Rote Fahne 05/2020

Rote Fahne 05/2020

Gewerkschaftsfrauen: gut organisiert und stark im Kommen

Gisela arbeitet in einer Ameos-Klinik in Sachsen-Anhalt. Sie hat es nicht mehr weit bis zur Rente. Aber im Streik mitzumachen – gegen den Ameos-Konzern, das ist ihr wichtig.

Gewerkschaftsfrauen: gut organisiert und stark im Kommen
Foto: Jonas Priester / flickr / CC BY-NC-ND 2.0-2

Sie gehört zu den Krankenschwestern, die in jahrzehntelanger Arbeit „das So­ziale“ verinnerlicht haben, und die sich mit dem Satz „je besser du arbeitest, desto besser geht es den Patienten“ identifizieren. Doch sie hat mittlerweile gelernt, dass diese Mitmenschlichkeit als Druckmittel gegen die Beschäftigten missbraucht wird: damit Ameos Höchstprofite macht.

Die Ameos-Kolleginnen haben im Kampf um einen Anwendungstarifvertrag zum Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) einen ersten Sieg durchgesetzt: Der Konzern musste die fristlose Entlassung von 14 Beschäftigten zurücknehmen.

Viele IG-Metallerinnen führten bereits 2018 in einer bundesweiten, kämpferischen Tarifrunde zusammen mit ihren Kollegen erstmals erfolgreiche 24-Stunden-Warnstreiks durch. 1,152 Millionen Kolleginnen und Kollegen beteiligten sich 2018 an gewerkschaft­lichen Streiks. Im Herbst 2019 blieben bundesweit viele Schulen, Verwaltungsgebäude, tausende Büros und Fenster schmutzig. Unter der Losung „Aufstand der Unsichtbaren“ hatte die IG BAU Reinigungskräfte bundesweit zu Streiks für bessere Arbeits- und Entgeltbedingungen für die 650.000 Beschäftigten aufgerufen.

Im Februar 2020 streikten Service- und Reinigungskräfte der Berliner Charité, die von der Berliner Landesregierung (SPD / Linkspartei / B90/Grüne) die Anbindung an den TVöD fordern. Die ver.di-Mitglieder der Celenus-Belegschaft in Bad Langensalza begannen Mitte 2018 einen 202 Tage dauernden Streik für bessere Löhne und Arbeitsbedingungen. Bei der Wäscherei Elis in Neustadt / Thüringen führten die überwiegend weiblichen Beschäftigten im Februar 2020 den zweiten Warnstreik durch für höhere Löhne und 30 Tage Urlaub, übrigens unterstützt vom Frauenstreikbündnis Jena. Am 14. Februar 2020 streikten und protestierten Beschäftigte der Supermarkt-Kette Real gegen ihre drohende Entlassung sowie für die Anerkennung der Tarifverträge des Einzelhandels. Die MLPD hat viele dieser Kämpfe und Streiks unterstützt und die Solidarität organisiert. In diesen Kämpfen kampfstarker Belegschaften mit einem hohen Frauenanteil kommt ein erwachendes Frauen- und gewerkschaftliches Bewusstsein auf breiter Front zum Ausdruck. Das hat einen wichtigen Beitrag zum fortschrittlichen Stimmungsumschwung geleistet. Es ist auch ein Damm gegen die Rechtsentwicklung. Denn kein Betrieb in Deutschland könnte bestreikt werden, wenn dort die Beschäftigten nicht zusammenhalten – egal wo die Wurzeln der Herkunft liegen.

Neue Initiativen

Zwei Millionen Frauen sind heute in den DGB-Gewerkschaften organisiert – rund ein Drittel der knapp sechs Millionen Mitglieder. Die steigende Erwerbstätigkeit von Frauen in Deutschland – 66,7 Prozent in 2007 auf 75,2 Prozent im Jahr 20171 – hat an diesem Verhältnis zwar bisher wenig verändert. Aber: Aktivität und Selbstbewusstsein der Gewerkschaftsfrauen ist spürbar gestiegen.

