Briefwechsel

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Interessanter Briefwechsel nach Leserbrief zur Cannabis-Freigabe-Diskussion

Von Helmut Kruse-Günter

Ursprünglicher Leserbrief von Helmut Kruse-Günter vom November 2021

Welche Vorteile und für wen hätte denn die Freigabe des Rauschmittels Cannabis? Ich stimme mit Frau Häßler von der Fachstelle Sucht überein, dass der Konsum von Haschisch auf jeden Fall gesundheitsschädlich ist. Denn der Cannabis-Wirkstoff THC greift tief in unser Hirn-Orchester ein. Er verändert das optimale Zusammenspiel der Nervenzellen, die für Belohnung, Motivation, Entscheidungsfindung und Bewegungsabläufe zuständig sind. Er stört damit die Fähigkeit, das Denken, Fühlen und Handeln in Übereinstimmung mit der Wirklichkeit zu bringen. Kurzfristige Entspannung und Beruhigung werden langfristig mit Gedächtnis- und Aufmerksamkeitsstörungen, mit Störungen der Bewegungsabläufe und des Denkvermögens, auch durch Psychosen, bezahlt. Angesichts dieser Gefahren ist es für mich unverständlich, welchen Nutzen eine Legalisierung von Cannabis haben sollte. Insbesondere der Verkauf durch Dealer muss als kriminell bezeichnet werden, da sie die Käufer auf diese gesundheitsschädliche Bahn bringen. Richtig ist auf jeden Fall, dass die Aufklärung über die Folgen des Cannabis-Konsums noch viel mehr insbesondere in den Schulen gemacht werden muss. Der Kampf gegen die Dealer von Rauschmitteln wird nicht durch die Legalisierung überflüssig, da diese ja insbesondere auf härtere – und damit teurere und noch schädlichere – Drogen orientieren. Wer aber hat den Nutzen einer Freigabe von Cannabis? Da ist vor allem der Staat, der über die Besteuerung von Cannabis zwei bis drei Milliarden Euro einnehmen könnte. Eigentlich sollte der Staat doch darauf bedacht sein, dass seine Bürger in Gesundheit heranwachsen und sich nicht durch Drogen den Kopf vernebeln. Doch offensichtlich wäre ihm dies gerade recht. Denn mit „vernebeltem“ Kopf wird man weniger gegen andere Dinge protestieren, wie Klima- und Umweltschädigung durch staatliche Maßnahmen. Fazit: Freigabe von Cannabis bringt nur noch größere Schäden für die Jugend und die ganze Gesellschaft.

Antwort vom 1.12.2021

Guten Tag Herr Kruse-Günter,

ich habe mit Enttäuschung Ihren erneuten Leserbrief zur Diskussion der

Legalisierung von Cannabis gelesen. Auch wenn ich Ihren Standpunkt

verstehe, dass Drogen final dem kapitalistischen System helfen und den

Kopf für den Klassenkampf vernebelt, sehe ich es nicht dem Profil der

MLPD und dem Klassenkampf zuträglich, die Gesundheit der Wähler:innen

bestimmen zu wollen.

Es sollte doch im Fokus unserer Arbeit stehen, das bestehende System

zu überwinden und faire Verhältnisse zu schaffen. Ob dazu nun Cannabis

neben Alkohol und Nikotin legalisiert wird, was 2/3 der jungen Wähler

begrüßen, sehe ich nicht als relevantes Profil an. Für viele Menschen

ist die individuelle Freiheit zum Konsum von auch schädlichen

Genussmitteln ein wichtiges Gut, welches nicht im Widerspruch zum

Sozialismus steht. Die Revolution ist nach Lenin Aufgabe der Partei

als Avantgarde, hier muss der Verstand klar sein. Der geschundenen

Gesellschaft gönne ich aber gerne Ablenkung und Verstreuung. Oder wo

ziehen sie hier die Grenze? Verbot von Cannabis, Alkohol, Zigaretten,

Fernsehen, Trivialliteratur? Durch Verbot werden wir die Vernebelung

des Geistes nicht aufhalten - Interesse muss durch Leidenschaft

geweckt werden.

