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Zur Solidarität gehört auch die Auseinandersetzung um die richtige Strategie und Taktik des palästinensischen Befreiungskampfs auf der Grundlage revolutionärer und marxistisch-leninistischer Prinzipien

Ja, jede Bewegung entscheidet selbst über ihre Führung! Aber nein, das schließt keinesfalls eine kritisch-selbstkritische, sachliche, vom Klassenstandpunkt ausgehende Diskussion darüber aus.

In diesem Zusammenhang führen wir eine prinzipielle Kritik an der Hamas und dem Islamischen Dschihad und daran, mit ihnen als eine Art palästinensische Querfront zusammenzuarbeiten. Wir kritisieren entschieden die Forderung, keine öffentliche Kritik an diesen Kräften zu üben, da sie angeblich wesentlicher Teil des palästinensischen Widerstands seien.

Wegen dieser Position gibt es zum Teil heftige Anfeindungen und geradezu absurde Vorwürfe gegen die MLPD. Fälschlicherweise wird sich dabei zum Teil auf Lenin oder Mao Zedong berufen. Da es sich um eine ganze Bandbreite von „Argumenten“ gegen unsere Position handelt, müssen wir etwas ausführlicher darauf eingehen. Das bedeutet keinesfalls, dass wir diese Frage der prinzipiellen Ablehnung der zionistischen Politik überordnen.

Zunächst ist festzustellen, dass es sich bei Hamas und Islamischem Dschihad nicht – wie bei Lenin oder Mao Zedong behandelt – um Vertreter der nationalen Bourgeoisie, der liberalen Bourgeoisie, der reformistischen Bourgeoisie oder konservativer Kräfte im nationalen Befreiungskampf handelt.

Warum bezeichnen wir Hamas und Islamischen Dschihad als faschistisch? Die in der revolutionären Bewegung am meisten verwendete Qualifizierung des Faschismus ist die von Georgi Dimitroff, dem damaligen Generalsekretär der Kommunistischen Internationale: Faschismus ist die Diktatur der „reaktionärsten, am meisten chauvinistischen, am meisten imperialistischen Elemente des Finanzkapitals. … Das ist mittelalterliche Barbarei und Bestialität, zügellose Aggressivität gegenüber den anderen Völkern“. ¹⁸

Die sozioökonomische Grundlage des Faschismus ist die Kombination der Monopolherrschaft des Finanzkapitals¹⁹ mit feudalen Elementen. Dass dies auf die Hamas zutrifft, belegt ihre ideologisch-politische Ausrichtung und Politik und in wessen Interesse sie arbeiten: Diese Organisationen sind faschistische Instrumente unter Kontrolle besonders aggressiv auftretender neuimperialistischer Länder.

Dieser Qualifizierung als faschistisch wird in der internationalen Bewegung besonders oft widersprochen. Manche sagen: Taktisch kann man zusammenarbeiten, auch bei strategisch unterschiedlichem Ziel.

Doch: Eine Zusammenarbeit mit Faschisten, den Todfeinden der Arbeiterbewegung, darf es weder taktisch noch strategisch geben. Alle faschistischen Organisationen, auch die islamistisch verbrämten, gehören verboten. Hamas und Islamischer Dschihad sind seit ihrer Gründung Teil einer länderübergreifenden, auf der Scharia aufbauenden reaktionären, faschistischen Richtung. Sie agiert als verlängerter Arm, wird finanziert durch neuimperialistische Länder wie Iran, Katar, Türkei und Saudi Arabien und konnte erst dadurch eine weltweite Relevanz bekommen.

Angefangen als palästinensischer Zweig der ultrareaktionären Muslimbruderschaft wurde die Hamas zunächst von Israel und den USA als reaktionäres Gegengewicht zur PLO finanziert. Die Muslimbruderschaft hat auch in Ägypten und Tunesien viele fortschrittliche Menschen und Revolutionäre auf dem Gewissen. Die Hamas vertritt weltanschaulich faschistische Positionen.

Sie hat zwei programmatische Grundlagen: die Charta von 1987/88 und das Strategiedokument von 2017.

