ROTE FAHNE 11/2020

ROTE FAHNE 11/2020

Weltweite Corona-Krise – von wegen Atempause für die Umwelt

Spurenverwischung: „Für die Umwelt ist die Corona-Krise ein Segen: leere Straßen, ... … weniger Lärm, kaum Flugzeuge am Himmel. Für die Wirtschaft ein Fluch: Die Produktion geht zurück, auch der Transport von Gütern und die Nachfrage bei Kunden“, berichtete das ZDF am 21. April. Erhält die Umwelt also durch die Corona-Krise eine Atempause? Mancher hofft vielleicht darauf …

Weltweite Corona-Krise – von wegen Atempause für die Umwelt
Foto: ArtMechanic / CC BY-SA 3.0

Von einer solchen Atempause auszugehen, würde allerdings infrage stellen, dass das imperialistische Weltsystem auf seiner heutigen Entwicklungsstufe im grundlegenden Widerspruch zur Einheit von Mensch und Natur existiert. Es ist eine Illusion, durch kurzfristige Reduzierung der Treibhausgasemissionen den beschleunigten Umschlag in eine globale Umweltkatastrophe zu stoppen. Was wir heute an dramatischen Entwicklungen erleben, ist schließlich Ergebnis der kapitalistischen Umweltpolitik der letzten Jahrzehnte! Selbst dringend notwendige Produktionsstillstände zum Schutz der Belegschaften – und zeitweiligem Vorteil der Natur – waren meist mutig kämpfenden Belegschaften zu verdanken. Nicht der Einsicht der Monopole.

Rote Fahne 11/2020

Weltweite Corona-Krise – von wegen Atempause für die Umwelt

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Forscher des Max-Planck-Instituts für Chemie und des norwegischen Instituts für Naturforschung in Oslo ermittelten aktuell einen Rückgang der Luftverschmutzung um teils 20 Prozent. Ihrer Einschätzung nach könnten dadurch weltweit 780 000 vorzeitige Todesfälle unter Erwachsenen vermieden werden. Ebenso 1,6 Millionen Asthmafälle bei Kindern, wenn dies bis zum Ende des Jahres so bleibt. Dass die Corona-Pandemie also ein Segen für die Umwelt wäre, ist ein gefährlicher Trugschluss.

Kipppunkte im Übergang zur globalen Umweltkatastrophe

Laut Professor Stefan Rahmstorf vom Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung würde selbst ein Rückgang des CO2-Ausstoßes von zehn Prozent über das ganze Jahr zu keiner messbaren Verringerung der atmosphärischen CO2-Belastung führen!1 Die Vorstellung des Pariser Klimaabkommens nach einer „Stabilisierung der Erderwärmung auf zwei Grad“ ist ein idealistisches Konstrukt. Es blendet die real existierenden dialektischen Wechselwirkungen des Erdklimas aus. So werden bereits in einer durchschnittlich zwei Grad wärmeren Erde Kipppunkte ausgelöst. Diese wiederum können selbstverstärkend zu einer Erdheißzeit mit durchschnittlich vier bis sechs Grad Erwärmung führen. Von Dürren betroffene Wald- oder Moorgebiete werden dann von Kohlenstoffsenken zu Kohlenstoffquellen. Selbst bei einem deutlichen Rückgang der menschengemachten Treibhausgasemissionen wird die Erderwärmung weitergehen. Auftauende Permafrostböden, eine Verringerung von Schneedecken oder das Absterben des Amazonas-Regenwalds sind bereits angelaufene gefährliche Prozesse. Sie beschleunigen sich wiederum gegenseitig.

Bereits überschrittene Kipppunkte sind das Abschmelzen des Seeeises und des Festlandeises in Grönland sowie das Abrutschen des westantarktischen Eisschelfs. Das Jahr 2020 reiht sich bisher nahtlos in eine sich zuspitzende längere Entwicklung ein: Januar und Februar 2020 waren schon wieder die heißesten Monate seit Beginn der Aufzeichnungen. Bei allen kurzzeitigen Schwankungen und dem umfassenden Greenwashing von Regierungen und Monopolen: Die Rettung der Umwelt vor der Profitwirtschaft ist im Rahmen des kapitalistischen Systems nicht möglich. Dafür muss eine sozialistische Gesellschaft erkämpft werden, in der Mensch und Natur im Mittelpunkt stehen.

