Leseprobe

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Einleitung

Der zweite Teil der Buchreihe »Die Krise der bürgerlichen Ideologie und die Lehre von der Denkweise« behandelt die wesentlichen Spielarten der bürgerlichen Ideologie seit der Neuorganisation der internationalen kapitalistischen Produktion in den 1990er-Jahren. Angesichts des wachsenden kapitalistischen Krisenchaos und einer weitverbreiteten weltanschaulichen Desorientierung steht dabei die Kritik an den wichtigsten opportunistischen Richtungen der Gegenwart im Vordergrund. Gegen den Opportunismus polemisierte schon Lenin, weil er »die beständigen und dauernden Interessen des Proletariats seinen Pseudo- und Augenblicks­interessen«1 opfert.

Der Opportunismus soll die Arbeiter- und die Volksbewegung vom Klassenkampf und vom wissenschaftlichen Sozialismus abbringen. Er nimmt schädlichen Einfluss auf Teile der internationalen revolutionären und Arbeiterbewegung. Jeder politisch denkende und verantwortlich handelnde Mensch muss sich heute die Frage stellen, wie er zu dem weltumspannenden kapitalistischen System steht. Neben aberwitzigem Reichtum produziert es millionenfaches Elend und setzt die Lebensgrundlagen der Menschheit aufs Spiel. Heult man da mit den Wölfen und beerdigt endgültig den Traum von einer befreiten Gesellschaft, nur weil der Sozialismus durch den revisionistischen Verrat in der Sowjetunion oder in China eine zeitweilige Niederlage hinnehmen musste? Oder verhilft man dem gigantischen Fortschritt wissenschaftlicher Erkenntnisse und praktischer Errungenschaften in der gesellschaftlichen Produktion zum Durchbruch gegen den Sog von Pragmatismus und Opportunismus und schließt sich der notwendigen revolutionären Umwälzung der Gesellschaft an?

Zu den grundlegenden Aufgaben der internationalen marxistisch-leninistischen und Arbeiterbewegung gehört, den wissenschaftlichen Sozialismus im Kampf gegen alle Schattierungen des Opportunismus hochzuhalten und durch die gründliche Auswertung positiver und negativer Erfahrungen weiterzuentwickeln.

Das Buch beginnt mit einer Polemik gegen die Fantasterei des US-amerikanischen Philosophen Francis Fukuyama vom »Ende der Geschichte«. Er brachte den Wunschtraum der Herrschenden zum Ausdruck, dass der Kapitalismus nach dem Zusammenbruch der bürokratisch-kapitalistischen und sozialimperialistischen Sowjetunion und des von ihr abhängigen Wirtschaftsblocks RGW2 1991 ein für alle Mal über den Sozialismus gesiegt hat.

Die allgemeine Krisenhaftigkeit des imperialistischen Weltsystems, der Aufschwung der Arbeiterkämpfe und der Volksbewegungen, die Neuformierung der internationalen marxistisch-leninistischen und Arbeiterbewegung sowie die unübersehbare Suche eines wachsenden Teils der Arbeiterklasse und der Massen nach einer gesellschaftlichen Alternative zeigen, dass die Massen nicht in der kapitalistischen Barbarei untergehen wollen.

Das Buch behandelt im Weiteren den Offenbarungseid des Neoliberalismus. Es zeigt den Scherbenhaufen der bürgerlichen Ökonomie anhand des Krisenmanagements der Regierungen in der Weltwirtschafts- und Finanzkrise 2008 bis 2014 auf. Das katastrophale Krisenmanagement der deutschen Bundesregierung in der Weltwirtschafts- und Finanzkrise nach 2018 in Wechselwirkung mit der Covid-19-Pandemie wird einer scharfen Kritik unterzogen. Dabei werden vor allem seine weltanschaulichen Ursachen untersucht.

Bürgerliches Krisenmanagement ist zur zentralen Aufgabe jeder imperialistischen und kapitalistischen Regierung geworden. Auf der Basis der Unwissenschaftlichkeit und der Prinzipienlosigkeit von Pragmatismus und Positivismus ist es jedoch unmöglich, die gesellschaftlichen Probleme wirklich und nachhaltig zu lösen.