Sie erklärt in der Charta: „Die islamische Widerstandsbewegung ist ein Zweig der Muslimbruderschaft in Palästina.“ Sie fordert uneingeschränkte Huldigung und droht: „Wer hier ihr Recht abspricht und es versäumt, sie zu unterstützen oder verblendet ist und sich dementsprechend bemüht, ihre Rolle zunichte zu machen, der fordert das Schicksal heraus.“ Das strategische Ziel ist eindeutig antisemitisch und rassistisch gegen „die Juden“ gerichtet und die Charta schreibt unter Bezug auf den Propheten: „Die Stunde wird kommen, da die Muslime gegen die Juden so lange kämpfen und sie töten, bis sich die Juden hinter Steinen und Bäumen verstecken.“

Und weiter: „Die Palästina-Frage kann nur durch den Dschihad gelöst werden … Denn Palästina ist islamischer Boden“. Feudal ist auch
die „bedeutende“ Rolle, die den Frauen zugewiesen wird: „ … in der Führung des Haushalts und der Unterweisung der Kinder … in Vorbereitung auf deren Rolle als Dschihad-Kämpfer.“

Der palästinensischen Nationalbewegung wird Solidarität und Unterstützung zugesagt, sofern sie antikommunistisch ausgerichtet ist und sich nicht „dem kommunistischen Osten“ anschließt: „Sie (die Feinde) stecken ebenso hinter der Französischen Revolution wie hinter der Kommunistischen Revolution und den allermeisten Revolutionen“.

Das entspricht fast wortgleich der faschistischen Propaganda von der „jüdisch-bolschewistischen Weltverschwörung“.

Und als weitere Trennungslinie wird klar gezogen: Jede „säkulare Ideologie widerspricht gänzlich unserer religiösen Ideologie“. ²⁰
Das Strategiepapier von 2017²¹ macht ausführlichere Darlegungen zu Toleranz, Menschenrechten und Zusammenarbeit auch mit anderen Religionen. Es dient aber ausdrücklich nicht als Ersatz der Charta, sondern passt sich dem veränderten Zeitgeist an. Es gehört heute zum besonderen demagogischen Betrug verschiedener imperialistischer und faschistischer Kräfte, sich wegen der Konkurrenz zu anderen Imperialisten als antiimperialistisch zu bezeichnen.

Das benutzt der Iran, um sich als antiimperialistisch gegen die USA zu bezeichnen. Das benutzt auch der deutsche Imperialismus gegen Russland, Putin wiederum gegen die NATO.

Wer bei Lenin und Mao Zedong wirklich nachliest, wird fest stellen, dass beide klare proletarische Prinzipien für den nationalen Befreiungskampf vertreten haben. Lenin entwickelte für die Arbeiterklasse unmissverständliche Kriterien für ein zeitweiliges Bündnis mit der nationalen Bourgeoisie im nationalen Befreiungskampf.

Dafür stellte er drei grundsätzliche Bedingungen:

Erstens muss gewährleistet sein, dass die bürgerlichen Befreiungsbewegungen „wirklich revolutionär sind, wenn ihre Vertreter uns nicht hindern, die Bauernschaft und die breiten Massen der Ausgebeuteten in revolutionärem Geist zu erziehen und zu organisieren. Sind dagegen diese Bedingungen nicht vorhanden, so müssen die Kommunisten in diesen Ländern die reformistische Bourgeoisie bekämpfen ...“ ²²

Zweitens ist nur der Kampf der Bourgeoisie einer unterdrückten Nation gegen die unterdrückende fortschrittlich und nutzt dem Proletariat. Aber jeder Kampf der Bourgeoisie (auch der eigenen) um nationale Vorrechte, Privilegien gegenüber anderen Nationen ist reaktionär und muss vom Proletariat prinzipiell bekämpft werden.

Und drittens dürfen die Kommunisten nicht mit den bürgerlich-nationalen Kräften verschmelzen, sondern müssen „unbedingt die Selbständigkeit der proletarischen Bewegung – sogar in ihrer Keimform – wahren“. ²³

Diese Leitlinien Lenins sind allgemeingültig.

Nicht die kritische Diskussion über Hamas oder Islamischer Dschihad, sondern das Aufgeben revolutionärer Prinzipien fällt dem Kampf um nationale und soziale Befreiung des palästinensischen Volks in den Rücken und verstößt gegen den proletarischen Internationalismus.