Corona-Pandemie: Produkt imperialistischer Krisen

Auch die Corona-Pandemie ist ein Produkt des krisenhaften Imperialismus und der allseitigen Verschärfung der chronischen Umweltkrise. Berechtigt fragen viele, warum Jahr für Jahr die „optimalen“ Bedingungen für die rasche Ausbreitung von Infektionskrankheiten und Seuchen wachsen. Und das trotz enormer Fortschritte in der Virologie, Impfstoffherstellung, Medizintechnik. Trotz der ganzen Kompetenz des medizinischen Personals und der Umwelt- und Gesundheitsforschung. Anders als in einer sozialistischen Gesellschaft wird im Kapitalismus all das aber nicht im Interesse der Bedürfnisse der Menschheit eingesetzt.

Die chronische Volksvergiftung als eine Konsequenz der globalen Umweltkrise ist mitverantwortlich für die Entstehung neuer Krankheiten. Was sind die Wechselwirkungen zwischen globaler Umweltkrise und Corona-Pandemie?

Massentierhaltung und Zusammenballung von Tieren und Menschen in Megacitys, Zerstörung ganzer Ökosysteme und Artensterben begünstigen den Übergang gefährlicher Viren von Tieren auf Menschen. Diese Entwicklung „ist in den vergangenen 50 Jahren steil angestiegen“, so der Virologe Peter Rottier, der seit 40 Jahren Coronaviren erforscht.2 -

Besonders dramatisch verläuft die Pandemie in Regionen mit hoher Luftverschmutzung wie der Lombardei. Wissenschaftler der Harvard-Universität haben nachgewiesen, dass durch Anstieg der Feinstaubpartikel um lediglich 1 yg/m³ sich die Todesrate an Covid-19 um 15 Prozent erhöht!3

Die Agrar- und Lebensmittelmonopole produzieren für ihre Profite mutwillig minderwertige und chemisch belastete Lebensmittel. Den breiten Massen nötigen sie damit eine zunehmend denaturierte Ernährungsweise auf. Fehl- und Mangelernährung sowie chronische Umweltvergiftung schwächen das Immunsystem und bahnen Pandemien wie Corona den Weg. Im Sozialismus wäre der Hunger besiegt, mit ökologischen und großtechnischen Anbaumethoden würde die ganze Menschheit gesund ernährt.

Hochriskant werden in Viruslaboren künstliche und genveränderte Viren erzeugt, bis hin zu gezielter Forschung an biologischen Waffen. Das Buch „Krieg und Frieden und die sozialistische Revolution“ aus der Reihe REVOLUTIONÄRER WEG stellte allerdings bereits 1983 fest: „Bis heute wurden über 2000 Arten Bakterien und Viren künstlich hergestellt, die als Kampfstoffe verwendet werden können. Da es lebende Substanzen sind, die sich vermehren und noch lange nach ihrem Einsatz leben, sowie durch die Methode ihrer Anwendung sind sie in ihrer möglichen Wirkung nicht zu berechnen.“ 4 Diese Entwicklung hat sich heute enorm verstärkt.

Das alles sind Symptome des Kapitalismus und nicht des SARS-CoV2-Virus. Es ist die Profitwirtschaft, die Gesundheit und Umwelt gleichermaßen schädigt und gefährliche neue Erreger wie dieses Virus hervorbringt.