Auch dem Fazit kann ich nicht beipflichten - die Legalisierung und

Kontrolle von Cannabis führt auch in anderen Ländern zum Schutz der

Jugend. Dealer haben keinen Markt mehr, über den sie Kontakt zu den

Jugendlichen knüpfen können, um dann auch härtere Drogen zu verkaufen.

Ich würde mir wünschen, dass Sie und die MLPD sich mit den Nöten und

Anliegen der Jugend beschäftigt und bewusst das Leben verbessert. Dazu

sehe ich ein klares Profil zur Überwindung der Ungerechtigkeit und des

kaputten Systems. Ich wünsche mir eine in den Themen junge,

progressive und kritische MLPD mit dem richtigen Fokus.

Viele Grüße

Antwort vom 23.12.2021von Helmut Kruse-Günter

Lieber ,
ich möchte mich dafür entschuldigen, dass ich erst jetzt auf Ihren kritischen Brief zur Haltung der MLPD zur Cannabis-Freigabe antworte. Ich hatte mich in letzter Zeit mehr mit anderen Dingen beschäftigt und Ihren Brief auf die lange Bank geschoben.
Ich denke, wie die MLPD auch und ihr Jugendverband REBELL, dass eine Freigabe von Cannabis kein Beitrag zum Jugendschutz ist, wie die FDP das so sieht. Denn Cannabis ist, wie Fachleute sagen, oft die Einstiegsdroge auf „härtere“ Drogen. Es geht nicht darum, den Menschen Vorschriften zu machen, was sie konsumieren dürfen und was nicht. Es geht vor allem um eine Erziehungsaufgabe gegenüber der Jugend, wenn wir Drogen generell ablehnen. Die Jugend ist am meisten rebellisch gegenüber dem herrschenden kapitalistischen System. Ist es da nicht im Interesse dieser Herrschenden, die Köpfe dieser rebellischen Jugend zu vernebeln, damit sie nicht mehr für den gemeinsamen Kampf um ein besseres Gesellschaftssystem zu gebrauchen ist? Natürlich müssen wir vor allem die Jugend davon überzeugen, dass es mit dem Sozialismus ein besseres Gesellschaftssystem als den krisengeschüttelten Kapitalismus gibt. Die individuelle Freiheit, die von der FDP oder extremer noch von der AfD im Zusammenhang mit der Frage einer Impfpflicht vertreten wird, richtet sich doch letztlich gegen die Freiheit der Allgemeinheit. Wir sind auch nicht dafür, dass sich die „geschundene Gesellschaft“ ablenken oder zerstreuen lässt durch Drogen, durch  Zigaretten, durch Konsum seichter Fernsehkost oder ähnliches. Wir wollen die Menschen gewinnen für den gemeinsamen Kampf um eine bessere Gesellschaft. Da ist jeder wichtig. Viel zu viele sagen heute noch, „da kannst du eh‘ nichts ändern“. Sollen wir alle diese Leute der Propaganda der Herrschenden überlassen?
Sie sind ja auch der Meinung, dass wir uns mit den Nöten und Anliegen der Jugend beschäftigen sollten. Diese Nöte und Anliegen werden aber nicht durch einen Rausch oder durch einen „High“-Zustand nach Drogen-Konsum beseitigt, sondern nur durch den gemeinsamen Kampf. Und dazu brauchen wir, braucht die Jugend einen klaren Kopf.
Ich möchte Sie dazu einladen, die neueste Schrift von Stefan Engel zu studieren, die den Titel hat: „Die Krise der bürgerlichen Ideologie und des Antikommunismus“. Dieses Buch geht zwar nicht auf die Drogenfrage ein. Aber es macht deutlich, welche Hindernisse in den Köpfen heute noch zu überwinden sind, um eine Masse von Menschen für den Kampf für eine befreite Gesellschaft zu gewinnen.
Friedrich Engels beschreibt diese Gesellschaft treffend folgendermaßen: „Erst von da an (wenn die Produktionsmittel im Besitz der Gesellschaft sind) werden die Menschen ihre Geschichte mit
vollem Bewußtsein selbst machen, erst von da an werden die von ihnen in Bewegung gesetzten gesellschaftlichen Ursachen vorwiegend und in stets steigendem Maß auch die von ihnen
gewollten Wirkungen haben. Es ist der Sprung der Menschheit aus dem Reich der Notwendigkeit in das Reich der Freiheit.« (»Die Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft«, Marx/Engels, Werke, Bd. 19, S. 226, zitiert aus „Katastrophenalarm! Was tun gegen die mutwillige Zerstörung von Mensch und Natur?“ (S. 326) von Stefan Engel)
Ich denke, das betrifft auch die Frage der Nutzung von Rauschmitteln – die werden dann nicht mehr nötig sein, um sich von den negativen Seiten der Gesellschaft abzuwenden.