Bei der heutigen multipolaren Welt können wir nicht metaphysisch herangehen, nach einem Schwarz-Weiß-Muster. Wir müssen dialektisch herangehen, von der marxistisch-leninistischen Analyse der multipolaren Widersprüche auf der Welt und des proletarischen Klassenstandpunkts.

In der Broschüre „Über die Herausbildung der neuimperialistischen Länder“ von 2017 schrieb Stefan Engel:

„Es ist sozialchauvinistisch, sich unter der Flagge revolutionärer Gesinnung bei zwischenimperialistischen Widersprüchen oder gar Kriegen auf die Seite des einen oder anderen Imperialisten zu schlagen. Die Arbeiterklasse, die unterdrückten Massen und die Revolutionäre der Welt müssen gegen ausnahmslos jede Art von Imperialisten kämpfen!“ ²⁴

Eine Fehleinschätzung in Bezug auf ihre Bündnispartner haben die iranischen Kommunisten nach der Revolution 1979 mit dem Blut Tausender Revolutionäre bezahlt. Sie haben zeitweilig den islamistisch verbrämten Faschisten Khomeini in seiner Stoßrichtung gegen den Schah und die USA unterstützt und mit ihm gar als „antiimperialistisch“ zusammengearbeitet.

Nach dem „Sieg“ über den Schah setzte ein blutiges Gemetzel gegen Kommunisten und jede demokratische Regung ein. Heute wird diese „Einheitsfront“ einhellig von iranischen Revolutionären als tödlicher Fehler beurteilt. Das ist eine ernste und blutige Mahnung an alle, die denken: Die revolutionäre Bewegung ist schwach, die Hamas hat, ob es uns gefällt oder nicht, die Führung inne. Oder: In Gaza gibt es nicht die Möglichkeit, sich die Organisation auszusuchen, mit der man kämpft.

Faschisten arbeiten gegen die Interessen der Arbeiterklasse und kennen im Umgang mit ihren Gegnern kein Pardon. Ein Kata-
lysator für die Beschleunigung des Befreiungskampfs kann nie die Zusammenarbeit mit Faschisten sein. Sondern nur der teils mühsame und langwierige, aber letztlich allein zielbringende Aufbau einer revolutionären Partei und die Gewinnung der Arbeiterklasse und breiten Massen für den Kampf um nationale und soziale Befreiung.

Allein das Kriterium „Stellungnahme für Palästina“, ohne jeden Klassenstandpunkt als Maßstab anzulegen, würde heute geradewegs in eine  sozialchauvinistische Verbrüderung mit Erdoĝan oder dem Mullah-Regime im Iran führen.

Völlig richtig schreibt ein Vertreter einer ICOR-Partei aus Afrika an die MLPD: „Wenn wir die Pläne und Ziele dieser Länder (Iran, Türkei und Katar) analysieren, die unter der Kontrolle von Prinzen und Bourgeoisien stehen, die ihr eigenes Proletariat ausbeuten und unterdrücken, multinationale Konzerne kontrollieren,  riesige Kapitalmengen exportieren und Militärstützpunkte in Afrika und anderswo errichten, kommen wir schnell zu dem Schluss, dass das Argument, diese Länder seien antiimperialistisch, jeglichen Klassenbegriff, der das Wesen eines echten antiimperialistischen Kampfs ausmacht, völlig vermissen lässt.

Die türkische Bourgeoisie ist beispielsweise auf dem afrikanischen Kontinent aggressiv präsent und stark in den Bürgerkrieg verwickelt, der im Sudan um die Kontrolle der natürlichen Ressourcen des Landes geführt wird. Es sei daran erinnert, dass die Türkei einen Marinestützpunkt in Somalia unterhält. … Die katarischen Prinzen sind damit nach dem chinesischen Sozialimperialismus eine der drei Bourgeoisien, die am meisten im Sudan investieren. … Es ist eine der größten Lehren der Geschichte, dass die demokratischen und antiimperialistischen Organisationen des palästinensischen Volks – wenn es um Unterstützung und Bündnisse geht – den Klassencharakter aller ihrer Verbündeten unter den gegebenen Umständen berücksichtigen müssen. Es besteht kein Zweifel, dass in diesem regionalen und internationalen Kontext, in dem der israelische Imperialismus in die Offensive geht, das tapfere palästinensische Volk und seine Führer unbedingt auf ihre eigenen Kräfte zählen müssen, natürlich mit der Unterstützung und Hilfe des WELT-Proletariats! …

