Werktätigen. Vorwärts zum Sozialismus statt Untergang in die kapitalistische Barbarei – das ist die gegenwärtige Hauptfrage vor dem Hintergrund der 4. Phase der Allgemeinen Krise.
Die ideologisch-politische Linie der MLPD stellt ein System von 23 theoretischen Schriften dar, das seit 1969 nach und nach für alle wesentlichen Seiten des proletarischen Klassenkampfes erarbeitet wurde.
- In den ersten zwei Nummern 1969 rechneten wir mit dem revisionistischen Programm der KPD ab und erbrachten so den Nachweis, daß diese ehemals revolutionäre Partei revisionistisch entartet war. Nur auf dieser Grundlage war es richtig, mit dem Neuaufbau der revolutionären Partei zu beginnen. Alles andere wäre Spaltung gewesen.
- Die Nummer 3 beschäftigte sich mit der schädlichen Rolle des kleinbürgerlichen Antiautoritarismus und Anarchismus, der 1969 von den kleinbürgerlichen Studenten massenhaft in die marxistisch-leninistische Bewegung eingebracht wurde.
- Die Nummern 4 und 5 und eine Sondernummer behandelten den Kampf um die proletarische Linie in den marxistisch-leninistischen Gruppen und enthüllten die spalterische Rolle der Trotzkisten.
- Mit dem REVOLUTIONÄRER WEG 6 „Die dialektische Methode in der Arbeiterbewegung“ wurde ein wichtiger Grundstein für die Gründung des KABD 1972 gelegt und die richtige Behandlung der Einheit von Demokratie und Zentralismus, von Kritik und Selbstkritik, von Theorie und Praxis beim Parteiaufbau dargelegt.
- Mit den Nummern 7 bis 9 wurde 1971 bis 1973 eine umfassende Analyse der Restauration des Kapitalismus in der Sowjetunion gemacht und damit erstmals umfassend die inneren Ursachen der revisionistischen Entartung aufgearbeitet. Diese Analyse wurde im Rahmen späterer Nummern (19 und 22) immer wieder aktualisiert und ergänzt und ist nicht nur aufgrund des bestechenden Materials von internationaler Bedeutung. Sie ist bereits ins Finnische, Persische und Türkische übersetzt worden und wird gegenwärtig von Genossen der PTB und Genossen in Genf ins Französische übersetzt.
- Mit der Nummer 10 wurden einige Grundfragen des Parteiaufbaus geklärt. Die hierin herausgeschälten fünf grundsätzlichen Seiten des Parteiaufbaus haben uns stets bewahrt, in Einseitigkeiten zu verfallen und uns geholfen, den Parteiaufbau in dialektischer Wechselwirkung mit dem Klassenkampf voranzutreiben. Vor allem aber wurden hier die zwei Perioden des Parteiaufbaus herausgeschält: die Periode des Parteiaufbaus als Bund mit dem Ziel der Schaffung aller wesentlichen ideologischen, politischen und organisatorischen Voraussetzungen für die Parteigründung und die Periode des Parteiaufbaus als Partei mit dem Ziel der Schaffung der Partei der Massen.
- Mit den Nummern 11 und 12 wurden unter Auswertung der geschichtlichen Erfahrungen in Deutschland grundsätzliche Richtlinien für die marxistisch-leninistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit geschaffen, auf deren Grundlagen wir seit Jahren erfolgreich arbeiten.
- Mit den Nummern 13 und 14 begannen wir mit der grundsätzlichen Analyse der politischen Ökonomie in der BRD. Vor allem entlarvten wir das Krisengeschrei der Opportunisten 1973 bis 1974, was mit dem tatsächlichen Wirtschaftsverlauf nicht übereinstimmte.
- Der REVOLUTIONÄRE WEG 15 wertete grundsätzlich unsere reichhaltigen Erfahrungen im Kampf gegen das Liquidatorentum aus und schälte dabei die große Bedeutung des Kampfes um die proletarische Denkweise heraus. Die Frage der Denkweise ist so wichtig, daß stets gefragt werden muß: wer beeinflußt wen? Gerade diese grundsätzlichen Erkenntnisse aus dem Kampf gegen das Liquidatorentum 1976 waren eine entscheidende Waffe gegen weitere liquidatorische Entwicklungen im Zusammenhang mit der Machtübernahme der revisionistischen Deng/Hua-Clique in China und den Angriffen Enver Hoxhas und der PAA auf die Mao Tsetung-Ideen.
