Referat

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Clara Zetkin - Ich will dort kämpfen, wo das Leben ist

Clara Zetkin - ihr Name steht bis heute auf der ganzen Welt für den Kampf um die Befreiung der Frau.

Von Anna Bartholomé
Clara Zetkin - Ich will dort kämpfen, wo das Leben ist
8. März im Jahr 2018 in Gelsenkirchen (rf-foto)

Das leugnen auch heutige Gewerkschaftsführerinnen und SPD-Politikerinnen nicht.

Aber anscheinend muss frau – wie auch Rosa Luxemburg - erst einmal hundert Jahre tot sein, um anerkannt zu werden. Und dabei wird so manches doch wieder mit dezentem Schweigen übergangen. Auch das eine Methode des modernen Antikommunismus.

Wir wollen dagegen nicht nur Clara Zetkins unvergessene Initiative für die Schaffung eines Internationalen Frauentags im Jahr 1911 würdigen.

Wir wollen uns ein allseitigeres Bild ihrer Persönlichkeit, dieser mutigen, eigenwilligen und wahrhaftigen Frau machen, deren tiefste Überzeugung es war, dass Arbeiterbewegung und Frauenbewegung zusammen kämpfen müssen, um in einer sozialistischen Gesellschaft mit jeder Ausbeutung und Unterdrückung des Menschen durch den Menschen Schluss zu machen – und damit auch die vollständige Befreiung der Frau zu erringen.

Am 5. Juli 1857 wurde Clara im sächsischen Wiederau als ältestes von drei Kindern der Lehrerfamilie Eißner geboren. Sie wuchs dort inmitten bitterarmer Textilarbeiterfamilien auf. Ihre Mutter war eine ungewöhnlich gebildete Frau, die dafür sorgte, dass Clara in ein Lehrerinnenseminar aufgenommen wurde, das von einer der Begründerinnen der deutschen Frauenbewegung, Auguste Schmidt, geleitet wurde.

Aber schon früh genügten Clara die Forderungen der bürgerlichen Frauenbewegung nach eigenständiger Berufstätigkeit und gleichen Rechten für Frauen nicht mehr.

Vor allem kritisierte sie deren Ignoranz gegenüber den Belangen der Masse der einfachen Frauen und vor allem der Arbeiterinnen. In ihnen sah sie zeitlebens die wichtigste Kraft innerhalb der Frauenbewegung.

Noch während ihrer Ausbildung lernte sie russische Studenten kennen, die sozialistische Ideen verfochten - und dafür vom Bismarck'schen Polizeistaat verfemt und verfolgt wurden.

Einem von ihnen - Ossip Zetkin - folgte sie 1882 ins Pariser Exil.

Sie heirateten nicht, ,,aus Prinzip", wie Clara sagte, aber sie nahm seinen Namen an und auch die beiden gemeinsamen Söhne, Maxim und Kostja, wurden nach dem Vater benannt.

Die Pariser Jahre waren von großer Armut geprägt - zweimal flog die junge Familie aus ihren Wohnungen, weil sie die Miete nicht zahlen konnte. Und dann erkrankte Ossip schwer, war gelähmt und starb bereits 1889.

Aber die fortan allein erziehende Mutter gab nicht klein bei - im Gegenteil: zwischen Übersetzungen und journalistischen Arbeiten zum kümmerlichen Broterwerb warf sie sich aufs Studium, eignete sich die ersten erscheinenden marxistischen Schriften an - das ,,Kommunistische Manifest", das ,,Kapital", den ,,Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staates".

Sie verband sich in Freundschaft und Solidarität mit vielen revolutionären Persönlichkeiten ihrer Zeit, organisierte Kongresse und Zusammenkünfte, hielt dort ihre ersten Referate - nicht zuletzt zur ,,Frauenfrage".

,,Müde und zerschlagen wie ein abgerackerter Droschkengaul" sei sie abends oft gewesen, schrieb sie später - aber wenn die Kinder schliefen, sei auch ihre einzige Zeit zur ungestörten Arbeit gewesen.