In diesem Teil der Welt scheren sich der Iran und die Türkei nicht um die wahren Interessen des palästinensischen Volks. Beide Staaten, die von reaktionären Bourgeoisien geführt werden, verteidigen nur ihre eigenen Interessen und versuchen, den Kampf der Palästinenser zu nutzen, um die Pläne des zionistischen Staats Israel zu durchkreuzen, der – eit den letzten 50 Jahren – der Garant der wirtschaftlichen Interessen des US-Imperialismus und des Westens im Allgemeinen im Nahen Osten bleibt.“ ²⁵

Immer wieder wird auch das Bündnis mit der Hamas verglichen mit dem Bündnis der Kommunistischen Partei Chinas mit der Kuomintang. Wir beziehen uns hier besonders auch auf Mao Zedong, da unsere Kritiker in dieser Auseinandersetzung auch aus Organisationen des „maoistischen Lagers“ der revolutionären Weltbewegung kommen.

Die Kuomintang war zwar auch reaktionär, aber eine „komplizierte Partei“, wie Mao Zedong sagte. ²⁶ Sie hatte einen rechten und linken Flügel und sie vereinigte Kräfte der nationalen Bourgeoisie bis zu Vertretern der großen Grundherren, Großbankiers und Großkompradoren. Teile der Kuomintag standen auf Grundlage der national-demokratischen Gedanken von Dr. Sun-Ya Zen, während die Hamas von Anfang an der verlängerte Arm oder das Werkzeug reaktionärer ausländischer imperialistischer Mächte ist. Instrumente anderer Imperialisten als Bündnispartner zu behandeln, zerstört den Befreiungskampf und macht fortschrittliche Kräfte zum Spielball zwischenimperialistischer Konkurrenz.

Etwas anderes als mit Faschisten zu kooperieren ist, dass es auch bürgerliche Bündnispartner geben kann und dass man zwischenimperialistische Widersprüche als indirekte Reserve behandelt. Auch Mao Zedong vertrat die unbedingte Notwendigkeit von Unabhängigkeit und Selbständigkeit in der Einheitsfront und schrieb: „Unser Kurs lautet: Unabhängigkeit und Selbständigkeit in der Einheitsfront, sowohl Einheit als auch Unabhängigkeit.“ ²⁷ 

Er kritisierte entschieden „eine rechte Abweichung“, nach der „die prinzipiellen Unterschiede zwischen der Kuomintang und der Kommunistischen Partei verwischt, eine unabhängige und selbständige Politik im Rahmen der Einheitsfront abgelehnt, … der Kuomintang Zugeständnisse gemacht (werden), … nicht gewagt (wird), die antijapanischen revolutionären Kräfte kühn zu entwickeln und einen ent schlossenen Kampf gegen die Kuomintang-Politik der Bekämpfung und Einschränkung der Kommunistischen Partei zu führen“. ²⁸

Mao Zedong warnte also entschieden vor der Unterordnung der Kommunisten bzw. der Revolutionäre unter bürgerliche oder kleinbürgerliche Kräfte, die in die Niederlage führe.

Wo treten derzeit in Palästina die fortschrittlichen, säkularen demokratischen Kräfte mit einem revolutionären Anspruch in Erscheinung? Wo ist die revolutionäre beziehungsweise marxistisch-leninistische Strategie und Taktik? Wie mobilisieren sie die Massen in ihrer Selbstorganisation und ihrem Kampf gegen die israelische Besatzung? Wie propagieren sie den Sozialismus als Perspektive? Wie gewinnen sie die Massen dafür, entgegen der reaktionären Perspektive, die die Hamas repräsentiert und für die die Massen in Gaza derzeit ja auch kaum aktiv kämpfen? Warum wird der Verzicht auf öffentliche Kritik an der Hamas oder Islamischem Dschihad gefordert? Wo ist die weltanschauliche und politische Auseinandersetzung mit diesen?

Natürlich entscheiden die demokratischen Kräfte selbst über ihren Weg, ihre Strategie und Taktik – das ist ihr gutes Recht. Aber es ist auch unsere Pflicht, uns mithilfe des Marxismus-Leninismus und unserer ideologisch-politischen Linie, den Erfahrungen der Arbeiterbewegung und der konkreten Analyse der konkreten Situation eine Meinung dazu zu bilden und auf Augenhöhe zu diskutieren.

