Willi Dickhut

Willi Dickhut

Artikel über den »Links«opportunismus

Grundsätzliche Briefwechsel und Dokumente Willi Dickhuts 1972

Von RW-Redaktion
Artikel über den »Links«opportunismus

Lieber Willi, 10. 9. 72

bezüglich Deines Artikels muß ich Rücksprache mit Dir nehmen. Leider traf er zu spät ein, um noch in der jetzigen Nummer erscheinen zu können. Das gibt mir Gelegenheit, einen wichtigen Punkt in dem Artikel zu berühren: nämlich die Kritik an den albanischen Genossen.

Ich bin der Überzeugung, daß es nicht von Vorteil wäre, diese Kritik in aller Öffentlichkeit auszusprechen. Du weißt, daß ich vom Inhaltlichen her diese Kritik, die ja eigentlich sehr milde ist, voll unterstütze. Aber nicht einverstanden bin ich damit, Differenzen mit den albanischen Genossen im gegenwärtigen Stadium im Zentralorgan auszutragen oder anzuschneiden. Innerhalb der Organisation habe ich jede Gelegenheit benutzt, um die Schädlichkeit der Unterstützung von Aust durch bestimmte Elemente in der Partei der Arbeit Albaniens anzuprangern. Unsere Genossen sind über den Fehler der albanischen Genossen im Bilde und lassen sich nicht mehr davon beirren.

Eine Kritik in der Öffentlichkeit würde unter Umständen den Aust-Leuten Gelegenheit geben, sich noch frecher an die albanischen Genossen heranzumachen und weitere Verleumdungen in die Welt zu setzen. Es ist besser, wenn wir weiterhin unsere Methode der indirekten Kritik in der Öffentlichkeit anwenden; und Dein Artikel ist doch gerade dazu angetan, die albanischen Genossen zu einer Überprüfung ihrer Unterstützungspolitik zu bewegen. Natürlich müßten wir da aktiv werden. Ich schlage vor, den besagten Abschnitt wegzulassen und den Artikel, der als Beilage erscheint und den Titel trägt »Konkrete Analyse oder ultralinkes Wunschdenken?«, mit einem Begleitbrief an die albanischen Genossen zu schicken. Also eine interne Diskussion wäre mir genehmer. Und es ist ja jetzt auch Zeit dazu. Wir schicken mit dem Artikel unsere Programme mit und fordern die Genossen auf, sich von Aust und Co. zu distanzieren. Wenn hierauf nicht geantwortet wird, würden wir immer noch Möglichkeiten haben, die öffentliche Polemik zu suchen.

Ich habe den Abschnitt dem Sekretariat vorgelegt, weil das doch eine sehr wichtige Sache ist. Auch dort ist man mehrheitlich gegen die Veröffentlichung dieser Kritik.

An zwei Stellen habe ich den Artikel mit Zitaten aus dem Grundsatzprogramm versehen (Kennzeichnung der nicht revolutionären Etappe und Aussage über die Ultralinken). Die Stelle über den antifaschistischen Kampf habe ich weggelassen, da sie im Zusammenhang mißverständlich sein könnte (als gehe es gerade im besonderen um den Faschismus) und von der Hauptlinie des Artikels ablenkt.

Ich glaube, daß der Artikel für die Aust-Clique eine sehr ernste Warnung darstellt. Jetzt wird es sich zeigen, ob in diesem Haufen überhaupt noch einer bei Verstand ist. Der müßte dann handeln.

Herzliche Grüße, hoffentlich erholst Du Dich gut!
Emil



Liebe Genossen der Redaktion Rote Fahne! 14. 9. 72

G. teilte mir mit, daß aus meinem Artikel »Die ›ultra‹linke Politik der KPD/ML(RM)« der kritische Hinweis über die albanischen Genossen gestrichen werden sollte. Damit bin ich aus zwei Gründen nicht einverstanden:

1. Weil der »Rote Morgen« sich auf Radio Tirana beruft und unsere Kritik nur dann zutrifft, wenn das stimmen sollte, was da geschrieben wurde (was noch bezweifelt wird), und darum eine Aufforderung bedeutet, dazu Stellung zu nehmen. Dazu sind wir verpflichtet, damit uns später nicht der Vorwurf gemacht werden kann, wir hätten dazu geschwiegen. Außerdem überschlägt sich Aust in seiner Linie derart, daß die albanischen Genossen diese nicht allzu lange billigen können. Die Hamburger Gruppe »Parteiaufbau« hat in der Nr. 8 eine massive Kritik an der Hamburger Gruppe »Roter Morgen« geübt und von einem zweiten Fall Grippa geschrieben. Wir müssen durch unseren kritischen Hinweis die albanischen Genossen warnen, weiterhin diese »ultra«linke Linie zu stützen.

2. Wir sind genauso Marxisten-Leninisten wie auch die albanischen Genossen. Es gibt keine Marxisten-Leninisten erster und zweiter Klasse. Es gibt nur einen einzigen Marxismus-Leninismus, und für jeden Marxisten-Leninisten gilt das Entwicklungsgesetz einer marxistisch-leninistischen Partei: Kritik und Selbstkritik. Wir wären schlechte Marxisten-Leninisten, wenn wir auf eine notwendige und sachliche Kritik verzichten würden, nur weil es albanische Genossen sind. Entweder sind diese Genossen Marxisten-Leninisten, dann müssen sie eine Kritik anerkennen, die zur Aufdeckung von Fehlern führt, um sie rasch zu korrigieren; oder es sind keine, und sie beharren darum auf ihrer Fehleinschätzung. Entweder sind wir Marxisten-Leninisten, dann sind wir verpflichtet, offen und ehrlich Kritik zu üben, wenn andetheoretisches-organ-revolutionaerer-wegre Genossen offensichtlich Fehler machen; oder wir sind keine und schweigen, nur weil es sich um den größeren Bruder handelt.

Warum kritisieren wir dann die KPD/ML(RM)? Wenn die »ultra«linke Politik von uns verurteilt wird und diese Linie von den albanischen Genossen unterstützt würde, dann trifft unsere Kritik folgerichtig auch die albanischen Genossen und nicht nur die Aust-Clique. Wollen wir die albanischen Genossen schonen, dann können wir auch gleich die Aust-Clique schonen. Wir können im Interesse der albanischen Genossen nur annehmen, daß sie die Aust-Clique nicht durchschauen und auf deren Phrasen hereingefallen sind. Dann ist ein kritischer Hinweis unserseits zwingend geboten, um diesen Genossen zu helfen, die Nebelwand der »Ultra«linken zu durchschauen. Schweigen wir, sind wir schlechte Kommunisten.

Dazu kann ich meine Zustimmung nicht geben. Verurteilen wir nicht die Kritiklosigkeit in den revisionistischen Parteien? Hätte die Kulturrevolution in China durchgeführt werden können, wenn gewisse Genossen geschont worden wären? Überlegt, Genossen, was ich hier anschneide, ist eine grundsätzliche Frage von großer Bedeutung. Das Entwicklungsgesetz der Partei gilt für alle ohne Unterschied, oder es wird aufgehoben. Das will doch wohl niemand.

Rot Front!
Willi