Ich hoffe, Ihnen etwas Anregung gegeben zu haben zur Meinung über Drogen und ihren Sinn oder Unsinn

Viele Grüße, verbunden mit dem Wunsch nach besinnlichen Feiertagen und einem guten Rutsch ins neue Jahr

Helmut Kruse-Günter

Antwort vom 02.01.2022

Guten Abend Herr Kruse-Günter,

vielen Dank für die ausführliche Antwort und die vielen Danken. Ich kann
Ihre Gedanken gut nachvollziehen und glaube auch, dass ein klarer Geist
besonders der jungen Gesellschaft hilft, sinnvoll gegen das herrschende
System zu rebellieren. Und ich bin überzeugt, dass auch Nikotin und
seichtes Fernsehen, nicht der Rebellion hilft. Aber ich sehe darin eine
Verkennung der Realität. Es ist Idealismus, anzunehmen, dass mit den
heutigen Ängsten und Sorgen man der Jugend Verstreuung rauben kann und
sie dadurch befreit. Die Welt ist nicht gerecht, sie ist grausam.

Mein Anliegen ist eine sozialistische Partei, die im Fokus den Wunsch
und den Willen der Wähler und der jungen Generation trägt. Und mich
frustriert die katastrophalen Wahlergebnisse der MLPD. Mich frustriert,
dass eine materialistische Sichtweise von Jenny & Karl Marx und
Friedrich Engels durch idealistische Wahlprogramme so erfolglos
vertreten werden. Ich glaube an eine gerechte Welt, in der die echten
Nöte der Gesellschaft und des Planeten in den Fokus gestellt werden und
in der sich die Gesellschaft dieser Probleme annimmt.

Und dazu wünsche ich mir eine radikale Orientierung an einer gerechten
Welt mit allen Implikationen, sei es die Legalisierung von vermeidlichen
Drogen oder den Fokus auf Verantwortung nach Theodor W. Adorno, sei es
die Vertretung der Interessen der Arbeiter im 21. Jahrhundert. Und genau
diese radikale Orientierung fehlt mir, an Freiheit, Gleichheit und
Gerechtigkeit, ganz ohne Ideologie, ganz nach einer materialistischen
Geschichtsauffassung nach Karl Marx.

Ich kann aktuell die MLPD nicht wählen, da sie zu sehr im SOLL und zu
wenig im IST zuhause ist. Um die Interessen meiner Familie und meiner
Kinder zu vertreten. Doch genau das wünsche ich mir - dass ihr benennt,
warum heute die Menschen nicht glücklich sind, warum die Zukunft unserer
Kinder verspielt werden und warum es weiterhin eine solche
Ungerechtigkeit gibt. Ich wünsche mir eine Partei, die anerkennt, dass
es heute einen unglaublichen Reichtum gibt, gleichzeitig aber zeigt,
dass der Mensch nicht im Mittelpunkt des Reichtums steht. Dass es viel
Freiheit gibt, dass sich die Freiheit aber nicht nach den Bedürfnissen
der Menschen richtet.