Einige fortschrittliche Kräfte des palästinensischen Widerstands entstammen dem linken Flügel der arabisch-nationalistischen Bewegung. Sie pflegten lange Zeit enge Verbindungen zum China Mao Zedongs, aber auch zu den Revisionisten²⁹ in der Sowjetunion und der DDR. Ohne prinzipielle Aufarbeitung des Revisionismus und des arabischen Nationalchauvinismus werden sie zu einem Anhängsel der Strategie und Taktik der Neuimperialisten. Nationalismus und Chauvinismus sind ein grundsätzlicher Widerspruch zum proletarischen Internationalismus, der geleitet ist vom proletarischen Klassenstandpunkt. Die Zusammenarbeit mit weltanschaulich und in der Praxis faschistischen Kräften lehnen wir als „Querfront“-Politik prinzipiell ab.

Die Querfront wurde von Teilen der Hitlerfaschisten ersonnen. Ziel war damals im Deutschland der 1930er Jahre eine antirevolutionäre Einheitsfront zu bilden. Der Begriff suggeriert, dass es eine gemeinsame Front quer über die unversöhnlichen weltanschaulichen und politischen Gegensätze von Faschismus und Mar-
xismus-Leninismus gebe. Das Ergebnis ist aber eine faschistische Taktik. Gerade angesichts der verbreiteten herrschenden Verwirrung müssen wir uns klar von Faschisten abgrenzen, sie entlarven und bekämpfen, sonst wächst diese Verwirrung noch!

Die „Querfront“-Strategie und -Taktik wird in den letzten Jahren besonders vom russischen Präsidenten Putin, von Faschisten und von Teilen der Revisionisten propagiert. Die Revisionisten gehen in den letzten Jahren rasant dazu über, mit neuimperialistischen Ländern zu kooperieren und diese als fortschrittlichen Gegenpol zu den USA darzustellen. In der bereits genannten Broschüre von Stefan Engel heißt es weiter:

„Auf einer Konferenz der modernen Revisionisten in Münster im April 2017 erkor die DKP Russland sogar zu einer antiimperialistischen
Kraft: „Russland ist zu einer Politik in Gegnerschaft zur NATO gezwungen und agiert damit objektiv antiimperialistisch.“ Diese absurde Logik
kennzeichnet den Übergang des Revisionismus zum offenen Sozialchauvinismus.“ ³⁰

Das führt soweit, dass die DKP in ihrer Zeitung UZ nicht nur Putins Russland, sondern auch China und das Regime des Iran verteidigt. Um die Massen zu gewinnen, agieren die Revisionisten und Neuimperialisten mit neuen demagogischen Narrativen:

So mit dem angeblich klassenlosen „globalen Süden“ Hauptsache gegen den US-Imperialismus“ und als sei eine mulitpolare Welt per se fortschrittlich – auch unter imperialistischen Vorzeichen. Das führt letztlich dazu, Träger der faschistischen „Querfront“-Politik zu werden.

Seit die Neuimperialisten zunehmend offen faschistische Herrschaftsformen wählen, gehen auch die Revisionisten dazu über, das zu verteidigen. Auf internationaler Ebene sind Revisionisten sogar zu wesentlichen Trägern der „Querfront“-Politik geworden. Ihre Weltanschauung ist eine bürgerliche, die ihre bürokratisch-kapitalistische oder sozialimperialistische Herrschaft mit sozialistischen Phrasen verbrämt und den Massen schmackhaft machen soll. Über die Revisionisten wirkt die „Querfront“-Strategie auch auf die revolutionäre Bewegung ein, was eine große Gefahr ist. Hier muss ein klarer Trennungsstrich gezogen werden. Wir demonstrieren ja auch nicht gemeinsam mit der AfD, nur weil sie gegen die Regierung ist.

