Lenin
Antisemitismus in der Sowjetunion?
Zu den beliebtesten antikommunistischen Erzählungen gehört die, vom in der Sowjetunion verbreiteten Antisemitismus. Wie weit dies von der Realität entfernt ist, belegen die Aussagen eines des Kommunismus völlig unverdächtigen US-Bürgers
Der Antisemitismus als eine rassistische Ideologie und Politik war in Europa des 19. und 20. Jahrhunderts weit verbreitet. Selbstverständlich auch im zaristischen Russland. Auch nach der Oktoberrevolution 1917 waren Teile der Bevölkerung davon beeinflusst. Die konterrevolutionären, weißen Terrorbanden, die gemeinsam mit ausländischen imperialistischen Truppen gegen die junge Sowjetunion kämpften, nutzten dies aus. Pogrome und Massaker gegen jüdische Bevölkerungsteile gingen von ihnen aus.
Welchen hohen Stellenwert der Kampf gegen den Antisemitismus unter den führenden Bolschewiki einnahm, bezeugt der US-Bürger Raymond Robins. Robins reiste 1917 durch Russland - offiziell als stellvertretender Leiter des Amerikanischen Roten Kreuzes. Tatsächlich war er Mitglied des Spionagedienstes der US-Armee. Seine Aufgabe war, das Ausscheiden Russlands aus dem Kriege gegen Deutschland mit allen Mitteln zu verhindern. In diesem Zusammenhang traf er sich unmittelbar in den Tagen der Revolution mit Lenin.
Lenin versuchte, Robins das Wesen des neuen Regimes auseinanderzusetzen. In diesem Zusammenhang bemerkenswert ist das zweite Anliegen, das Lenin ansprach. Das zaristische Regime hatte die zahlreichen nationalen Gruppen rücksichtslos unterdrückt und zu Sklavenvölkern herabgewürdigt. Hier, so Lenin, würden durchgreifende Änderungen vollzogen werden. Man strebe die Ausmerzung des Antisemitismus und ähnlicher primitiver Vorurteile an, mit deren Hilfe der Zarismus die verschiedenen Parteien gegeneinander aufhetzte. Jede Nationalität und jede nationale Minderheit müsse völlige Selbständigkeit und Gleichberechtigung erhalten.¹ Zur Bewältigung dieser äußerst komplizierten und wichtigen Aufgabe war Josef Stalin ausersehen, der führende Fachmann der Bolschewiki für die Nationalitätenfrage, so Robins.²
Der Kampf gegen den Antisemitismus genoss offensichtlich allerhöchste Priorität. Sonst wäre er nicht beim allerersten Zusammentreffen mit einem Repräsentanten der US-Regierung ganz oben auf der Agenda behandelt worden. Robins ist dies nicht zuletzt deshalb gut im Gedächtnis geblieben, weil der Antisemitismus zum damaligen Zeitpunkt auch in den USA viele Anhänger hatte.