- Die Nummern 16 bis 19 stellten eine umfassende Analyse des staatsmonopolistischen Kapitalismus in der BRD dar. Dabei wurde die Schwankende Stagnation, eine neue Erscheinung im Krisenverlauf festgestellt, als Ergebnis der Verschmelzung des Staats mit den Monopolen und der vollständigen Unterordnung des Staates unter die Monopole.
- Mit den Nummern 20 bis 21 wurde eine umfassende Grundlage geschaffen, die proletarische Strategie und Taktik allseitig und wissenschaftlich zu handhaben. Das war zugleich die letzte wesentliche Seite unseres theoretischen Systems, um alle drei Bestandteile des Marxismus-Leninismus auf die Verhältnisse der BRD heute zu konkretisieren.
- Nach der Parteigründung 1982 erschien noch der REVOLUTIONÄRE WEG 22 über „Krieg und Frieden und die sozialistische Revolution“, indem die marxistisch-leninistische Strategie und Taktik im Kampf um den Weltfrieden konkretisiert wurde.
- In der Nummer 23 „Krisen und Klassenkampf“ untersuchten wir die verschiedenen neuen Krisenerscheinungen, ihre ökonomische Basis und ihren Zusammenhang. Diese letzte Nummer wird von der MLPD inzwischen auch in Englisch und Französisch vertrieben. Die nächste Nummer ist bereits in Arbeit und wird sich mit der „dialektischen Einheit von Theorie und Praxis“ beschäftigen.
Solch eine theoretische Arbeit erledigt sich natürlich nicht von selbst und bindet unsere besten Kräfte (kurze Charakteristik Willi Dickhuts). Und doch sollte keiner meinen, wir Marxisten-Leninisten könnten auf solch eine Arbeit zugunsten augenblicklicher Aufgaben verzichten. Jede theoretische Schlacht, die wir nicht rechtzeitig geschlagen oder gar verloren haben, wird zur gegebenen Zeit notwendigerweise zu schmerzlichen politischen Niederlagen der Arbeiterklasse im Kampf um ihre Befreiung führen. Beginnt der Revisionismus nicht genau dort, wo man die künftige Entwicklung im Trubel scheinbar unaufschiebbarer Ereignisse aus den Augen verliert?
Natürlich ist die theoretische Arbeit kein leichtes Brot. Dazu bedarf es Kader, die die theoretischen Grundlagen des Marxismus-Leninismus zumindest in den Grundzügen studiert und begriffen haben, die Geschichte der Arbeiterbewegung in den Hauptzügen kennen und nicht zuletzt über einen Schatz eigener Erfahrungen in der Praxis des Klassenkampfes verfügen.
4. Die Bedeutung der dialektisch-materialistischen Methode
Das wichtigste Handwerkszeug für die Erarbeitung der proletarischen Linie ist die dialektisch-materialistische Methode. In einem ROTE-FAHNE-Interview führte Genosse Willi Dickhut, der Leiter des Organs „REVOLUTIONÄRER WEG“ aus:
„Proletarische Theoretiker zu werden, heißt die Methode der dialektischen Einheit von Theorie und Praxis beherrschen lernen. Ohne ständige Wahrung dieser Einheit kann man weder das Wesen des Marxismus-Leninismus begreifen, noch ihn auf die heutige Situation konkret anwenden und weiterentwickeln. Wir brauchen für die theoretische Arbeit Genossen, die die dialektische Methode in Theorie und Praxis beherrschen.“
Im Schlußteil der „Geschichte der Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands“, II. Teil, der im Herbst in zwei Halbbänden erscheinen wird, wird auf die Bedeutung der dialektischen Methode eingegangen:
„Die Methode, mit der die Marxisten-Leninisten die objektive Wirklichkeit erforschen, die zu erwartende künftige Entwicklung gewissermaßen vorausbestimmen und ihre Kräfte rechtzeitig auf diese Entwicklung einstellen, ist die konkrete Analyse der konkreten Situation. Lenin bezeichnete die konkrete Analyse einer konkreten Situation als »das innerste Wesen, die lebendige Seele des Marxismus«. Denn diese Methode ist nichts anderes als die Anwendung der Theorie des Marxismus-Leninismus auf die konkrete Situation. Eine dogmatische Verwendung des Marxismus-Leninismus, sozusagen den Buchstaben nach, ohne konkreten Bezug zur objektiven Wirklichkeit und zur Praxis des Klassenkampfes, läuft dem Wesen des Marxismus-Leninismus direkt entgegen.