Andere Revisionisten wie Teile der KP Belgiens fordern gar einen dritten Weltkrieg von China, Russland, Iran und weiteren Ländern, dem angeblich „globalen Süden“, gegen den US-Imperialismus. Mao Zedong hat nie, erst recht nicht in der Zusammenarbeit mit der Kuomintang, auf die weltanschauliche Auseinandersetzung verzichtet oder gar akzeptiert, die kommunistischen Ideen zurückzustellen. Er schrieb: „Die Einheit sehen und nicht auch die andere Seite, die Widersprüche, das wäre zweifellos ein schwerer Fehler. Ist das klar, so sieht man auch, was die bürgerlichen Ultrakonservativen mit ihrer Forderung, den Kommunismus ‚zurückzuziehen‘, im Sinne haben.

Erkennt man nicht, dass es hierbei um einen Despotismus der Bourgeoisie geht, dann ist man ein kompletter Ignorant.“ ³¹

Dass das palästinensische Volk sich auch das Recht nimmt, gegebenenfalls bewaffnet gegen die Besatzung zu kämpfen, ist durch das bürgerliche Völkerrecht bei Besatzung und Angriffskrieg gedeckt. So heißt es in Artikel 51 der UN-Charta in Bezug auf das Selbstverteidigungsrecht:

„Diese Charta beeinträchtigt im Falle eines bewaffneten Angriffs gegen ein Mitglied der Vereinten Nationen keineswegs das naturgegebene Recht zur individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung ...“ ³²

Bezogen auf die Ukraine wird seit zwei Jahren unentwegt wiederholt, dass der bewaffnete Kampf gegen einen Angriffskrieg und Besatzung legitim ist – aber nur wenn es um die Interessen der NATO und der deutschen Rüstungsindustrie geht?

Die geschichtliche Erfahrung ist aber auch ohne diese Paragrafen, dass die imperialistischen Mächte niemals freiwillig bereit sind ihre Macht abzugeben.

Es braucht eine fortschrittliche, revolutionäre Perspektive. In der Vergangenheit wurden von der revolutionären Weltbewegung die revolutionären Volksaufstände, wie die Intifada in Palästina oder der sogenannte „Arabische Frühling“ in den arabischen Ländern, unterstützt. Sämtliche erfolgreiche Revolutionen sowie Volksbefreiungs- und Guerillakämpfe in China, Vietnam oder auch Kuba zielten darauf ab, das Volk zu schützen und unnötige Niederlagen und Opfer zu vermeiden.

Sie zogen eine klare Trennungslinie zum individuellen Terror gegen die Massen. Dagegen werden in der Charta der Hamas ausdrücklich Angriffe ohne Rücksicht auf Opfer unter den Massen verherrlicht: „Wahrlich, ich wünsche mir, für Gott zu kämpfen und getötet zu werden, und wieder anzugreifen und getötet zu werden und nochmals anzugreifen und getötet zu werden.“ ³³

Das ist eine faschistische Strategie und Taktik, die die Massen trifft und auch mutige und selbstlose junge Kämpfer sinnlos opfert. In einer fortschrittlichen säkularen Weltanschauung sind Angriffe ohne nüchterne Einschätzung des nachhaltigen Erfolgs und ohne Rücksicht auf die Opfer anarchistisch und abenteuerlich.

Auch wenn es am 7. Oktober 2023 Angriffe auf militärische Ziele gab, auch Gefechte mit bewaffneten „Zivilisten“, lässt sich nicht leugnen, dass auch faschistische Massaker am 7. Oktober 2023 stattgefunden haben. Wenn diese jetzt geleugnet und als „von Israel inszeniert“ dargestellt werden, so ist dies weder bewiesen noch plausibel. Wie passt es zusammen, dass Israel völlig überrascht und gedemütigt gewesen sei von dem Angriff, aber innerhalb von kürzester Zeit massenhaft verkleidete und inszenierte Massaker an Hunderten Menschen ausgeübt haben soll? Wie passt es damit zusammen, dass Hamas oder Islamischer Dschihad selbst stolz Aufnahmen davon ins Netz stellten? Wie soll, gerade unter strategischen Gesichtspunkten, das überzeugende Bild eines demokratischen, ja sozialistischen Palästina gezeichnet werden, wenn mit solchen Methoden vorgegangen wird?

