2.1. Die »Zeitenwende« des deutschen imperialismus
Mit den Beschlüssen vom 26./27. Februar 2022 vollzog auch die deutsche Bundesregierung die Wende hin zu einer offen aggressiven imperialistischen Außenpolitik. Vergessen war der erst wenige Monate alte Koalitionsvertrag der neuen SPD/Grünen/FDP-Bundesregierung, der hochtrabend »eine abrüstungspolitische Offensive« und »restriktive Rüstungsexportpolitik«[35] gelobte. Bei der Umsetzung der »Zeitenwende«, wie Bundeskanzler Scholz den Kurswechsel betitelte, entfalteten sich jedoch heftige Widersprüche in der Regierungskoalition, innerhalb der Regierungsparteien und zwischen verschiedenen Bundestagsparteien. Auch unter den herrschenden Monopolen und unter den Massen wuchsen Widersprüche zur Regierung. Diese und ebenso die große Abhängigkeit Deutschlands von fossilen Brennstoffen und vom globalen Kapital- und Warenexport, führten zunächst zu Verzögerungen bei Waffenlieferungen an die Ukraine und bei den Sanktionen gegen Russland.
Nachdem der russische Imperialismus sein Ziel eines raschen »Enthauptungsschlags« und des Einsatzes einer russlandfreundlichen Regierung in Kiew mit seiner »militärischen Spezialoperation« nicht erreichte, konzentrierte er seine Truppen auf die schnelle Annexion der Ost- und Südukraine. Das eröffnete eine zweite Phase des Kriegs.
In diesen Teilen der Ukraine findet sich eine besondere Konzentration an Stahlproduktion, Kohlevorkommen, unerschlossenen Gasfeldern für Fracking, Atomkraftwerken, monopolistischer Agrargroßindustrie und gut ausgebildeten Arbeitskräften. Mit der Eroberung strategisch bedeutsamer Hafenstädte wie Mariupol und Odessa strebt Russland nach einer Landverbindung zur annektierten Halbinsel Krim. Die Sperrung des Zugangs zum Asowschen und Schwarzen Meer soll die Exportwirtschaft der Ukraine nachhaltig schwächen.