1890 zog sie nach Stuttgart und übernahm die Frauenzeitschrift der damals noch revolutionären SPD, ,,Die Gleichheit". Aus einem bescheidenen Rundbrief gestaltete sie eine Zeitschrift, die im Jahr 1914 112.000 Abonnentinnen hatte.

Allen Konventionen zum Trotz verband sich die 39-Jährige mit dem 18 Jahre jüngeren Maler Friedrich Zundel.

,,Die Gleichheit" wurde auch zum Forum der Linken in der SPD, die sich immer vehementer gegen den Verrat der SPD-Führung an den revolutionären Zielen der Partei wandten, der schließlich in der Zustimmung zum Kriegskurs des imperialistischen deutschen Kaiserreiches im Jahr 1914 gipfelte.

Es war für Clara Zetkin wie für ihre engen Freunde Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht und Franz Mehring keine Frage, sich dagegen zu wenden.

1916 schlossen sie sich als „Spartakusgruppe“ der USPD an, die die SPD-Führung mit ihrer „Burgfriedenspolitik“ kritisierte – aber auch immer schwankte. Viel zu lange zögerten die Spartakisten, daraus auch die Konsequenz einer organisatorischen Trennung und des Neuaufbaus einer revolutionären Partei zu ziehen.

Das hatte ihr Freund und Kampfgefährte Lenin, immer wieder mit ihnen diskutiert. Mit ihm waren sie auf verschiedenen Friedenskongressen zusammengekommen und hatte sich immer intensiv mit der Arbeiterbewegung in Deutschland befasst.

Viel zu spät - erst zum Jahreswechsel 1918/1919, mitten in einer akut revolutionären Situation - wurde die KPD gegründet. Liebknecht und Luxemburg waren fast während des ganzen Krieges in Gefängnis und so genannter Schutzhaft, kaum in der Lage, sich aktiv zu betätigen.

Die Novemberrevolution von 1918 – ausgehend von den Kieler Matrosen – fegte, ermutigt von der russischen Oktoberrevolution von 1917, den Kaiser weg und beendete den Krieg.

Aber eine sozialistische Zielsetzung konnte sie nicht verwirklichen. Sie blieb eine bürgerlich-demokratische Revolution, demokratische Rechte – nicht zuletzt das Frauenwahlrecht wurden zugestanden. Versprechungen über den Abbau des Militärapparats und die Sozialisierung der Großindustrie wurden gemacht.

Es tobte ein heftiger Kampf zwischen den so genannten Mehrheitssozialisten, die mit Friedrich Ebert und Gustav Noske an der Regierung der jungen Republik vor allem für „Ruhe und Ordnung“ sorgen wollten und den revolutionären Arbeitermassen, die weiter wollten.

Mit der Duldung der SPD-Führung – wenn nicht gar mehr – wurden die bedeutendsten Führer der jungen KPD, Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, Mitte Januar 1919 durch faschistische Freicorps brutal ermordet. Auch andere KPD-Führer wie Leo Jogiches wurden verfolgt und umgebracht. Der bereits über 70 Jahre alte, durch Gefängnisaufenthalte geschwächte Franz Mehring starb wenig später.

Clara Zetkin trat das Erbe ihrer revolutionären Freunde an. Sie blieb noch eine Weile in der USPD, um deren linken Flügel für die KPD zu gewinnen, was nach den Märzkämpfen gegen den Kapp-Putsch und unter Führung von Ernst Thälmann nach dem Hamburger Aufstand auch gelang.

In einer flammenden Rede bei einem außerordentlichen Parteitag der USPD am 4. März 1919 rechnete Clara Zetkin Punkt für Punkt mit den opportunistischen Positionen des rechten USPD-Flügels um Karl Kautsky ab. Sie will die Sozialisierung der Großindustrie nicht in irgendwelchen Kommissionen verschimmeln lassen, sie brandmarkt das Gejammer über die Unreife der Arbeiterklasse und besonders der Frauen, sie verteidigt die russische Revolution und den proletarischen Internationalismus und stellt sich unzweideutig hinter die Diktatur des Proletariats.