Unmissverständlich vertrat Mao Zedong, dass es keine Zustimmung zu Massakern oder ultrareaktionärem Antikommunismus geben kann. Er schrieb über diese in der Koumintang:

„Alle(n) jene(n), die es gewagt haben, … Gemetzel … anzurichten, die es wagen, das Grenzgebiet zu unterminieren, die es wagen, fortschrittliche Truppeneinheiten, fortschrittliche Organisationen und fortschrittliche Personen zu überfallen … müssen wir jeden Schlag mit einem Gegenschlag vergelten und dürfen dabei keine Zugeständnisse machen.“ ³⁴

Die schlimmsten Brutalitäten des zionistischen Israel rechtfertigen nicht, selbst mit Angriffen auf die Zivilbevölkerung zu antworten. Man kann nicht alle Menschen in Israel zu Zionisten erklären, die gleichermaßen bekämpft oder gar möglichst getötet werden müssten.

Die Rote Armee unter Stalin verbot selbst nach dem schlimmsten denkbaren Verbrechen der Hitlerfaschisten Vergewaltigungen und Übergriffe der Befreier-Armee gegen die deutsche Zivilbevölkerung.

Lenin beschrieb Situationen, in denen gegen bürgerlichen Terror und Krieg „roter Massenterror“ organisiert werden muss. Das waren aber ausdrücklich zeitweilige Maßnahmen, an eine außerordentliche Situation gebunden:

„Der Terror wurde uns durch den ... Terror des mächtigen Weltkapitalismus aufgezwungen, der die Arbeiter und Bauern an der Kehle gepackt hat, sie würgt und dem Hungertod preisgibt, weil sie für die Freiheit ihres Landes kämpfen.“ ³⁵

Lenin wies darauf hin, dass er ausschließlich „im Interesse der Arbeiter, Soldaten und Bauern“ ³⁶ angewendet werden darf. Und: Die Kommunisten müssen ihn „organisieren und kontrollieren, den Interessen und Bedingungen der Arbeiterbewegung und des allgemeinen revolutionären Kampfes unterordnen“ und „rücksichtslos die ‚lumpenproletarischen Verzerrungen‘“ ³⁷ beseitigen.

Der proletarische Internationalismus erfordert, dass sich die Arbeiterklasse der ganzen Welt und insbesondere die palästinensische und arabische Arbeiterklasse mit der Arbeiterklasse in Israel zusammenschließt. Es wird demgegenüber argumentiert, es gebe keine Arbeiterklasse in Israel, es gebe einen kolonialen Konsens mit den proletarischen Siedlern und es handle sich dort nur um eine künstliche, erfundene Wirtschaft. Das widerspricht der Realität.
Von rund 3,5 Millionen Beschäftigten arbeiten nach Angaben der OECD in Israel über 500 000 in der Industrie, 2,9 Millionen im Dienstleistungsbereich und nur 20 000 in der Landwirtschaft. ³⁸

Aus dem „Dienstleistungsbereich“ gehört aber auch ein großer Teil zur Arbeiterklasse, da dieser beispielsweise den Transportsektor, Müllabfuhr, öffentlichen Dienst, Gastronomie, Hotels und Hausangestellte umfasst.

Zur Arbeiterklasse gehören jüdische, säkulare und arabisch-muslimische Israelis wie Palästinenser. Lenin hob zur Frage der notwendigen länderübergreifenden, internationalen Arbeitereinheit, Einheit der Unterdrückten und der unterdrückten Nationen hervor: Es „müssen die Sozialisten der unterdrückten Nationen auf die vollständige und bedingungslose, auch organisatorische Einheit der Arbeiter der unterdrückten Nation mit denen der unterdrückenden Nation besonders bestehen und sie ins Leben rufen. Ohne dies ist es unmöglich, auf der selbstständigen Politik des Proletariats sowie auf seiner Klassensolidarität mit dem Proletariat der anderen Länder bei all den verschiedenen Streichen, Verrätereien und Gaunereien der Bourgeoisie zu bestehen.“ ³⁹

Liebe Freunde und Genossen!

Was heute weltweite Solidarität bekäme, ist eine neue revolutionäre Intifada. Wir verstehen darunter einen fortschrittlichen Volksaufstand, der sich unter Führung der Arbeiterklasse auf die breiten Massen stützt, an der Arbeitereinheit von jüdischen und arabischen Arbeitern wirkt, den internationalen Zusammenschluss der Arbeiterklasse und aller Unterdrückten sucht.

