Leseprobe

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Entstehung einer neuen Bourgeoisie trotz Warnungen vor Bürokratismus

»Gegen die wachsende Gefahr des Bürokratismus im Partei-, Staats- und Wirtschaftsapparat wandten sich Lenin und Stalin in zahlreichen Reden und Aufsätzen. Bereits auf dem X.Parteitag der KPdSU vom 8. bis 16. März 1921 warnte Lenin vor der drohenden Gefahr des kleinbürgerlichen Bürokratismus …

Auch Stalin hatte die Gefahr des wuchernden Bürokratismus erkannt und stemmte sich in Reden und Zeitungsartikeln konsequent dagegen …

Es hat also nicht an Hinweisen und Warnungen der großen Führer der Oktoberrevolution – Lenin und Stalin – gefehlt.Aber der innere kleinbürgerliche Zersetzungsprozeß wurde stärker, und der Klassenkampf in der Sowjetunion verschärfte sich. Unter Stalin wurde der ideologisch-politische Kampf vernachlässigt und auf die Mobilisierung der Arbeiter und armen Bauern verzichtet. Der Einsatz des Staatssicherheitsapparates war kein Ersatz für die Verlagerung des Klassenkampfes in der Sowjetunion von unten nach oben, von den breiten Massen auf den Apparat.

Stalin versicherte, daß die kapitalistischen Elemente in der Sowjetunion liquidiert seien. Das traf im großen Ganzen wohl zu, darin liegt nicht sein Fehler, sondern darin, daß er nicht erkannt hatte, daß sich in den Reihen der Partei eine neue Bourgeoisie verbreitete, eines Typs, den es noch nie gegeben hatte. Diese Bourgeoisie neuen Typs entstand durch die kleinbürgerlich entartete Bürokratie, durch Privilegien, Aufhebung des Parteimaximums, damit Freigabe hoher Gehälter, Förderung des Karrieretums, Unterdrückung ehrlicher Kritik von unten, falsche Machtausübung verbunden mit Übergriffen usw.

Lenin starb im Januar 1924 und Stalin im März 1953, seitdem entwickelte sich der kleinbürgerliche Bürokratismus rapide und erfaßte – was besonders verhängnisvoll war – selbst die Führung der KPdSU.«

Sozialismus am Ende?, 1992, S. 28–31