Man muß von der tatsächlichen Lage, von den jeweiligen Besonderheiten ausgehen, nur so kann man eine strenge Objektivität der Betrachtung wahren und Wunschdenken ausschließen. Das ist ein erstes grundlegendes Merkmal der konkreten Analyse.
Allerdings hat die konkrete Analyse nichts zu tun mit der willkürlichen Ansammlung von Fakten. Die Natur, die Gesellschaft, das menschliche Denken – alles ist in fortwährender Veränderung begriffen, und die Bewegungsformen sind besonderen Gesetzmäßigkeiten unterworfen. So ist die kapitalistische Produktionsweise heute geprägt von dem Widerspruch zwischen der gesellschaftlichen Form der Produktion, die im staatsmonopolistischen Kapitalismus ihre höchste Ausprägung erfahren hat, und der privatkapitalistischen Aneignung der Früchte dieser vergesellschafteten Produktion durch eine Handvoll Monopole. Eben dieser Widerspruch bringt notwendigerweise periodisch Wirtschaftskrisen hervor, auch wenn sich der konkrete Krisenzyklus veränderte als Folge der Verschmelzung der Organe der Monopole mit denen des Staates und der vollständigen Unterordnung des Staates unter die Monopole. Mit Hilfe der konkreten Analyse war der KABD in der Lage, die neue Erscheinung der Schwankenden Stagnation, die der Wirtschaftskrise vorgelagert ist, als Folge der staatsmonopolistischen Manipulation herauszufinden. So konnte er eine richtige Strategie und Taktik für die Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit ausarbeiten, die der allseitigen Verschärfung der gesellschaftlichen Widersprüche in eben dieser Schwankenden Stagnation gerecht wurde.
Die jeweilige Situation in ihrer inneren Widersprüchlichkeit, ihrer Wechselwirkung zu äußeren Umständen, ihrer Selbstbewegung und Entwicklung zu betrachten ist ein zweites grundlegendes Merkmal der konkreten Analyse.
Gerade der schnelle Wechsel der politischen Ereignisse, die Vielfalt der Parteiarbeit, wie sie sich mit der Entwicklung der Partei der Massen herausbilden wird, birgt die ständige Gefahr, die Veränderung und Entwicklung nur noch in ihrer äußeren Erscheinung zu sehen.
Das gilt für die objektive Analyse ebenso wie für die ständige kritische und selbstkritische Auswertung der Parteiarbeit. Die Schaffung der Partei der Massen erfordert die schrittweise Eroberung der verschiedensten und neuartigsten Tätigkeiten, was nicht ohne Fehler gehen kann.
Damit Kritik und Selbstkritik auch die Klasse und die Massen erziehen kann, muß sie dialektisch sein. Die dialektische Kritik und Selbstkritik rückt diejenigen Besonderheiten, die für die Gesamtentwicklung charakteristisch sind, in den Mittelpunkt, verallgemeinert diese als Moment der Höherentwicklung und beurteilt davon ausgehend die noch vorhandenen Fehler und Schwächen und sucht sie zu überwinden. Ohne eine dialektische Kritik und Selbstkritik sind die bedeutenden Fortschritte in der Parteiarbeit nicht richtig zu beurteilen. So wird die Fähigkeit zur Anwendung der dialektischen Methode in der Leitungstätigkeit selbst zum entscheidenden Moment der Höherentwicklung der Führungsmethoden, sowohl im Zentralkomitee als auch in allen anderen Leitungen der Partei.