Entschuldigen Sie meine emotionale Mail, ich wünsche mir eine
sozialistische Partei, die mir hilft, in meiner Arbeit und meiner
Familie, das richtige zu tun. Und aktuell fühlt es sich für mich so an,
dass sinnlose Kämpfe gegen die Freiheit geführt werden. Wenn ich mich
für die Gesellschaft und die Familie kaputt arbeite, dann wünsche ich
mir Verstreuung und eine starke Partei, die mich unterstützt, wie wir in
ein neues Morgen kommen, in der meine Arbeit mich & die Gesellschaft
glücklich macht. Da wünsche ich mir mehr Marx und weniger Stefan Engel.
Liebe Grüße
Tobias Braun

Link zur Cannabis-Freigabe:

https://www.rf-news.de/2022/kw05/bewusstheit-statt-drogen-mach-mit-im-rebell

Antwort vom 07.02.2022 von Helmut Kruse-Günter

Lieber ,

zuerst möchte ich mich sehr dafür entschuldigen, dass ich erst jetzt antworte auf Ihren Brief vom 2. Januar. Nach nochmaligem genauen Studium Ihres Briefs sehe ich die Notwendigkeit, zu verschiedenen Ansichten Stellung zu nehmen.

Sie schreiben, dass Sie eine Orientierung suchen in einer sozialistischen Partei. Die Tatsache, dass die Welt ungerecht, ja grausam ist, verbindet uns auf jeden Fall.

Sicher haben viele Menschen wie Sie den Glauben an eine gerechte Welt. Es reicht aber nicht der Glaube daran, sondern eine aktive Haltung ist notwendig. Marx sagte schon: „Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert. Es kommt aber darauf an, sie zu verändern.“ Karl Marx und Friedrich Engels begründeten die proletarische Ideologie, die sich von den Interessen der Arbeiterklasse nach einer befreiten Gesellschaft leiten lässt. Die bürgerliche Ideologie hat das Ziel, die Herrschaft des Internationalen Finanzkapitals aufrecht zu erhalten. So hat im Grunde jeder Mensch eine Ideologie, eine Sicht auf die Welt. Ideologiefreiheit ist ein Schlagwort der bürgerlichen Ideologie, die ihre Ziele vertuschen will. Ein sehr gutes neues Buch von Stefan Engel (er ist der Leiter der Redaktion „Revolutionärer Weg“ und arbeitet mit einem ganzen Kollektiv an diesen Büchern) dazu ist: „Die Krise der bürgerlichen Ideologie und des Antikommunismus“, im Buchhandel oder beim Verlag Neuer Weg erhältlich. In der Tat ist das Wahlergebnis der MLPD bei den Bundestagswahlen katastrophal. Wir orientieren uns allerdings nicht allein an den Zahlen. Eine wesentliche Ursache dafür ist der über alle Medien verbreitete Antikommunismus, der die MLPD in den Medien totschweigt und die Menschen davon abhält, sich mit einer grundsätzlichen Alternative zur „grausamen Welt“, einer „gerechten Welt“, wie Sie sich eine wünschen, wie sicher auch die übergroße Mehrheit der Menschen sich eine wünscht, zu beschäftigen.