Krisenmanagement verschärft die Umweltzerstörung

Auch dem ZDF-Nachrichtensprecher vom 21. April schwante nichts Gutes, als er ausführte: „Die Atempause für die CO2-geplagte Atmosphäre … wird nicht von Dauer sein. Und könnte sich noch bitter rächen.“ Unternehmerverbände und Monopole verlangen im Zusammenhang mit dem geforderten „wirtschaftlichen Neustart“: Nun sollen ultimativ die selbst bisher völlig unzureichenden Klimaziele der Regierung gestrichen werden. „Die Zwischenziele für 2030 müssen aufgrund der veränderten wirtschaftlichen Lage dringend auf den Prüfstand”, so der stellvertretende BDI-Hauptgeschäftsführer Holger Lösch.5 Die Diktatur der Monopole erhebt immer lauter ihre Ansprüche an das Krisenmanagement der Regierung. Empörung lösten die Automobilkonzerne mit ihrer Forderung nach Staatsprämien für Pkw-Neukäufe aus. 2019 haben sie noch Milliardengewinne eingefahren. Dividende, Prämien und Kurzarbeitergeld passen gut zusammen, findet BMW-Chef Oliver Zispe. Er will am 19. Mai 1,65 Milliarden Euro an die Aktionäre ausschütten, das meiste davon an die Großeigentümerfamilien Quandt und Klatten.

US-Präsident Donald Trump tönt: „Wir werden die großartige US-Öl- und Gasindustrie niemals im Stich lassen.“ 6 Der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro nutzt die Situation, um die Regenwaldabholzung wieder hochzufahren. In den Indigenen-Gebieten hat diese während der Corona-Pandemie um 59 Prozent zugenommen.

Die Wechselwirkung von Corona-Pandemie zur absehbar historisch tiefsten Weltwirtschafts- und Finanzkrise verschärft wesentliche Hauptfaktoren des beschleunigten Übergangs in eine globale Umweltkatastrophe.

Was das 2014 ebenfalls in der Reihe REVOLUTIONÄRER WEG erschienene Buch „Katastrophenalarm! Was tun gegen die mutwillige Zerstörung der Einheit von Mensch und Natur?“ aufgedeckt hat, wird in der jetzigen allumfassenden Krisensituation drastisch bestätigt: Die „Menschheit befindet sich inzwischen mitten im fortschreitenden Übergang zu einer globalen Umweltkatastrophe. „Die Lösung der Umweltfrage erfordert heute einen gesellschaftsverändernden Kampf. Nur eine internationale sozialistische Revolution kann die soziale und die ökologische Frage lösen.“ 7

Die gegenwärtige Krisenentwicklung fordert heraus, sich breit und massenhaft über die Perspektive einer sozialistischen Gesellschaft auseinanderzusetzen und sich dafür zu engagieren. Dort ist die Einheit von Mensch und Natur gesellschaftliche Leitlinie jedes Handelns. Gerade das will die Regierung um Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verhindern, wenn sie appellieren, sich „an das Leben mit dem Coronavirus zu gewöhnen“. Immer noch ist – glaubt man den bürgerlichen Umfragen – eine deutliche Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland mit dem Krisenmanagement der Regierung einverstanden. Aber was bedeutet die sogenannte „neue Normalität“? Sie ist doch nichts anderes als die alte „Anpassungs“-Logik an die Krisen des Kapitalismus. Doch weder an eine Umwelt- und Klimakatastrophe, noch an zunehmend lebensgefährliche Pandemie-Plagen kann und will sich die Menschheit anpassen. Sie wird untergehen, wenn sie die gesellschaftlichen Verhältnisse und Paradigmen nicht grundlegend und revolutionär ändert.

Rettet die Umwelt vor der Profitwirtschaft!

Die Betriebsgruppen der MLPD fördern den Kampf der Belegschaften gegen Massenentlassungen, für konsequenten Gesundheitsschutz und für Millionen neue Arbeitsplätze im Umweltschutz. Auch in Krankenhäusern und der Altenpflege müssen Hunderttausende Neueinstellungen, Schichtverkürzungen und Lohnerhöhungen durchgesetzt werden. Und zwar auf Kosten der Monopolprofite, in Verbindung mit dem Kampf für die 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich. Nicht nur mit ihren Umweltgruppen fordert die MLPD die radikale Umstellung des Verkehrssystems und der Energieerzeugung, 100 Prozent erneuerbare Energien, solare Wasserstoffwirtschaft und Kreislaufwirtschaft. Diese Forderungen sprengen aber in ihrer Gesamtheit bereits den kapitalistischen Rahmen. Der Kampf für die dringenden Sofortmaßnahmen muss sich deswegen zu einem gesellschaftsverändernden Umweltkampf höherentwickeln. MLPD und REBELL stehen für den breiten Zusammenschluss – auf Grundlage des gemeinsamen Kampfes, demokratischer Prinzipien und wirklicher Überparteilichkeit. MLPD, ihr Jugendverband REBELL oder die überparteiliche Umweltgewerkschaft müssen gerade in so einer Situation gestärkt werden! Das ist die beste Quintessenz aus der Solidarität, der Disziplin und dem großen Interesse an grundsätzlichen Auseinandersetzungen, die bei vielen in der Corona-Krise gewachsen ist.

