2. Die Außenpolitik der imperialistischen Länder zur Vorbereitung eines Dritten Weltkriegs
Die wesentliche Methode der Neuorganisation der internationalen kapitalistischen Produktion war, die Konkurrenz mit einer Politik der Kooperation und Koordination auszutragen auf der Basis gegenseitiger ökonomischer Durchdringung. Auf diese Weise strebten internationale Monopole und imperialistische Staaten danach, ökonomische Dominanz oder politische Vorherrschaft zu erringen. Weltanschaulich beschönigten sie das mit der Floskel »Wandel durch Handel«. 1994 riefen die NATO und 23 europäische und asiatische Staaten, auch Russland und weitere Nicht-NATO-Mitglieder, eine »Partnerschaft für den Frieden« ins Leben. Verheißungsvoll verkündete die NATO bei ihrem Brüsseler Gipfeltreffen am 10. Januar 1994:
»Diese Partnerschaft wird als Ausdruck der gemeinsamen Überzeugung begründet, dass Stabilität und Sicherheit im euro-atlantischen Gebiet nur durch Zusammenarbeit und gemeinsames Handeln erreicht werden können.«[28]
Die Bundeszentrale für Politische Bildung plauderte 2009 offenherzig aus, dass damit und mit dem NATO-Russia Permanent Joint Council[29] von 1997 nur Besänftigung, niemals aber tatsächliche Zugeständnisse beabsichtigt waren:
»Die NATO-Erweiterung aufzugeben kam für sie nicht in Frage, sie ergänzten sie durch eine neue Form der beratenden Zusammenarbeit mit Russland im NATO-Hauptquartier in Brüssel.«[30]
Treffend heißt es im Buch »Götterdämmerung über der ›neuen Weltordnung‹« aus dem Jahr 2003:
»Die tatsächliche Entwicklung widerlegt jede Vorstellung, die ökonomische Durchdringung als Hauptmethode des Imperialismus würde Kriege überflüssig machen und es könnte einen friedlichen Imperialismus geben.«[31]
Auch die im Vorfeld der russischen Invasion in die Ukraine zelebrierten diplomatischen Initiativen wurden weder aufseiten der NATO noch aufseiten Russlands mit der ernsthaften Bereitschaft zu Kompromisslösungen geführt. Offensichtlich war die Verschiebung der Kräfteverhältnisse an einem Punkt angelangt, an dem die gegensätzlichen imperialistischen Interessen nur noch durch einen Krieg ausgetragen werden konnten. Das bedeutet einen qualitativen Sprung von imperialistischer Friedens- zu imperialistischer Kriegspolitik. Während des Ersten Weltkriegs wies Lenin auf folgenden gesetzmäßigen Zusammenhang hin:
»Unter dem Kapitalismus ist ein gleichmäßiges Wachstum in der ökonomischen Entwicklung einzelner Wirtschaften und einzelner Staaten unmöglich. Unter dem Kapitalismus gibt es keine anderen Mittel, das gestörte Gleichgewicht von Zeit zu Zeit wiederherzustellen, als Krisen in der Industrie und Kriege in der Politik.«[32]
Die Eskalation des Ukrainekriegs war verbunden mit der Wende zu offen aggressiver Außen- und Militärpolitik fast aller imperialistischen Länder zur Vorbereitung des Dritten Weltkriegs.
Sämtliche Länder der NATO rüsteten nach Beginn des Kriegs massiv auf, erhöhten drastisch ihre Militärausgaben und schickten zusätzliche Truppenkontingente nach Osteuropa. Binnen weniger Monate, bis zum 10. Mai 2022, bewilligten vor allem die NATO-Länder der Ukraine mindestens 34 Milliarden Euro für Waffen und Militärhilfen. Zur finanziellen und »humanitären« Unterstützung der Kriegführung der Ukraine flossen weitere mindestens 33 Milliarden Euro von den USA, Großbritannien, der EU, der UN und der Weltbank.[33] Die Manipulation der öffentlichen Meinung nahm den Charakter der psychologischen Kriegführung an und ging zuweilen zu offener Kriegshetze über.
Die NATO provozierte Russland erneut durch ihre »Norderweiterung«, als Finnland und Schweden ihre jahrzehntelange Politik der militärischen Neutralität und Blockfreiheit aufgaben und beantragten, der NATO beizutreten. Damit erweiterte sich die direkte Konfrontation zwischen NATO und Russland um 1 300 Grenzkilometer. Auch andere imperialistische Länder außerhalb der NATO richteten ihre Außenpolitik auf die neue Situation aus – entsprechend ihrer jeweiligen Interessenlage. Mehr als 40 Länder[34] kamen auf einem Treffen am 26. April 2022 auf dem US-Militärstützpunkt in Ramstein/Deutschland zusammen, um die Militärstrategie der NATO zu unterstützen. Ein neues antirussisches Militärbündnis mit dem Kern der NATO unter Führung des US-Imperialismus entstand; monatliche Treffen in dieser Form wurden vereinbart.
Das neuimperialistische Indien lehnt Sanktionen gegen Russland ab, laviert zwischen der Zusammenarbeit mit Russland und den NATO-Ländern. Shinzo Abe, ehemals Ministerpräsident Japans, brachte eine »nukleare Teilhabe« in die öffentliche Debatte und stellte damit ein bisheriges Tabu der japanischen Politik infrage. Die neuimperialistische Türkei, die Mitglied der NATO ist und sowohl zu Russland als auch zur Ukraine enge Beziehungen pflegt, versucht, sich in der Rolle des Vermittlers zwischen den Krieg führenden Parteien zu profilieren.