Richtig finde ich auch Ihre Ansicht, dass Nikotin und vor allem seichtes Fernsehen die Menschen davon abhält, zu rebellieren gegen diese Verhältnisse. Es führt kein Weg daran vorbei, den Menschen reinen Wein einzuschenken. Und auch die Jugend muss erkennen, dass eine Veränderung der Verhältnisse von niemandem für sie gemacht wird. Sie muss da selbst ran, mit klarem Kopf und gemeinsam mit den älteren Menschen. Denn die Befreiung der Arbeiterklasse und der gesamten Menschheit kann nur das Werk von ihnen selbst sein. Die MLPD hat sich das zur Aufgabe gemacht, der Arbeiterklasse und den breiten Massen zu helfen, hier den richtigen Weg zu finden. In der Tat wird im Kapitalismus die Zukunft unserer Kinder verspielt. Die Ursache ist das gesetzmäßige Profitstreben im Kapitalismus. Dieses führt eben auch dazu, dass die Regierung nicht die notwendigen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie (Zero-Covid-Strategie) einschlägt, sondern opportunistisch nach dem Motto „auf Sicht fahren“ handelt, mit dem Ziel, das Profitziel der Konzerne nicht anzutasten. Auch hierzu gibt es ein ganz neues Buch von Stefan Engel: „Die Krise der bürgerlichen Ideologie und des Opportunismus“. Es setzt sich mit den verschiedenen Erscheinungen des Opportunismus auseinander, dem Handeln danach, was opportun ist – aber eben für die Konzerne. Mit solchen Fragen müssen wir uns beschäftigen, damit wir klar kriegen, wo wir beim Kampf für eine gerechte Welt im echten Sozialismus ansetzen müssen, welche Klarheit wir auch unter den Menschen schaffen müssen.

Die MLPD hat eine immer wieder aktualisierte Internet-Seite, auf der zu den wichtigsten tagesaktuellen Themen Stellung genommen wird: www.rf-news.de. Von dieser Seite aus kommen Sie auch zur Homepage der MLPD selbst mit Grundsatzprogramm und weiteren wichtigen Schriften. Auch das Rote-Fahne-Magazin wäre sicher eine gute Orientierung und bietet Anlass für die Auseinandersetzung zu grundsätzlichen Fragen. Die möchte ich Ihnen auch empfehlen auf Ihrer Suche nach einer sozialistischen Partei und einem Ausweg aus dieser grausamen Welt.

Ich hoffe, Sie nicht zu sehr vollgetextet zu haben, und bitte nochmals um Entschuldigung für die späte Reaktion auf Ihren Brief.

Eine Frage am Schluss: Können wir diesen Briefwechsel mit Ihnen auf unserer Homepage www.mlpd-villingen-schwenningen.de ohne Namensnennung veröffentlichen? Ihren ersten Brief haben wir schon ohne zu fragen veröffentlicht, nehmen ihn aber wieder heraus, wenn Sie nicht einverstanden sind. Ich persönlich finde diese Auseinandersetzung auch für andere Menschen interessant.

Mit freundlichen Grüßen

Helmut Kruse-Günter

Antwort vom 07.02.2022

Lieber Herr Kruse-Günter,

vielen Dank für Ihre ausführliche Antwort und die vielen Gedanken. Gerne
stimme ich zu, den bisherigen und aktuellen Briefwechsel ohne
Namensnennung zu veröffentlichen und hoffe, der Austausch inspiriert
auch andere Menschen.

Ich begrüße und teile Ihre Ansicht zur aktiven Haltung. Die Welt muss
verändert werden. Gleichzeitig widerspreche ich aber der Darstellung der
Notwendigkeit der Ideologie, oder wünsche mir dazu weitere Referenzen
von Marx, Engels oder Lenin. Nach meinem bisherigen Verständnis lehnt
Marx Ideologie grundsätzlich ab, da diese als abstrakte und verklärte
Sicht auf die Welt Unrecht erst ermöglicht:

"Meine dialektische Methode ist der Grundlage nach von der Hegelschen
nicht nur verschieden, sondern ihr direktes Gegenteil. Für Hegel ist der
Denkprozeß, den er sogar unter dem Namen Idee in ein selbständiges
Subjekt verwandelt, der Demiurg des wirklichen, das nur seine äußere
Erscheinung bildet. Bei mir ist umgekehrt das Ideelle nichts andres als
das im Menschenkopf umgesetzte und übersetzte Materielle." - MEW, Bd.
23, S. 27

Nur durch eine materalisitische Weltsicht auf die Dinge kann Unrecht
aufgedeckt und effektiv bekämpft werden. Gleichzeitig finde ich Ihren
Gedanken sehr spannend, ob eine Ideologiefreiheit überhaupt möglich,
erstrebenswert oder Ideologie notwendigerweise bei jeder Sicht vertreten
ist. Nur ist für den Sozialismus die Sicht des Einzelnen, die Ideologie,
nicht dennoch abzulehnen und in der Gesellschaftlichen Sicht durch eine
marxistische Sicht zu ersetzen, die klar Unrecht benennt?