Nicht das Auf und Ab im Klassenkampf oder im Parteiaufbau ist also das Entscheidende, sondern es geht darum, das Moment der Höherentwicklung herauszufinden, das die künftige Entwicklung des gesamten Prozesses richtig zum Ausdruck bringt. Das ist das dritte grundlegende Merkmal bei der konkreten Analyse der konkreten Situation.“ (Geschichte der MLPD, II. Teil, 2. Halbband S. 641-643)
5. Die Einheit von Theorie und Praxis als Hauptmerkmal der proletarischen Linie und ihrer Umsetzung
Auch wenn wir so entschieden auf die Bedeutung der theoretischen Arbeit für die internationale marxistisch-leninistische und Arbeiterbewegung verweisen, so möchte ich doch richtigstellen, daß das alles nichts damit zu tun hat und haben kann mit jeder kleinbürgerlichen Linie von der „Hauptseite Theorie“, wie sie uns in der BRD seit dem Anfang des Parteiaufbaus immer wieder begegnete. So hieß es in Westdeutschland von einigen dieser Theoretiker, es ginge darum „jetzt die theoretische Klarheit über den Gang der Revolution in Westdeutschland zu gewinnen, um diese später auch praktisch durchführen zu können; sie muß jetzt einen Stamm von geschulten Genossen heranbilden, um später, wenn der Massenkampf ausbricht, dessen Führung übernehmen zu können“ („Aufsätze zur Diskussion“, März 79, S. 15).
Für die kleinbürgerlichen Studentenführer war es nicht begreiflich zu machen, daß eine dialektische Einheit nichts zu tun hat mit einer mechanischen Einheit, wo Theorie und Praxis quasi wie mit einer Balkenwaage verbunden ist und infolgedessen die Balkenseite der Praxis absinkt, wenn die der Theorie ansteigt. Eine dialektische Einheit ist dagegen ein wechselseitiger Prozeß, durch den sich Theorie und Praxis fortwährend durchdringen, mit dem Ergebnis der Höherentwicklung sowohl der Theorie als auch der Praxis. Diesen dialektischen Prozeß beschrieb Mao Tsetung sehr anschaulich:
„Durch die Praxis die Wahrheit entdecken und in der Praxis die Wahrheit bestätigen und weiterentwickeln; von der sinnlichen Erkenntnis ausgehen und diese aktiv zur rationalen Erkenntnis fortentwickeln, sodann wieder, ausgehend von der rationalen Erkenntnis, aktiv die revolutionäre Praxis anleiten, die subjektive und objektive Welt umzugestalten; Praxis, Erkenntnis, wieder Praxis und wieder Erkenntnis - diese zyklische Form wiederholt sich endlos, und der Inhalt von Praxis und Erkenntnis wird bei jedem einzelnen Zyklus auf eine höhere Stufe gehoben. Das ist die ganze Erkenntnistheorie des dialektischen Materialismus, das ist die dialektisch-materialistische Theorie der Einheit von Wissen und Handeln.“ (Ausgewählte Werke, Bd I., S. 363)
Die dialektische Einheit von Theorie und Praxis ist ein Grundprinzip des Marxismus-Leninismus. Letztlich sind alle Abweichungen vom Marxismus-Leninismus folglich auf einen Verstoß gegen dieses Grundprinzip, auf die Trennung von Theorie und Praxis zurückzuführen.
Wenn die kleinbürgerlichen Führer in der BRD von einer „Hauptseite Theorie“ faselten, in dem Sinne, daß dafür die Praxis zurücktreten müsse, dann behandelten sie den nichtantagonistischen Widerspruch von Theorie und Praxis innerhalb der Arbeiterbewegung als antagonistischen. Da aber Theorie und Praxis in der bürgerlichen Ideologie einen Antagonismus bilden, ist die Auffassung von der „Hauptseite Theorie“ nichts als der Einfluß der bürgerlichen Ideologie in der Arbeiterbewegung. Unsere selbsternannten Dialektiker erwiesen sich in Wahrheit als Metaphysiker.
Lenin kennzeichnete dagegen in seinem Konspekt zu Hegels „Wissenschaft der Logik“ die Dialektik trefflich als Lehre „wie die Gegensätze identisch sein können und es sind (wie sie es werden) – unter welchen Bedingungen sie identisch sind, indem sie sich ineinander verwandeln –, warum der menschliche Verstand diese Gegensätze nicht als tote, erstarrte, sondern als lebendige, bedingte, bewegliche, sich ineinander verwandelnde auffassen soll.“ (Lenin Werke Bd. 38, S. 99)
6. Vermittlung von Buchwissen oder kritisch-selbstkritische Aneignung des Marxismus-Leninismus
Was für die Erarbeitung der proletarischen Linie gilt, gilt nicht weniger für deren Aneignung. Gerade die revisionistische Entartung ganzer ehemals revolutionärer Parteien wirft doch die Frage auf, wie das möglich war. Zehntausende von Funktionären haben die Parteischulen und Parteihochschulen durchlaufen und doch waren die meisten Funktionäre nicht in der Lage, dem Revisionismus zu widerstehen.