So alt ich bin – und ich habe vielleicht nicht mehr viele Tage vor mir -, will ich doch die Zeit, in der ich noch wirken kann, dort stehen, dort kämpfen, wo das Leben ist, und nicht dort, wo mir Zersetzung und Schwäche entgegenstarren.“ (Zetkin AW, Bd.II, S. 112 ff)

In einer Situation der Niederlage, des Meuchelmords an ihren besten Freunden, vertraut sie fest auf die Massen, fordert rückhaltlose Aufklärungsarbeit, Schulung und Studium. Sie bleibt fest in ihrer marxistischen Überzeugung. „Klarheit der Idee, das bedeutet Macht der Idee, Kraft und Entschiedenheit der Tat. … Es wird sich dann erfüllen, was Marx gesagt hat: „Die Theorie wird zur materiellen Gewalt, sobald sie die Massen ergreift“. (ebenda S. 114 f)

In den folgenden Jahrzehnten arbeitete Clara Zetkin unermüdlich an führender Stelle der KPD.

In verschiedenen Fragen – wie der Wahlteilnahme – hatte die KPD noch keine klare Linie. Auch Clara Zetkin blieb nicht frei von Unsicherheiten und Irrtümern.

Gesundheitlich angeschlagen, reiste sie mehrfach nach Russland zur ärztlichen Behandlung, aber auch um lernend die unvergänglichen Erfolge beim Aufbau des Sozialismus zu erfahren und auch vor den Problemen die Augen nicht zu verschließen.

Lenin, mit dem sie - ebenso wie mit dessen Frau Nadeshda Krupskaja - eine enge Freundschaft verband, war ihr dabei zugleich unerbittlicher Kritiker.

Ausführlich berichtet Clara Zetkin in ihren ,,Erinnerungen an Lenin" über Streitgespräche zur Frauenarbeit der kommunistischen Parteien, die beide für sehr wichtig hielten.

Anders als Lenin hob Clara Zetkin in undialektischer Weise die Differenzen zu den ,,feindlichen Schwestern" in der bürgerlichen Frauenbewegung hervor.

Die unterschiedliche Klassenlage prägt zweifellos die Ausformung der Unterdrückung und begründet damit Widersprüche zwischen proletarischen, kleinbürgerlichen und bürgerlichen Frauen.

Sowohl in der gemeinsamen als auch in der klassenbedingt unterschiedlichen Unterdrückung liegen Einheit und Kampf der Gegensätze in der Frauenmassenbewegung begründet.

Lenin sprach sich auf der Grundlage der bereits von Marx und Engels entwickelten Positionen unmissverständlich für den Kampf um die Befreiung der Frau in seiner ganzen Bandbreite aus: ,,Es ist daher auch richtig, dass wir Forderungen zugunsten der Frauen erheben ... Unsere Forderungen sind nur praktische Schlussfolgerungen, die wir aus den brennenden Nöten, den schändlichen Demütigungen der Frauen als Schwache und Rechtlose in der bürgerlichen Ordnung ziehen ... Wir brauchen eigene Organe zur Arbeit unter ihnen, besondere Agitationsmethoden und Organisationsformen. Das ist nicht Feminismus, das ist praktische, revolutionäre Zweckmäßigkeit ... Wir müssen den Weg zu ihnen suchen, müssen studieren, probieren, um ihn zu finden." (Clara Zetkin, Erinnerungen an Lenin, Ausgewählte Reden und Schriften, Bd. III, S. 145-147)

Clara Zetkin hat mit dem linken Flügel der damaligen bürgerlichen Frauenbewegung zusammen gearbeitet. Es waren Frauen wie Helene Stöcker, Anita Augsburg und Lida Gustava Heimann, die offen waren für die Entwicklung in der Sowjetunion, als Pazifistinnen den Kriegskurs der SPD-Führung verurteilten. Sie gingen auf Clara Zetkin zu. Aber diese hat den Kurs der KPD-Führung, sich einseitig auf die proletarischen Frauen zu beziehen, nicht tiefgehend aufgearbeitet.