Diese Auseinandersetzung ist eng verbunden mit der Bewegung „Gib Antikommunismus keine Chance“. Denn überall, wo sich Arbeiter- und Umweltbewegung zu einer neuen starken Kraft verbinden und nach einem Ausweg aus dem krisengeschüttelten Kapitalismus suchen, treten auch Gegenkräfte auf den Plan. Unter dem doppelzüngigen Slogan „keine Parteien“ wollen sie gerade revolutionäre Kräfte wie MLPD und REBELL aus der Umweltbewegung hinausdrängen. Gerade von Kräften aus dem Bündnis90/Grünen-Spektrum wird versucht, die Fridays-for-Future-(FFF)-Bewegung zum Anhängsel des Krisenmanagements der Regierung zu machen – zur kapitalismuskonformen Fußtruppe ihrer Partei. An der Basis von FFF wächst die Kritik an diesem Regierungsschmusekurs. „Eine Trennung, die letztlich nur unseren Gegner*innen in die Hände spielt, die sich genau diese Spaltung wünschen und die wir schon daher strikt ablehnen“, kritisiert die antikapitalistische Plattform in Fridays for Future. Und weiter: „Zu behaupten, wir sprächen uns nicht für oder gegen Parteien aus, dann aber die FFF immerhin unterstützende MLPD zu diffamieren und nicht etwa die klimawandelleugnende AfD, untätige Regierungsparteien oder mit Schwarz-Grün liebäugelnde, zahme Grüne, ist Doppelmoral pur.“

Breite Bewusstseinsbildung kontra Fake News

In einer heftigen Polarisierung setzt sich das Richtige nur im Kampf durch. Arbeiter und Umweltschützer sollen gegeneinander ausgespielt werden. „Wohlstand und Natur sind heute massiv gefährdet durch eine Grüne Politik, der sich alle etablierten Parteien unterschiedslos verschrieben haben“, tönt die AfD 8. Wie bitte? Die Regierung bringt gerade den regionalen Ausbau der Solar- und der Windenergie komplett zum Erliegen! Wohlstand? Die aktuelle Krise wird nach UN-Prognosen 80 Millionen Menschen neu in extreme Armut treiben. Der AfD geht es um die Zersetzung des sich festigenden Umweltbewusstseins unter den Massen. Und die Durchsetzung der Interessen der Monopole, die von fossilen Energien leben. 86 Prozent der Bundesbürger ab 14 Jahren schätzen laut Umfrage des Forsa-Instituts als „sehr wichtig“ oder „wichtig“ ein, dass die Bundesregierung bei Investitionsprogrammen zur Bekämpfung der Corona-Krise den Schutz von Umwelt und Klima berücksichtigt. Das können die herrschenden Monopole und ihre Regierung nicht einfach ignorieren.

Ein erlauchter Kreis von 70 internationalen Monopolen – darunter Thyssenkrupp Steel, Salzgitter, Allianz, Aldi, T-online, EnBW – schüren die Illusion eines „Grünen Neustarts“. Abgesehen davon, dass ein Ende der Pandemie nicht die tiefste Weltwirtschafts- und Finanzkrise beenden würde: Heiß begehrt sind hier vor allem die Milliardensubventionen der Regierung und auch das zwei Billionen Euro schwere Subventionsprogramm der EU, genannt „Green Deal“.

Schon jetzt hat jeder fünfte Betrieb Arbeitsplatzabbau angekündigt. Der Kampf um Arbeitsplätze, Gesundheits- und Umweltschutz gehört zusammen. Er muss gegen die Konzernchefs und die Regierung geführt werden. Die Entwicklung schreit nach einer gesellschaftsverändernden Umweltbewegung, die in enger Einheit mit der Arbeiterbewegung zu einer gesamtgesellschaftlichen Kraft wird!