Auch sehe ich die Gründe der katastrophalen Wahlergebnisse der MLPD
vielfältig, aber auch selbstverschuldet. Natürlich gibt es externe
Faktoren wie die Berichterstattung. Und wenn diese Tatsache nicht
bekannt wäre, wäre dies eine unvermeidbare Benachteiligung. Es ist doch
aber vor jeder Wahl bewusst, dass die Darstellung sozialistischer
Parteien negativ ist. Und es ist auch bekannt, dass die Demokratie durch
Meinungen gemacht wird. Doch wieso geht die MLPD nicht in eine aktive
Rolle, einen erfolgreichen Weg zu suchen, um eine Alternative für unsere
Kinder und unsere Welt zu schaffen? Wieso akzeptiert die MLPD nicht die
realen Begebenheiten und schafft auch mit polulären Meinungen die
Grundlage für eine sozialistische Gesellschaft? Ist denn die
ideologische Überzeugung und Reinheit wichtiger als der reale Sieg des
Sozialismus?

Ich sehe heute wie nie den offensichtlichen Handlungsbedarf in der
Gesellschaft, Unrecht zu reduzieren. Es gibt so viele positive Themen,
wie Vielfalt, soziale Gerechtigkeit oder Nachhaltigkeit, bei der die
junge Generation verzweifelt eine Stimme der Repräsentation sucht. Und
alle Zeichen zeigen doch auf die Ursache im kapitalistischen System.
Alle Zeichen zeigen, dass der Klassenkampf, der Konflikt zwischen
Unterdrücktem und Unterdrücker die Ursache ist für die strukturelle
Ungerechtigkeit in der Gesellschaft. Und dafür wünsche ich mit eine
starke MLPD - mit modernen und positiven Inhalten. Und mit einer
Grundhaltung, Gerechtigkeit zu verteidigen. Ganz bewusst durch Vielfalt
und durch radikale Akzeptanz der aktuellen Bedürfnisse der Nöte von
heute und morgen.

Und da ist glaube ich auch meine primäre Enttäuschung - in der
Zielsetzung der MLPD. Ich glaube nicht, dass die Arbeiterklasse und die
Jugend eine Hilfe braucht, den richtigen Weg zu finden. Propheten und
Ideologien gibt es genug. Weisheit und Wahrheit kann man an jeder Ecke
kaufen. Der Sozialismus vertritt die Interessen der Menschen, dazu muss
der Mensch in den Mittelpunkt der Partei. Ich denke nicht, dass es
erfolgreich ist zu belehren, sondern zuzuhören, zu verstehen und mit
einem guten Herzen zu unterstützen.

Wenn ich für mich sprechen darf, brauche ich eine starke, revolutionäre
Partei, die das Ziel versteht, radikal die Realität akzeptiert und den
Weg gestaltet, startegisch und vorausschauend, so wie Lenin, so wie die
großen Revolutionäre. Durch die Erfolglosigkeit verspielt die MLPD die
Zukunft unserer Kinder im gleichen Maße. Schon Marx hat das
Profitstreben im Kapitalismus verstanden, aber seinen Erfolg
unterschätzt und eine sozialistische Zukunft herbeigeträumt. Der
Kapitalismus ist aber ungleich robuster und anpassungsfähiger, als von
Marx beschrieben. Und was ist die Alternative, diesem unendlichen
Streben entgegenzusetzen? Was ist das robuste Ziel des Sozialismus,
welches erfolgreich einen nachhaltigen Weg bestreiten kann gegen den
Kapitalismus? Und was ist der Weg, dieses Ziel zu erreichen?