Eine Ursache liegt sicher in der Art und Weise ihrer Schulungsarbeit. In erster Linie wurde dort nämlich Buchwissen vermittelt, das man sich zu eigen macht, wie man ein Gedicht auswendig lernt. Daraus müssen unbedingt Lehren gezogen werden. Bei der Schulungsarbeit muß es vor allem darum gehen, selbständig mit dem Marxismus-Leninismus umzugehen. Schulung und Selbststudium bilden zwei unzertrennliche Seiten dieses Systems der Aneignung der marxistisch-leninistischen Theorie. Wie bei einem Fachwerkhaus hat die Schulung das Gerüst des Fachwerks aufzustellen, dessen Zwischenräume dann im Selbststudium selbständig aufgefüllt werden müssen.
Um die Theorie selbständig begreifen und auch in der Praxis anwenden zu können, ist es notwendig, daß die Schulungsarbeit von ihrer niedrigsten Stufe – der Grundschulung – bis zur ZK-Schulung von dem Erlernen und der Vermittlung der dialektischen Methode durchdrungen wird. Deshalb beginnt die Funktionärsschulung der MLPD auf Gruppenleiterebene auch mit einem Einführungskurs von sechs Lektionen über die dialektische Methode in der Leitungstätigkeit. Der rote Faden wird dann darauf aufbauend auf jeder höheren Funktionärsschulung beibehalten, denn die Beherrschung der dialektischen Methode ist die Grundlage für jedes selbständige Denken und Handeln der Kader.
7. Das selbständige Denken und Handeln, das A und O der proletarischen Kadererziehung
Wenn die MLPD sich die große Aufgabe gestellt hat, die Arbeiterklasse zur Selbstbefreiung zu erziehen, dann ist es eine Selbstverständlichkeit für ihre Mitglieder, daß ihr Denken frei ist. Friedrich Engels hat im Antidühring einmal die Freiheit als die Einsicht in die Notwendigkeit definiert.
Wenn wir grundlegende Lehren aus der revisionistischen Entartung ziehen müssen, dann vor allem dahingehend, die Beziehungen zwischen der Parteiführung und der Masse der Mitglieder tatsächlich zu einer dialektischen Einheit zu verschmelzen. Das ist nur möglich, wenn zwischen Leitung und Mitgliedern das Prinzip von Kritik und Selbstkritik verwirklicht wird. Das setzt einerseits demokratische Führungsmethoden bei den Leitungen und andererseits eine revolutionäre Wachsamkeit bei den Mitgliedern voraus. Wobei revolutionäre Wachsamkeit und gegenseitiges Vertrauen eine dialektische Einheit darstellen müssen. Ohne Vertrauen auch keine revolutionäre Wachsamkeit. Was ist nun die Grundlage der revolutionären Wachsamkeit. Es ist nichts anderes als die kritisch-selbstkritische Einstellung zur Wirklichkeit, die richtige Verbindung von Kritik und Selbstkritik als Methode der wissenschaftlichen Erkenntnis.
Jedes Mitglied, ohne Ausnahme, muß also lernen, das Wesen der Dinge zu erkennen, von der Oberfläche, der Erscheinungsform in die Tiefe vorzudringen, „hinter die Fassade“ zu schauen, nicht leichtgläubig und oberflächlich zu sein. Das selbständige Denken also ist das A und O der proletarischen Kadererziehung.
Nicht nur als Damm gegen die Gefahr revisionistischer Entartung ist das selbständige Denken und Handeln wichtig.
Auch für eine flexible, der konkreten Situation angepasste Kampftaktik, die bei Daimler Benz in Stuttgart anders aussehen muß als auf den Werften in Kiel, bei der Arbeit unter den Klein- und Mittelbauern im nördlichen Ruhrgebiet anders als im Münchner BMW-Wohngebiet. Es ist eine unerläßliche Voraussetzung, daß jede Gruppe ihren eigenen Kopf gebraucht, eigene konkrete Analysen erstellt, um die allgemeine Aufgabenstellung mit den der konkreten Situation entsprechenden Methoden zu verwirklichen.