Dem ist die MLPD in der vor 20 Jahren erschienen Streitschrift ,,Neue Perspektiven für die Befreiung der Frau" nachgegangen und hat Schlussfolgerungen gezogen für die marxistisch-leninistische Frauenarbeit, die auf der Grundlage der Lehre von der Denkweise in dialektischer Wechselbeziehung zur Förderung überparteilicher Frauenorganisationen stehen muss.

Die Folgen der Fehler der alten kommunistischen Bewegung werden unter anderem so benannt: ,,Diese sektiererische Einengung auf die politische Kleinarbeit unter Arbeiterinnen führte vor allem dazu, dass die große Masse kleinbürgerlicher Frauen der bürgerlichen und kirchlichen Beeinflussung überlassen blieb. Dieser bürgerliche Einfluss wiederum unterminierte das politische Bewusstsein der Frauen. Das war zweifellos eine wichtige Bedingung dafür, dass die Demagogie des Hitler-Faschismus hier eine wichtige soziale Massenbasis fand. Die bürgerliche Frauenbewegung degenerierte weitgehend zu einer sozialen Stütze des Hitler-Faschismus." (S.189 f)

Das gilt auch für Getrud Bäumer, die den so genannten „pragmatischen Flügel“ der bürgerlichen Frauenbewegung repräsentierte, selber trotz bestimmter Widersprüche zum Hitlerfaschismus nationalistische und teils rassistische Positionen vertrat. Sie lavierte so lange, bis die Hitlerfaschisten den größten Teil der bürgerlichen, kleinbürgerlichen und bäuerlichen Frauen in ihren Massenorganisationen sammeln konnten.

Gertrud Bäumer gehörte nach dem Krieg zu den Gründerinnen der CSU und wird bis heute als Namensgeberin von Schulen geehrt. (In GE beteilige ich mich an einer Initiative zur Umbenennung einer Realschule)

Clara Zetkin kämpfte als glühende Internationalistin - auch nach dem viel zu frühen Tod Lenins - um die Verwirklichung seiner Grundideen. Sie engagierte sich in der Kommunistischen Internationale, rief internationale Solidaritätskampagnen ins Leben, reiste vielfach in die junge Sowjetunion und warb für die dort erstmals in der Menschheitsgeschichte verwirklichten Ziele - auch in Sachen Frauenbefreiung.

Bereits weitgehend erblindet und fast gelähmt, hielt sie als Alterspräsidentin des deutschen Reichstags am 30. August 1932 eine aufwühlende Rede für die Schaffung einer Einheitsfront gegen den aufkommenden Faschismus.

Das Gebot der Stunde ist die Einheitsfront aller Werktätigen, um den Faschismus zurückzuwerfen, um damit den Versklavten und Ausgebeuteten die Kraft und die Macht ihrer Organisationen zu erhalten, ja sogar ihr physisches Leben. Vor dieser zwingenden geschichtlichen Notwendigkeit müssen alle fesselnden und trennenden politischen, gewerkschaftlichen, religiösen und weltanschaulichen Einstellungen zurücktreten. … Die Selbstbehauptung der Werktätigen gegen den Faschismus ist die nächste unerlässliche Voraussetzung für die Einheitsfront im Kampfe gegen die Krise, imperialistische Kriege und ihre Ursache, die kapitalistische Produktionsweise.“ (Zetkin AW, Bd. III, S.418 f)

Diese Einheitsfront kam nicht zustande – vor allem aufgrund der Blockade der SPD-Führung aber auch begünstigt durch Fehler der KPD.

Die völkisch-nationalistische, antisemitische und antikommunistische Demagogie der Faschisten hatte es mit massiver Unterstützung des Monopolkapitals vermocht, ihnen eine Massenbasis zu verschaffen.

Clara Zetkin blieb ihrem Lebensziel treu und beendete ihre letzte Reichstagsrede:

Ich eröffne den Reichstag in Erfüllung meiner Pflicht als Alterspräsidentin und in der Hoffnung, trotz einer jetzigen Invalidität das Glück zu erleben, als Alterspräsidentin den ersten Rätekongress Sowjetdeutschlands zu eröffnen.“ (Zetkin AW, Bd. III, S.418 f)

Nur wenige Monate später, am 20. Juni 1933 starb sie in der Sowjetunion.