2.

2.

Der tiefere Hintergrund des Kriegs liegt im erbitterten Kampf zwischen alten und neuimperialistischen Mächten um die Vorherrschaft im Nahen und Mittleren Osten um Öl, Gas und die geostrategische Lage

Es geht hier nicht um einen Krieg, bei dem Juden gegen Araber kämpfen oder der gar von religiösen Motiven bestimmt ist. Was auf Seiten Israels vordergründig als Krieg gegen die Hamas erscheinen soll, verfolgt in Wahrheit das Ziel eines „neuen Nahen Ostens“ (O-Ton Netanjahu)⁵ Bezweckt wird, dass sich unter anderem die „Golfstaaten einem amerikanisch-israelischen Lager anschließen“.⁶ Israel ist ein imperialistisches Land, das in den letzten Jahren und Jahrzehnten seine eigenständige Rolle erheblich ausbaute. Israels Regierung verfolgt das zionistisch-imperialistische Ziel der Schaffung eines „Großisrael“.

Der US-Imperialismus sieht im Verbund mit zionistischen Kreisen Israel als sein reaktionäres Bollwerk im Nahen Osten an. Gestützt auf sein hoch entwickeltes Militär, den hochgerüsteten Geheimdienst und auf seine ausgeprägten staatsmonopolistischen Strukturen strebt Israel eine imperialistische Führungsrolle im Nahen und Mittleren Osten an. Das steht besonders im Kampf mit im neuimperialistischen Iran. Dass Israel zunehmend eigene imperialistische Interessen, auch gegenüber den USA, verfolgt, wird auch daran deutlich, dass Netanjahu sich über die Appelle führender imperialistischer Vertreter wie Biden, Scholz und Macron, das Völkerrecht zu achten, eiskalt hinwegsetzt. In unserer Broschüre zum Ukraine-Krieg schrieben wir:

„Der Konkurrenzkampf zwischen den USA und China dominiert inzwischen allgemein die zwischenimperialistischen Widersprüche, die sich zugleich multipolar entfalten.“ ⁷

Der Krieg Israels gegen den Gazastreifen ist genau einer dieser multipolaren Widersprüche. Die meisten neuimperialistischen Länder der Region wie Saudi-Arabien, Katar, die Vereinigten Arabischen Emirate, die Türkei und erst recht der Iran hatten in den letzten Jahren immer engere Beziehungen mit dem sozialimperialistischen China und teils dem neuimperialistischen Russland entwickelt. Der dominierende Einfluss der USA war erheblich zurückgegangen. Aufgrund ihrer scharfen Konkurrenz gibt es wechselnde Allianzen unter diesen neuimperialistischen Ländern. Die USA versuchten nun gegen den vordringenden Einfluss insbesondere Chinas mit dem „Abrahams“-Abkommen vom Herbst 2020, die neuimperialistischen arabischen Länder wieder stärker auf ihre Seite zu ziehen. Daraus entstanden Abkommen Israels mit Bahrain und mit den Vereinigten Arabischen Emiraten, später mit Saudi-Arabien und im September 2023 mit Indien.

Davor gab es immer einen Grundsatz für die arabischen Länder als Voraussetzung für eine Normalisierung der Beziehungen zu Israel: Eine Zwei-Staaten-Lösung mit dem Rückzug Israels aus dem besetzten Westjordanland, Ostjerusalem, dem Gazastreifen und den Golanhöhen. Das „Abrahams“-Abkommen steht nun für reaktionäre „Beziehungen Israels zu seinen Nachbarstaaten, ohne dass hierfür die Gründung eines palästinensischen Staates und der Rückzug aus den besetzten Gebieten verlangt wird“.⁸

Dafür sollten auch westlich-imperialistisch ausgerichtete Kräfte der bürgerlichen PLO-Führung und der korrupten Autonomie- behörde des Westjordanlands unter Mahmud Abbas eingebunden werden. Das ist direkt gegen den berechtigten palästinensischen Befreiungskampf gerichtet.

Die Hamas wollte mit ihren Attacken die Abrahams-Pläne durchkreuzen und die offene Kollaboration zwischen verschiedenen arabischen Ländern mit Israel und den USA unmöglich machen. Tat- sächlich liegen diese seither auf Eis oder wurden gekündigt.

Welche Rolle nehmen nun Organisationen wie die Hamas in dieser Gemengelage ein? Stefan Engel, der langjährige frühere Vorsitzende der MLPD und Leiter des theoretischen Organs REVOLUTIONÄRER WEG führte auf einer Montagsdemonstration in Gelsenkirchen am 13. November 2023 zum Hintergrund aus:

„Die neuen imperialistischen Länder sind sehr aggressiv. Sie wollen ihren Platz in der Welt erobern und machen den alten imperialistischen Ländern wie den USA, Frankreich, Deutschland und Großbritannien sehr große Probleme. … Man muss wissen, dass diese neuen imperialistischen Länder auch bestimmte Methoden haben, die im jetzigen Krieg in Palästina eine große Rolle spielen. Sie haben Auslandsorganisationen aufgebaut, um andere Länder zu infiltrieren bzw. dort Einfluss zu nehmen. So sind zum Beispiel die Taliban entstanden, die heute in Afghanistan die Macht haben. Sie wurden ursprünglich vom CIA ausgebaut, werden jetzt vor allem von Saudi-Arabien und Katar gestützt.

Wir erleben die Hamas, eine Organisation die von den Muslimbrüdern aufgebaut wurde und heute von Katar, von der Türkei und vom Iran unterstützt wird. … Wir haben die Hisbollah, eine Organisation mit einer richtigen Armee. Die beherrscht heute den Libanon und wurde vom Iran aus aufgebaut. Auch im Jemen haben Iran und Saudi-Arabien jeweils Truppen, die hier einen Stellvertreterkrieg um die Vorherrschaft im Jemen führen

Diese Organisationen haben in der Regel einen islamistisch verbrämten faschistischen Charakter. Sie sind reaktionär und haben nichts mit dem Befreiungskampf vom Imperialismus zu tun, sondern sind direkte Instrumente imperialistischer Politik.“ ⁹

Es ist auch bezeichnend, dass die Hamas in Gaza seit 2006 keine Wahlen mehr zuließ und sie auch in aktuellen Meinungsum- fragen keine Mehrheit in der Bevölkerung in Gaza hat.¹⁰ Analysen gehen davon aus, dass die Hamas über ein jährliches Budget von rund einer Milliarde Dollar verfügt. „Etwa 200 Millionen Dollar davon kommen aus dem Iran. Weitere 100 bis 200 Millionen Dollar kommen aus Katar“. ¹¹

Im Juni 2023 gab es in Teheran ein ranghohes Treffen von Ha- mas-Chef Ismail Haniyeh mit dem iranischen Präsidenten Ebrahim Raisi und dem erst kürzlich ernannten Vorsitzenden des iranischen Nationalen Sicherheitsrates, Ali Akbar Ahmadian. ¹² Es wird immer mehr zu einer allgemeineren Taktik  neuimperialistischer Länder, für ihre Expansionsbestrebungen auf faschistische und bewaffnete Söldnergruppen bzw. Terrororganisationen zu setzen. Es ist sehr bedeutsam hier große Wachsamkeit zu entwickeln, um sich nicht vor den Karren des einen imperialistischen Räubers gegen einen anderen spannen zu lassen.