Der weltanschauliche Kampf gegen diese idealistischen und metaphysischen Erkenntnistheorien ist besonders wichtig, weil sie einen negativen Einfluss auf die Bewusstseinsbildung der Massen ausüben: sei es über den bürgerlichen Politikbetrieb, die bürgerlichen Medien, das bürgerliche Erziehungswesen, die Religion oder über die Kultur und die Wissenschaft.

Das Buch vertieft und erweitert die grundsätzliche Kritik am Reformismus, dessen Krise in Deutschland seit dem Scheitern der Schröder/Fischer-Regierung im Jahr 2005 andauerte und sich vertieft hat.

Ebenso werden die Analyse und Kritik an neuen Varianten des Revisionismus wie dem Neorevisionismus des chinesischen Staatspräsidenten und Generalsekretärs der Kommunistischen Partei Chinas Xi Jinping oder der reaktionären idealistischen »Juche-Theorie« von Kim Il Sung in Nordkorea fortgesetzt. Zu diesem Komplex gehört auch die Kritik am illusionären Konzept eines »demokratischen Kon­föderalismus«, das Abdullah Öcalan, der Führer des kurdischen Befreiungskampfs, entwickelt hat. Kritisiert werden zudem die negativen Einflüsse des Postmodernismus, des kleinbürgerlichen Nationalismus und Sozialchauvinismus, des Trotzkismus, des abgehobenen Salonmarxismus sowie weitere kleinbürgerlich-pseudo-radikale oder anarchistische/antiautoritäre Varianten. Kritisch beleuchtet wird auch der Weg der Partei der Arbeit Albaniens unter Führung Enver Hoxhas zum Revisionismus.

Mit dem Eroberungsfeldzug der Digitalisierung in Produk­tion und Handel sowie in allen Bereichen des gesellschaft­lichen Lebens wuchs eine ganze Reihe bürgerlicher und kleinbürgerlicher Theorien heran. Ein regelrechter Hype entstand um die Digitalisierung. All diese Theorien schaffen neue Illusionen über die kapitalistische Wirklichkeit und stellen sich der Notwendigkeit einer revolutionären Umwälzung der krisenhaften kapitalistischen Gesellschaft hin zum Sozialismus entgegen. Notwendig ist stattdessen eine nüchterne Analyse, wie sich die modernen Produktivkräfte als materielle Vorbereitung des Sozialismus entwickeln und wie sie zugleich massiv ihre destruktive Wirkung im imperialistischen Weltsystem entfalten.

Die Rechtsentwicklung der imperialistischen Regierungen, der bürgerlichen Parteien und ihrer Institutionen hat offen reaktionäre Spielarten der bürgerlichen Ideologie reproduziert oder neue hervorgebracht. Neben dem bürgerlichen Nationalismus machte sich der Neofaschismus mit neuen Organisationen, Formen und Methoden breit. Sie konnten in den letzten Jahren durchaus Einfluss nehmen auf rückständige Teile der Massen, auch unter der Jugend. Größeren Einfluss bekamen diese offen reaktionären Strömungen unter anderem durch Verschwörungstheorien, die heute breite Massen über das Internet direkt erreichen können. In der Gesamtheit kennzeichnet dies eine wachsende Gefahr des Faschismus, der man schon in ihren Anfängen politisch und weltanschaulich entschieden entgegentreten muss.

Der zweite Teil der vierteiligen Buchreihe »Die Krise der bürgerlichen Ideologie und die Lehre von der Denkweise« unter dem Titel »Die Krise der bürgerlichen Ideologie und des Opportunismus« baut auf dem ersten Teil auf, der unter dem Titel »Die Krise der bürgerlichen Ideologie und des Antikommunismus« im April 2021 erschienen ist. Er konkretisiert und erweitert die Analyse der bürgerlichen Ideologie und ihrer krisenhaften Entwicklung und polemisiert wissenschaftlich gegen sie und ihre schädliche Wirkung auf die Arbeiterbewegung. Das Buch zielt als streitbarer Diskussionsbeitrag für die internationale revolutionäre und Arbeiterbewegung auf die Gewinnung der Massen für die proletarische Weltanschauung und auf ihr revolutionäres Handeln. Es entstand in einem organisierten kollektiven Erkenntnisfortschritt der Redaktion REVOLUTIONÄRER WEG.

Stefan Engel, Januar 2022