Am Internationalen Frauentag spielt die gewerkschaftliche Frauenbewegung eine unübersehbare Rolle. Aktivistinnen aus ver.di und IG Metall organisieren zahlreiche Aktionen. Es wird zur Verteidigung der Frauenrechte gegen die Rechtsentwicklung und zur Solidarität mit den Kämpfen von Frauen weltweit aufgerufen, es gibt eine enorme Bandbreite an kulturellen Angeboten zur Lage und Perspektive der Frauen. Beim 24. ordentlichen Gewerkschaftstag der IG Metall forderten Metall-Frauen, den Internationalen Frauentag bundesweit zum Feiertag zu erklären.2

Mit dem wachsenden Frauenbewusstsein gewinnt der 8. März Zulauf und mit dem fortschrittlichen Stimmungsumschwung entwickelten sich in den letzten Jahren neue Initiativen zur Zusammenarbeit und gegenseitigen Förderung. Wichtige Impulse dafür liefert in den letzten Jahren die erstarkte kämpferische Frauenbewegung in Deutschland, in der die MLPD als anerkannte revolutionäre Kraft mitarbeitet. So arbeiten gewerkschaftlich organisierte Frauen im Interna­tionalistischen Bündnis und seiner Frauenplattform mit. Gewerkschafterinnen aus Automobil- und Zuliefererbetrieben unterstützten aktiv die IAC.3 Für streikende Kolleginnen werden Solidaritätsadressen und Besuche initiiert.

Der 8. März ist auch die Gelegenheit, weitere Kolleginnen für die Gewerkschaft zu gewinnen. Gleichzeitig wird am 8. März natürlich besonders über die Perspektive der Frauenbewegung diskutiert.

Als Frau und Arbeiterin kämpfen

Die weiblichen Beschäftigten in den Betrieben werden genauso wie ihre männlichen Kollegen ausgebeutet, indem sie ihre Arbeitskraft an einen Kapitalisten verkaufen müssen. Darüberhinaus werden sie durch eine niedrigere Bezahlung doppelt ausgebeutet. Aufgrund ihrer Belastung in der häuslichen Familienarbeit wird ihre Arbeitskraft geringer bewertet und gilt ihre Bezahlung immer noch als familiärer Zuverdienst. Im Zuge der sich seit Mitte 2018 entfaltenden neuen Weltwirtschafts- und Finanzkrise wird sich diese besondere Ausbeutung der Masse der Frauen allen historischen Erfahrungen nach noch verschärfen.

Werktätige Frauen verdienen fast ein Viertel weniger als Männer, haben rund 12 Prozent geringere Ausbildungsvergütungen und eine rund 50 Prozent nie­drigere Rente. Zu Recht wirft angesichts dessen der Deutsche Gewerkschaftsbundes (DGB) in seinem Aufruf zum 8. März 2020 die Frage einer „Umfairteilung“ auf. Aber zwischen wem? Es sind ja nicht die männlichen Kollegen, die auf Kosten der Frauen mehr verdienen. Auch ihnen gegenüber findet ständige Lohndrückerei statt und weitet sich der Niedriglohnsektor immer weiter aus. Wirklich unfair verteilt wird zwischen Kapitalisten und der Arbeiterklasse als Ganzes, weil der Reichtum gesellschaftlich produziert, aber der Gewinn von den Kapitalisten privat angeeignet wird. Wer für „faire Verteilung“ ist, der muss den Kapitalismus grundsätzlich kritisieren und für den echten Sozialismus eintreten.

