Leseprobe
Vorwort
Das vorliegende Buch "Gewerkschaften und Klassenkampf" basiert auf der gleichnamigen Ausarbeitung, die 1973 im Theoretischen Organ der MLPD, REVOLUTIONÄRER WEG 11 und 12, veröffentlicht wurde.
Zweifellos haben sich seit dieser Zeit die Bedingungen zur Führung der Kämpfe der Arbeiter und zur Entwicklung des Klassenkampfes wesentlich verändert: Die Strukturkrise der kapitalistischen Wirtschaft, die damals noch nicht als solche erkannt werden konnte, prägt heute das Vorgehen der Monopole und hat Auswirkungen auf die Kämpfe der Arbeiter. Standen 1973 Forderungen nach Lohnerhöhungen und die Erkämpfung von Teuerungszulagen gegen die Preissteigerungen im Mittelpunkt, so sind es heute, unter den Bedingungen der Massenarbeitslosigkeit, vor allem Kämpfe zum Erhalt der Arbeitsplätze unter der zentralen Forderung der 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich.
Die damalige SPD/FDP-Regierung wurde 1982 durch die Regierung von CDU/CSU und FDP ersetzt. Fast alle der ultra"linken" Gruppierungen, die damals Verwirrung unter den Arbeitern stifteten und nicht wenige vom Marxismus-Leninismus ab stießen, sind in der Zwischenzeit eingegangen oder haben sich selbst aufgelöst, ohne daß damit jedoch die entsprechenden Ideen aus der Welt geschafft wären.
Neue Fragen, wie die Umweltkrise oder die Gefahr eines atomaren Infernos, flossen in die Arbeiterbewegung ein. Die vielleicht wesentlichste Veränderung besteht darin, daß sich im Zusammenhang mit den Kämpfen der Arbeiter die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) gründen und entwickeln konnte und die Perspektive des Sozialismus in die Kämpfe hineintrug. Entspricht aufgrund dieser Veränderungen die vorliegende Ausarbeitung nicht mehr dem aktuellen Stand Das trifft mit Sicherheit nicht zu! Die Ausarbeitung wurde 1973 erstellt, um den im allgemeinen noch jungen und unerfahrenen Mitgliedern der revolutionären Organisation die Grundsätze marxistisch-leninistischer Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit deutlich zu machen und sie zum Parteiaufbau zu befähigen. Diese Grundsätze gelten heute im gleichen Maß und sind angesichts der Entwicklung der Kämpfe (zum Beispiel Duisburg-Rheinhausen) in gewissem Sinn noch wichtiger als 1973.
Die Frage der Entwicklung und Herausbildung der Arbeiteroffensive entscheidet sich nicht nur am spontanen Kampfwillen der Arbeiter. Im Gegenteil, unter den heutigen Bedingungen können die bürgerlichen Medien, Presse und vor allem Fernsehen, gezielt für Verunsicherung sorgen. Um dem zu begegnen und Klarheit in die Köpfe zu bringen, ist es erforderlich, sich sowohl die historischen Zusammenhänge als auch die grundlegenden Erfahrungen in den letzten Jahren vor Augen zu führen. Dazu soll dieses Buch einen Beitrag leisten. Aus diesem Grund wurden die angeführten Beispiele aus den siebziger Jahren im wesentlichen so belassen und an einigen Stellen mit Fußnoten versehen. Anhand der 15 Jahre Kampferfahrung, die dazwischenliegen, werden so die aufgeführten Grundfragen um so deutlicher und nicht durch unmittelbare, spontane Anforderungen "Überlagerte". Dennoch wurde auch der neueren Entwicklung Rechnung getragen: Ein weiteres Kapitel "Vier Jahrzehnte Gewerkschaftskampf und Klassenkampf" wurde neu ausgearbeitet. Darin wird der Zusammenhang der wirtschaftlichen Entwicklung nach dem II. Weltkrieg mit der Entwicklung der Arbeiterkämpfe (bis 1988) untersucht und Entwicklung und Verlauf der bedeutendsten Kämpfe der siebziger und achtziger Jahre genauer geschildert. Auch dieses Kapitel kann aber nicht die Notwendigkeit ersetzen, unter Berücksichtigung der Erfahrungen der Arbeiterbewegung, in der Festlegung und Durchführung einer konkreten Kampftaktik jeweils den eigenen Kopf zu gebrauchen.
Neben dieser Ergänzung und einzelnen Veränderungen im Text wurde das Buch mit einer Reihe von Abbildungen versehen, um das Verständnis (vor allem der historischen Erfahrungen) zu erleichtern. Die verwendeten Zitate der Klassiker des Marxismus-Leninismus wurden mit Quellenangaben versehen und entsprechend den neuesten Übersetzungen sprachlich korrigiert. Ebenso wurden weitere Zitate soweit sie noch zugänglich waren mit Quellenangaben versehen. Zur besseren Übersicht für den Leser wurden verschiedene Zwischenüberschriften eingefügt.
Stefan Engel
Juli 1988