90 Jahre Mössinger Generalstreik
Stolz auf das „Rote Mössingen“
“Doch das war richtig zu streiken, heute muss man wieder wachsam sein, dass so was nicht wieder kommt..., wenn Faschismus... , dann bin ich dabei nochmal zu demonstrieren, aktiv, in vorderster Reihe.“ Eugen Ayen als Aktiver im Streik im Dokumentarfilm von Jan Schütte, 1983
Vor 90 Jahren rief die KPD zum Massenstreik zur Verhinderung der faschistischen Diktatur auf. Aber es gelang nicht mehr, in letzter Minute eine feste Einheitsfront aller Arbeiter zu schaffen und eine umfassende Streikaktion auszulösen. Einzig in Mössingen: 800 Arbeiterinnen und Arbeiter in der Gemeinde mit 4000 Einwohnern gingen unter Führung der KPD und der örtlichen Gewerkschaften auf die Straße, um gegen die Machtübernahme Hitlers zu protestieren. Die drei großen Fabriken von Mössingen sollten bestreikt werden. Die Belegschaften wollten auf alle Fälle einen Anfang machen, waren gut organisiert und zogen mit Fahnen, Transparenten, Trommler- und Pfeiferkorps vor und in die Firmen Pausa, Merz und Burkhardt. Sie erreichten die Stilllegung der Produktion bei Pausa und Merz. Der Streikaufruf war reichsweit erfolgt, aber eine vergleichbare Aktion ist nirgendwo bekannt. So blieb der Mössinger Generalstreik isoliert und konnte niedergeschlagen werden.
In Mössingen gibt es von 1933 bis heute einen polarisierten Kampf um die Anerkennung der besonderen antifaschistischen Rolle des „roten Mössingen“. Nach jahrzehntelangem Totschweigen und antikommunistischen Attacken von örtlichen Reaktionären wird die volle Berechtigung des Generalstreiks der antifaschistischen Kräften anerkannt. Und trotzdem wird dieser historische Erfolg immer wieder auch antikommunistisch angegriffen.
Zu Ehren der mutigen Kämpferinnen und Kämpfer wurden Dokumentationen, Theaterstücke unter breiter Beteiligung der Mössinger, ein Buch, dessen Neuauflage und vieles mehr erreicht, um die Anerkennung des breiten antifaschistischen Kampfes zu erreichen.
Und heute?
Der Politische Streik als Mittel des Kampfs gegen die Abwälzung der Krisen- und Kriegslasten ist notwendig - so wie in Frankreich gegen die Rentengesetze. Aber das ist in Deutschland verboten. Hier darf nur in Tarifauseinandersetzungen gestreikt werden. Die Arbeiter sind die entscheidende Kraft gegen die Macht der Konzerne und ihrer Regierungen, gegen die Vernichtung von Arbeitsplätzen, wie aktuell bei Ford oder gegen die weltweite faschistische und Kriegsgefahr. Wir fordern deshalb ein vollständiges und allseitiges gesetzliches Streikrecht
Den Streikenden 1933 war klar, Hitler bedeutet imperialistischer Krieg. Heute besteht erneut eine akute Weltkriegsgefahr. USA / NATO / EU auf der einen Seite und Russland auf der anderen Seite rasen im Ukrainekrieg wie zwei ICE-Züge mit ihrer Aufrüstung und ihrem Atomwaffenarsenal ungebremst aufeinander zu. Gegen den von beiden Seiten ungerechten Krieg ist eine neue Friedensbewegung notwendig. Dafür haben die Arbeiter eine besondere Verantwortung.
Dass 1933 die Arbeiterbewegung gespalten war, ist eine wesentliche Ursache für die Niederlage gegen den Faschismus. Schon vor 1933 lehnten SPD- und Gewerkschaftsführung Aufrufe der KPD zur gemeinsamen Aktion gegen den drohenden Faschismus ab. Sie unterschätzten die Entwicklung und verhinderten die notwendige Einheitsfront. Auf Seiten der KPD war eine Ursache für das Scheitern der Einheitsfront gegen den Hitler-Faschismus die schädliche sektiererische „Sozialfaschismustheorie“. Als 1929 der sozialdemokratische Polizeipräsident Zörgiebel auf die 1.-Mai-Arbeiterdemonstration in Berlin schießen ließ und 33 Teilnehmer starben, war es berechtigt, Zörgiebel als „Sozialfaschisten“ zu bezeichnen, nicht aber die ganze SPD-Mitgliedschaft.
An der Basis haben Arbeiter trotzdem die Zusammenarbeit entwickelt. So begann z. B. in Tübingen ab Sommer 1932 im Wahlkampf die Zusammenarbeit zwischen SPD orientierten Gewerkschaften und der KPD. In Mössingen haben die Arbeiter mit Arbeiterkultur und Arbeitersport eine enge und äußerst vertrauensvolle Zusammenarbeit im ganzen Ort, in vielen Vereinen entwickelt, zusammen mit Handwerkern und Bauern, die den Streik ermöglicht und mitgetragen haben. So konnten sie sich in der gemeinschaftlich errichteten Turnhalle am Vorabend des Generalstreiks versammeln.
Bitter war, dass sich Sozialdemokraten, Christen, Kommunisten und Juden in Gefängnissen und KZs wieder getroffen haben. Und dort haben sie engstens zusammengehalten und zusammengearbeitet. Auch heute, in einer Situation der akuten Gefahr eines Dritten Weltkriegs und der globalen Umweltkatastrophe, ist die Zusammenarbeit zwischen allen, die ernsthaft gegen diese drohenden Katastrophen vorgehen wollen, wichtig. Eine neue Friedensbewegung muss sich gegen alle Imperialisten richten.
Wer konsequent gegen die weltweit vorhandene faschistische Gefahr vorgehen will, muss organisiert gegen Kapitalismus und Imperialismus um eine gesellschaftliche Perspektive kämpfen. Der Kapitalismus ist nicht reformierbar, wie uns Politiker verschiedener Richtungen einreden wollen.
Die einzige wirkliche Alternative ist der echte Sozialismus, von dem auch viele Mössinger Kämpfer und Kämpferinnen voll überzeugt waren. Diese Tradition müssen wir unbedingt ernst und uns zum Vorbild nehmen.
Kommt zur Demonstration „90 Jahre Generalstreik Mössingen“ am 28. Januar, 14 Uhr, Rathaus Mössingen. Um 16 Uhr findet eine Kundgebung an der Langgassturnhalle statt.