Sie geht damit einher, eine revolutionäre Partei aufzubauen und zieht eine klare Trennungslinie zu faschistischen Kräften. Das ist auch eine Lehre aus dem „Arabischen Frühling“ in Syrien, Ägypten oder Tunesien. Darin fielen die islamistischen reaktionären und faschistischen Kräfte dem Befreiungskampf in den Rücken, führten ihn in eine Sackgasse und zerstörten ihn.

Wenn ich jetzt recht ausführlich unter marxistisch-leninistischen Kriterien die Strategie und Taktik des palästinensischen Befreiungskampfs darstelle, so steht diese kritische Diskussion keine Minute im Gegensatz zur jederzeitigen praktischen Solidarität mit dem palästinensischen Befreiungskampf. Im Gegenteil, diese Auseinandersetzung dient ihm.

Allein seit dem 7. Oktober 2023 haben wir in Deutschland mindestens 45 Kundgebungen oder Demonstrationen als MLPD initiiert, angemeldet und stets zusammen mit palästinensischen Freundinnen und Freunden organisiert. Außerdem haben wir an mindestens 28 weiteren Großdemonstrationen teilgenommen. Bei einigen Demonstrationen marschierten Repräsentanten von Hamas und Islamischem Dschihad oder anderen faschistischen Kräften mit, in diesem Fall beteiligten wir uns nicht.

In Essen gab es gar eine Demonstration der angeblichen Solidarität mit Palästina, auf der die prägenden Kräfte das strategische Ziel eines islamischen länderübergreifenden Kalifats vertraten. Vorneweg marschierten die Männer, dahinter die Frauen. So etwas verurteilten wir. In Verbindung mit diesen Demonstrationen sind wir aber selbstverständlich auch auf der Straße aktiv, wenden uns breit an die Masse der Bevölkerung und insbesondere an die Arbei-
ter in den Betrieben. Wir erfahren dort großen Rückhalt für unsere Position.

Bei den Demonstrationen wurden mehrfach Flugblätter und Erklärungen des Zentralkomitee der MLPD beschlagnahmt mit dem antikommunistischen Vorwurf der Volksverhetzung wegen der Parole „Solidarität mit dem palästinensischen Befreiungskampf“. Es gab Verhaftungen und Strafanzeigen gegen unsere Genossen,Kundgebungen und Demonstrationen wurden zunächst verboten, die wir uns aber erkämpften. Die Kampagne reaktionärer Kräfte der
deutschen Politik, der BILD-Zeitung oder auch antideutscher Kräfte richten sich ausdrücklich und im Besonderen gegen marxistisch-leninistische Kräfte in der palästinensischen (Solidaritäts-)Bewegung.

In Deutschland haben wir maßgeblich die Spendensammlung „Gaza soll leben“ vorgeschlagen und vorangebracht, mit der schon über 20 000 Euro für Krankenhäuser, Ambulanzwagen und die Un-terstützung eines demokratischen Pressediensts gesammelt und übergeben wurden. In einer der gerade genannten und heftigsten Attacken ausgesetzten Erklärungen des Zentralkomitee der MLPD heißt es:

„Die Perspektive des palästinensischen Volks, aber auch der Werktätigen und der Arbeiterklasse Israels, liegt im echten Sozialismus. Im echten Sozialismus auf der Grundlage der proletarischen Denkweise werden auch nationale Vorbehalte und Differenzen überwunden, wird der Geist der Völkerfreundschaft und internationalen Solidarität nationalistische Einflüsse überwinden. Ein sozialistisches Palästina, in dem Israelis und Palästinenser gleichberechtigt zusammenleben, ist das strategische Ziel des Befreiungskampfs dort.

Eine demokratische Zwei-Staaten-Lösung auf Grundlage des UN-Teilungsplans von 1947, mit Räumung der besetzten Gebiete durch Israel und Abzug der Siedler-Besatzer, kann dabei eine Zwischenetappe sein, wenn sie mit einer sozialistischen Perspektive erkämpft wird. Dabei hat die Schmiedung der Arbeitereinheit zwischen israelischen und palästinensischen Arbeitern eine Schlüsselrolle. Es gilt, diesen Kampf zum Bestandteil der Vorbereitung der internationalen sozialistischen Revolution gegen den Imperialismus zu machen.“ ⁴⁰

Wir laden jeden ein, sich daran zu beteiligen.

Hoch die internationale Solidarität!

Vorwärts zu den vereinigten sozialistischen Staaten der Welt!