Auch „im Falle der Illegalität muß jeder Parteigenosse, jeder revolutionäre Betriebsprolet selbständig Maßnahmen einleiten und durchführen können, ohne daß es notwendig ist, eine höhere Leitung anzurufen.“ (Willi Dickhut, „So war's damals“, S. 125)
Oft hört man, es sei doch ein Widerspruch, daß die MLPD einerseits solch hohe Anforderungen an die Mitglieder stellt, andererseits größten Wert auf ihre proletarische Zusammensetzung legt. Spricht aber aus dieser Skepsis nicht jenes bürgerliche und kleinbürgerliche Vorurteil, daß es dem Proletariat unmöglich sei, sich selbst zu befreien. Auch die kleinbürgerlichen Intellektuellen in der marxistisch-leninistischen Bewegung hatten im Grunde nie ein anderes Argument vorgebracht, um ihren kleinbürgerlichen Führungsanspruch zu begründen.
8. Die proletarische Kadererziehung als Garant des Parteiaufbaus der MLPD
Der KABD, die Vorläuferorganisation der MLPD, konzentrierte sich in der praktischen Parteiarbeit von Beginn an auf die Gewinnung der Industriearbeiter durch eine systematische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit. Gegenüber der Gefahr der kleinbürgerlichen Überwucherung, wie sie in allen anderen Organisationen zu beobachten war, führten wir einen Intellektuellenaufnahmestopp ein, der bis zum heutigen Tag – wenn auch auflockert – gültig ist. Das brachte uns den Vorwurf des Proletkults ein, was in Wirklichkeit nichts anderes war als der Aufschrei verschiedener kleinbürgerlicher Intellektueller, die sich in ihrem Führungsanspruch verhindert sahen.
Der KABD wuchs im Verhältnis zu kleinbürgerlichen „ML“-Organisationen relativ langsam, dafür aber beständig. Seit dem I. Zentralen Delegiertentag 1972 bis zum II. Parteitag 1985 konnte ausnahmslos jeder zentrale Delegiertentag eine positive Mitgliederentwicklung feststellen. Und was noch wichtiger war, die proletarische Zusammensetzung unserer Reihen – auch bezogen auf unsere Nebenorganisationen – verbesserte sich ständig. Auf allen Leitungsebenen der Partei sind vorherrschend proletarische Genossen vertreten. Im Zentralkomitee sogar über 80 Prozent.
Im Schlußwort zur „Geschichte der Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands“, II. Teil wird zusammenfassend festgestellt:
Es kommt darauf an, „daß die Partei über genügend theoretisch geschulte, in der Praxis erfahrene und im Kampf gestählte Kader verfügt, die die ideologisch-politische Linie der MLPD entsprechend den jeweiligen Besonderheiten weiterentwickeln und schöpferisch in die Praxis umsetzen können.
Kader entscheiden alles! Deshalb hängt Erfolg oder Mißerfolg des weiteren Aufbaus der Partei letztlich davon ab, wie es uns gelingt, eine stets wachsende Zahl von Kadern für die vielfältigen Aufgaben der Parteiarbeit heranzubilden, das heißt, eine Kaderreserve auf allen Ebenen und in allen Bereichen der Parteiarbeit zu schaffen.
Dazu ist eine systematische Kaderarbeit notwendig, die folgende grundlegende Seiten vereinen muß:
• Eine richtige Kaderarbeit verwirklicht die Einheit von Kadererziehung und Kaderpflege. Eine Kadererziehung, die nicht die konkreten persönlichen Bedingungen und Voraussetzungen des Kaders berücksichtigt, unter denen er sich entwickeln soll, ist ebenso zum Scheitern verurteilt wie eine Kaderpflege, die nicht mit einer zielgerichteten Entwicklung der Fähigkeiten einhergeht, damit der Genosse tatsächlich zum Führer der Arbeiterklasse wird.
• Das wichtigste Feld der Kaderarbeit ist die tägliche praktische und theoretische Parteiarbeit, wo sich im Prozeß systematischer Anleitung und Kontrolle bei der Aneignung und Umsetzung der ideologisch-politischen Linie der Partei die Kader entwickeln. Das gilt gleichermaßen für die Heranführung neuer Mitglieder an die Partei wie für die Entwicklung einfacher Parteimitglieder zu Funktionären der Partei.
• Die Grundlage der marxistischen Kaderarbeit ist folglich die Theorie des Marxismus-Leninismus und ihre Aneignung und Anwendung. Deshalb war die Ausarbeitung einer richtigen ideologisch-politischen Linie in allen wesentlichen Fragen die Voraussetzung für eine wirklich allseitige Kadererziehung.