Die Frage nach Ursachen und echten Lösungen für den seit Jahrzehnten bestehenden eklatanten Widerspruch zwischen formaler Gleichstellung und realer Ungleichheit beschäftigt viele Kolleginnen. Auch der Widerspruch zwischen dem eigenen Selbst- und Frauenbewusstsein einerseits und der zugleich gesellschaftlich nicht zu übersehenden Diskriminierung stärkt das Bedürfnis nach Bewusstheit: offensichtlich genügt es eben nicht, selbstbewusst und emanzipiert zu sein oder sich durchzuboxen. Selbst wenn die unbezahlte Hausarbeit mit dem Partner besser verteilt wird, sind Familie und Beruf im Kapitalismus höchstens notdürftig zu vereinbaren. Dabei legt genau das der kleinbürgerliche Feminismus nahe: er verbreitet die Illusion einer „gerechten“ Verteilung von Macht und Teilhabe im Kapitalismus – möglich durch den Geschlechterkampf. Schrittweise wurde diese kleinbürgerlich-feministische Richtung ab Mitte der 1990er-Jahre zur Leitlinie reformistischer gewerkschaftlicher Frauenarbeit gemacht. In Verbindung mit der kleinbürgerlich-antikommunistischen Denkweise richtet sich das gegen die Revolutionierung der Gewerkschaftsfrauen.

Die reformistische Richtung wird vor allem von der SPD in die Gewerkschaften getragen. So will die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (AsF) nicht etwa die kapitalistischen Strukturen überwinden. Nein, der selbsternannten „Lobby für Frauen“ geht es um die „Überwindung männlicher Strukturen“.4

Da viele Gewerkschafterinnen und Kolleginnen mit einem „Geschlechterkampf“ nichts zu tun haben wollen, führte das teilweise sogar zu einer Abwendung von der gewerkschaftlichen Frauenarbeit, die so ausgerichtet war.

Die MLPD hat dazu einen klaren Standpunkt: Die bürgerliche Staats- und Familienordnung ist das Gegenstück zur Ausbeutung der Arbeitskraft. Es sind zwei Seiten ein und derselben Medaille. Beides kann nur durch die revolutionäre Überwindung des Kapitalismus beseitigt werden. Daher setzt sich die MLPD dafür ein, dass klassenbewusste Frauen sich in der MLPD und in der Gewerkschaft organisieren und fördert sie dabei. Der Kampf zur Befreiung der Frau ist Teil der Lösung der sozialen Frage in einer sozialistischen Gesellschaft.

Zur Durchführung eines Frauenstreiktages am 8. März macht der ver.di-Bezirk Hessen gute Vorschläge wie „Kämpferische Mittagspausen, thematische Betriebsversammlungen, Dienst nach Vorschrift, symbolischen Urabstimmungen und Solidaritätsaktionen“ sowie zur „Verbindung von laufenden Tarifrunden mit betrieblichen Aktionen rund um den 8. März“. Dass in vielen Aufrufen zum Frauenstreiktag aber jeweils auch zum „Bestreiken der unbezahlten Sorgearbeit“ aufgerufen wird, ist dagegen ein Einfluss des kleinbürgerlichen Feminismus. Als ob der Mann die Frau ausbeute. Der Feminismus nimmt die reaktionäre bürgerliche Staats- und Familienordnung als Ursache der Unterdrückung der Frauen aus der Schusslinie. Natürlich spiegelt sich diese bürgerliche Familienordnung auch in bürgerlichen oder kleinbürgerlichen Moralvorstellungen, Traditionen oder „Geschlechterrollen“ auch unter den Massen wider. Auch das sind Fragen, die in die Gewerkschaft gehören, die mit Kollegen – aber auch Kolleginnen – kritisch diskutiert werden müssen.

Signal gegen die Rechtsentwicklung

Der Internationale Frauentag 2020 kann und muss ein besonderes Zeichen setzen für den gemeinsamen Kampf von Frauen und Männern gegen die Rechtsentwicklung der Regierung, der bürgerlichen Parteien, in Teilen der Medien und Kultur. Das ist auch deshalb wichtig, weil diese bereits eine bestimmte Wirkung unter einem Teil der Massen erreicht hat.