Ich danke für die vielfältigen Ressourcen und entschuldige mich für
meine emotionalen Worte. Mich bewegt der unaufhaltsame Wandel der Welt
und ich glaube an eine bessere Zukunft. In der eigenen Hilflosigkeit
suche ich nach Wegen, begeistere mich für Ihre Arbeit und bringe meine
Enttäuschung zum fehlenden Erfolg zum Ausdruck. Ich habe ein Bild einer
Zukunft im Kopf, welches ich gerne erleben würde, doch sehe ich keinen
Weg. Und da wünsche ich mir eine Partei mit einem starken Fokus, nicht
auf den Verbot der Verstreuung für die Jugend, sondern auf den Kampf für
Gerechtigkeit für die Jugend, für den Sozialismus, für eine gerechte
Welt.

Liebe Grüße

Antwort vom 13.03.2022 von Helmut Kruse-Günter

Lieber ,

ich rede Sie ohne zu fragen mit Du an, was auf Gegenseitigkeit beruhen kann. Meine Antwort kommt jetzt wieder sehr spät, und es wird sicher keine Antwort auf alle Fragen. Ich bin schon der Meinung, dass Du Dich mal konkreter mit den Ansichten der MLPD befassen solltest. Dann wird vermutlich auch die eine oder andere Frage geklärt, vielleicht treten auch neue Fragen auf, aber das kann nur gut sein. Wir haben in der Partei festgestellt, dass unter den Menschen heute eine große Verwirrung herrscht über die Politik und wohin das führt, bzw. was man machen kann oder muss, wenn man nicht damit einverstanden ist. Der Krieg in der Ukraine, angefangen vom Imperialisten Putin, aber auch provoziert durch die Politik der Osterweiterung durch die nicht weniger imperialistische NATO mit den USA an der Spitze und die EU als wirtschaftlicher Block, der den wirtschaftlichen Interessen Russlands gegenüber steht, wühlt uns alle enorm auf. Hier muss Klarheit geschaffen werden. Denn der Krieg ist die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln. Auf der Internet-Seite www.rf-news.de kannst Du den Standpunkt der Partei dazu lesen. Inzwischen gibt es vier Erklärungen des ZK dazu (ein Stück runter-scrollen). Stefan Engel, den Du nicht magst, wie Du früher mal geschrieben hast, ist auch ein ZK-Mitglied, früherer Parteivorsitzender. Doch das ZK setzt sich bei uns aus vielen kompetenten Genossen zusammen. In Russland scheint nach unserer Medienberichterstattung alleine Putin zu sagen, wo es lang gehen soll. Aber auch dort stehen z.B. die Oligarchen, oder mindestens ein Teil von ihnen, hinter ihm. Die haben aber Macht-Interessen. Die Mitglieder des ZK der MLPD vertreten die Interessen der arbeitenden Bevölkerung, auch derer in den anderen Ländern. Denn wir sind Internationalisten.

Noch zu einzelnen Punkten aus Deinem Brief:

1. Marx lehnt den Idealismus Hegels ab und macht deutlich, dass die Materie das Ursprüngliche ist. Die Ideologie ist die Weltanschauung. Die proletarische Weltanschauung ist der dialektische und historische Materialismus. Das wird von Marx und Engels so herausgearbeitet. Natürlich kann in einer Gesellschaft nicht die Ideologie eines Einzelnen bestimmend sein. Heute meinen z.B. die Corona-Leugner, die Freiheit für sie bestehe darin, dass sie machen können, was ihnen passt. Die Freiheit im Engels‘schen Sinne ist aber die Einsicht in die Notwendigkeit. Engels sagte auch, dass es wirkliche Freiheit erst in einer Gesellschaft geben kann, die frei ist von Ausbeutung und Unterdrückung, wo dann tatsächlich jeder entsprechend seinen Möglichkeiten seinen Anteil leisten kann an der Entwicklung der Gesellschaft. Das ist im Kapitalismus nicht möglich. Da wird jeder Arbeiter/Angestellte gezwungen das zu tun, wofür er vom Kapitalisten bezahlt wird.