• Eine richtige Kaderarbeit besteht in der Befähigung der Kader, sich in allen Lagen des Klassenkampfes selbständig zu orientieren und ohne Rezepte fertigzuwerden. Dazu bedarf es einer immer besseren Beherrschung der dialektisch-materialistischen Methode, der entscheidenden Fähigkeit zur Anwendung des Marxismus-Leninismus in Theorie und Praxis.
• Für die jeweilige Entwicklung eines Kaders ist der Kampf der proletarischen Denkweise gegen die kleinbürgerliche Denkweise und die Entwicklung der proletarischen Denkweise von der einfachen Form des Klassenbewußtseins zum wissenschaftlichen, theoretisch fundierten Klassenbewußtsein ausschlaggebend.
Deshalb kommt es entscheidend darauf an, prinzipielle Kritik und Selbstkritik als entscheidende Methode zur Entwicklung der Kader zu begreifen. Ohne ständigen ideologischen Kampf kann es keine positive Kaderentwicklung geben.
• Die Kaderarbeit der Partei nach innen spiegelt sich in den Beziehungen der Partei zu den Massen wider. Deshalb ist die Erziehung der Massen zur Selbstbefreiung identisch mit einer marxistischen Kaderarbeit.
• Eine richtige Kaderentwicklung setzt voraus, daß Eigeninitiative und Anleitung und Kontrolle, Freiheit und Disziplin eine dialektische Einheit bilden. Deshalb setzt die Kaderentwicklung die richtige Verwirklichung des Demokratischen Zentralismus im Kampf gegen jede Erscheinungsform des bürokratischen Zentralismus und des Ultrademokratismus voraus.
Um eine solche Kaderarbeit zu leisten, müssen vor allem die Leitungen den marxistischen Arbeitsstil allseitig anwenden. Einen marxistischen Arbeitsstil anwenden heißt aber nichts anderes als die bewußte Durchdringung der Probleme des Klassenkampfes mit der marxistisch-leninistischen Theorie, was nur mittels der Anwendung der dialektischen Methode möglich ist. Andernfalls werden sich bürokratische Führungsmethoden herausbilden.“ (Geschichte der MLPD, II. Teil, 2. Halbband, S. 638-640)
„Bürokratische und schematische Führungsmethoden bilden gerade jetzt die Hauptgefahr für den weiteren Parteiaufbau, wo es darauf ankommt, die allseitige enge Verbindung der MLPD mit den Massen auszubauen und zu festigen und dabei die Kaderarbeit höherzuentwickeln. Bürokratische und schematische Führungsmethoden schnüren die lebendige Initiative und Eigenverantwortung der Mitglieder ein, schläfern die revolutionäre Wachsamkeit ein, fördern die ideologisch-politische Verflachung und untergraben die Disziplin. Kurz – sie behindern die Entwicklung der Kader.
Die marxistischen Führungsmethoden hingegen zielen darauf ab, die Eigeninitiative und Eigenverantwortung jeder Leitung, Parteigruppe, und jedes Mitglieds zur vollen Entfaltung zu bringen, die Fähigkeit zur selbständigen Orientierung in allen Lagen des Klassenkampfes, eine kritische Einstellung und den freien Willen zu eiserner Disziplin zu fördern. Das ist das A und O der Kaderentwicklung. Das Hauptmittel dazu ist die persönliche Anleitung und Kontrolle.“ (Dokumente des II. Parteitags, S. 278/279)
9. Die Umerziehung kleinbürgerlicher Intellektueller zu proletarisch denkenden und handelnden Kadern
Zwischen dem Weg eines klassenbewussten Arbeiters zum Marxisten-Leninisten und dem eines kleinbürgerlichen Intellektuellen liegt ein wesentlicher Unterschied. Während der Eintritt des Arbeiters in die MLPD organisatorisches Ergebnis der Höherentwicklung seines spontanen Klassenbewußtseins bis zum sozialistischen Bewußtsein ist, handelt es sich beim Weg des kleinbürgerlichen Intellektuellen um einen Klassenverrat an seiner kleinbürgerlichen Klassenlage, die im allgemeinen im antagonistischen Widerspruch zu der der Arbeiterklasse steht. Die Denkweise der kleinbürgerlichen Intellektuellen ist wie das Kleinbürgertum gekennzeichnet durch seinen schwankenden Charakter:
- Disziplinlosigkeit und Individualismus auf der Grundlage individualistischer Existenz, die sich gegen das Kollektiv und die Unterordnung unter das Kollektiv wehrt.
- Höhere Bezahlung, gesellschaftliche Hervorhebung der Kopfarbeit als Grundlage für Überheblichkeit und Arroganz.
- Karrierismus und bürgerlicher Ehrgeiz als Widerspiegelung des Strebens des Kleinbürgers nach Aufstieg in die herrschende Klasse.
Dringen diese kleinbürgerlichen Erscheinungsformen in die proletarische Partei ein oder beherrschen sie sogar, dann führt das notwendigerweise zur Liquidierung der proletarischen Partei.
Deshalb muss ein Intellektueller, der sich der Arbeiterbewegung anschließt, seine Weltanschauung bewußt umgestalten und von den Arbeitern lernen. Dazu muß er jede kleinbürgerliche Überheblichkeit ablegen.
Gerade zum Zweck dieser Umerziehung gibt es neben der Partei noch eine Intellektuellenorganisation, den Marxistisch-Leninistischen Bund Intellektueller (MLBI), dessen praktisches Betätigungsfeld mit dem der Partei identisch ist, die aber organisatolrisch selbständig und unter ideologisch-politischer Führung der MLPD arbeitet. Die bewährtesten Genossen des MLBI werden, wenn es die proletarische Zusammensetzung erlaubt, nach und nach in die Partei aufgenommen.
„Letztendlich befindet sich die Trennungslinie zwischen einem revolutionären Intellektuellen und einem nicht revolutionären oder konterrevolutionären Intellektuellen dort, wo es sich zeigt, ob einer willens ist, sich mit den Massen der Arbeiter und Bauern zu verbinden, und ob er das auch tatsächlich tut.“ schreibt Mao Tsetung.
10. Die Denkweise entscheidet alles!
Die proletarische Denkweise wird in erster Linie durch die proletarische Klassenlage geprägt, in zweiter Linie durch die Erziehung zum bewußten Handeln. Daraus geht hervor, daß auch Arbeiter von einer kleinbürgerlichen Denkweise beeinflußt werden. Das umso mehr, als die Übergänge zu den kleinbürgerlichen Zwischenschichten fließend sind und durch die Massenmedien eine ungeheure Manipulation des Denkens und der Gefühle stattfindet. Das war nicht immer so. In den zwanziger Jahren z.B. waren die proletarische Denkweise und die kleinbürgerliche Denkweise viel stärker getrennt. Die Arbeiter dachten in ihrer Masse proletarisch und waren klassenbewußt. Das hat sich im staatsmonopolistischen Kapitalismus unter dem Einfluß von Reformismus und Revisionismus geändert.
Der Kampf zwischen der proletarischen und der kleinbürgerlichen Denkweise ist im Kopf eines jeden Menschen vorhanden, solange es Klassen und Klassenwidersprüche gibt. Dieser Kampf und die Denkweise entscheidet nicht nur über die Entwicklung des einzelnen Kaders, sondern letztlich auch über die der gesamten Organisation. In der ausgearbeiteten proletarischen Linie hat die proletarische Denkweise ihre ausschlaggebende Grundlage. Damit schließt sich der Kreis zwischen der Bedeutung der theoretischen Arbeit und ihrem Zusammenhang zur proletarischen Kadererziehung.
In den Schlußfolgerungen der „Geschichte der Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands“, I. Teil haben wir versucht, gerade diese entscheidende Erkenntnis über die Bedeutung des Kampfes um die proletarische Denkweise für den Parteiaufbau zu verallgemeinern. In den nächsten Monaten wollen wir diese Schlußfolgerungen auf Englisch und Französisch übersetzen, um sie für die Diskussion um die Einheit der internationalen marxistisch-leninistischen und Arbeiterbewegung nutzbar zu machen.
„Erst der Sieg über die kleinbürgerliche Denkweise eröffnete den proletarischen Weg des Parteiaufbaus. Denn: Mit einer kleinbürgerlichen Denkweise läßt sich keine proletarische Partei aufbauen! Mit einer kleinbürgerlichen Denkweise kann man das Wesen des Marxismus-Leninismus nicht begreifen! Mit einer kleinbürgerlichen Denkweise kann man eine proletarische Partei zerstören!“ („Geschichte der Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands“, Teil I, Vorwort)