2. Die Demokratie wird nicht durch Meinungen gemacht. Im Kapitalismus werden die Meinungen der Kommunisten unterdrückt. Natürlich wissen wir das. Wir nutzen die Wahlen auch nur dazu aus, unsere Ansichten breit unter den Menschen zu diskutieren. Das kann man bisher noch in Wahlkampfzeiten. Im Faschismus wird das nicht mehr möglich sein.

3. Der Sozialismus kann nicht dadurch besser „verkauft“ werden, indem man ihn mit populären Meinungen verbreitet. Heute ist es so, dass „Die Linke“ als Partei aus opportunistischen Gründen nicht mehr den Sozialismus als Ziel anstrebt, wenn, dann ist es bestenfalls ein „demokratischer“ Sozialismus. Aber wodurch unterscheidet sich dieser vom wirklichen Sozialismus? Dadurch, dass er vorgibt, im „demokratischen“ Kapitalismus könne man durch Reformen den Sozialismus erreichen – eine reine Illusion. Gerade dazu, zu solchen opportunistischen Ansichten, ist vor Kurzem ein neues Buch erschienen: „Die Krise der bürgerlichen Ideologie und des Opportunismus“ von Stefan Engel (als verantwortlichem Autor, mitgearbeitet haben, wie auch an früheren Büchern von ihm, zig Menschen, auch aus ausländischen marxistisch-leninistischen Parteien). Als erstes in der Reihe „Die Krise der bürgerlichen Ideologie und die Lehre von der Denkweise“ erschien im vergangenen Jahr das Buch „Die Krise der bürgerlichen Ideologie und des Antikommunismus“. Beide Bücher sind sehr zu empfehlen und erfrischend polemisch gegen die bürgerliche Ideologie und ihre Philosophen.

Die Bücher kannst Du in jeder Buchhandlung bestellen.

4. Du bist von der MLPD enttäuscht, weil Du den Eindruck hast, sie wolle die Arbeiterklasse und die Jugend „belehren“. Es geht nicht um belehren, sondern darum, den Menschen, die auch dazu bereit sind, zu helfen, ihre Erfahrungen richtig zu bewerten vom proletarischen Standpunkt aus. Tatsächlich ist es doch so, dass über die bürgerliche Meinungsmanipulation den Menschen eingeredet wird, alles sei richtig, so wie es laufe, und wenn es ihnen dreckig gehe, dann seien sie selbst schuld. Wie sollen die Menschen denn von alleine darauf kommen, wie der Kapitalismus funktioniert, dass er auf Ausbeutung des Menschen durch den Menschen beruht? Für diese Erkenntnis hat Karl Marx sein Leben lang geforscht. Der Krieg in der Ukraine – ist er vom Himmel gefallen, und wir können nur beten, dass er aufhören möge?

Wir sind der Meinung, dass mit einer materialistischen Analyse Klarheit geschaffen werden kann über den Lauf der Geschichte und auch Klarheit darüber, dass der Sozialismus die nächste Stufe in der gesellschaftlichen Entwicklung ist. Wenn uns nicht die Kapitalisten vorher in den Abgrund einer lebensunwerten Welt ziehen.

Darüber lohnt es sich auseinander zu setzen. Das geht aber nur, indem Du auch gründlich unsere Literatur studierst und! Mit Genossen darüber diskutierst. Ich weiß ja nicht, wo Du wohnst, aber Du kannst über die Homepage www.mlpd.de auch herausfinden, wo die nächste Ortsgruppe der MLPD ist. Dorthin kannst Du Dich wenden für weitere Auseinandersetzungen.

Ich kann, das siehst Du an meiner späten Antwort, nicht auf alles eingehen. Wenn Du hier in der Nähe wohnst, würde ich mich freuen, wenn Du Dich auf diese Art an uns wendest und auch persönlich „von face to face“ mit uns diskutierst.

Herzliche Grüße

Helmut