Schon der Frauenpolitische Ratschlag 2019 zeichnete sich unter anderem durch eine neue Qualität in der Zusammenarbeit mit und zwischen Gewerkschafterinnen aus. Eine Reihe von Frauen aus verschiedenen Gewerkschaften unterzeichnete den Aufruf der Frauen zur antifaschistischen überparteilichen Zusammenarbeit („Es ist der kleinste, aber ein dringend notwendiger gemeinsamer Nenner“). Auf den Gewerkschaftskongressen 2019 nahmen Kolleginnen in diesem Sinn Stellung. So forderte eine Duisburger Delegierte auf dem ver.di-Bundeskongress „klare Kante zu zeigen gegen faschistische Organisationen und ihre Propaganda, gegen Antisemitismus, gegen die AfD, aber auch gegen die Entwicklung vieler Regierungen in Europa nach rechts.“

Die Dringlichkeit zeigt sich aktuell – nicht nur nach dem faschistischen Terror in Hanau. Zum Internationalen Frauentag missbraucht die AfD die Anliegen der Masse der Frauen. So spricht sie einerseits von „Chancengleichheit“, kritisiert aber vor allem eine angebliche Stigmatisierung „traditioneller Geschlechterrollen“. Was verteidigt denn die AfD mit den traditionellen Geschlechterrollen? Die „Hausfrauenehe“, die Reduzierung auf Haushalt und Kindererziehung, den Verzicht auf die eigene Berufstätigkeit und die völlige ökonomische Abhängigkeit vom Mann. Nein danke – sagen die überwiegende Mehrheit der Frauen und Männer zu Recht. Trotzdem kann zum Teil eine kleinbürgerlich-völkische Denkweise wirken, wie sie die AfD verbreitet. Sie führt dazu sämtliches Unheil für Frauen auf „männlich-muslimische Migranten und Flüchtlinge“ zurück. Dafür setzt sie in widerwärtiger Manier an einzelnen negativen Erfahrungen an, die Frauen mit den niedrigsten Formen der bürgerlichen Weltanschauung im Gewand reaktionär-frauenfeindlicher oder religös-faschistoider, sexistischer Verhaltensweisen machen müssen. Solche reaktionären, sexistischen und frauenfeindlichen Auswüchse gibt es aber in allen Regionen, bürgerlichen Traditionen und Kulturen. Jedes Land hat eine fortschrittliche Kultur der Arbeiterklasse, der Massen, des Kampfes für Freiheit und Demokratie und die rückschrittliche Kultur und Tradition der Unterdrücker und Ausbeuter. Oder sind die Zehntausendfachen Missbrauchsfälle von Kindern in der katholischen Kirche etwa nicht reaktionär? Ebenso wenig, wie arabische junge Männer für Messerstecherei und Vergewaltigung stehen, würde man deshalb sagen, deutsche katholische Männer missbrauchen automatisch Kinder! Die AfD versucht, klassenmäßige Konflikte in völkische umzudeuten, was man angreifen und auseinandernehmen muss. Die meisten Flüchtlinge sind doch gerade vor dem faschistischen IS mit seinen barbarischen Gepflogenheiten geflohen! Gegen solche AfD-Parolen bieten ver.di-Frauen bundesweit Workshops unter dem Titel „Stammtischkämpferinnen-gegen-rechts“ an.

Antikommunismus spaltet

Die IG Metall tritt in ihrer Programmatik für eine „soziale, demokratische und ökologische Wirtschaftsordnung und eine gerechte Gesellschaft in der Arbeits- und Lebenswelt“ ein. Trotzdem wird von Teilen des Vorstands an den Unvereinbarkeitsbeschlüssen gegen die MLPD als konsequente und revolutionäre Kraft festgehalten. Wenn der Antikommunismus zur Grundlage wird, dann wird die über Jahre gemeinsame vertrauens­volle Zusammenarbeit in der gewerkschaftlichen Frauenbewegung zerstört und Initiativen erstickt. In ihrem Grußwort an den ver.di-Bundeskongress 2019 schrieb die MLPD deshalb: „… Weil die Suche nach einer grundsätzlichen gesellschaftlichen Alternative auch unter der Masse der Gewerkschaftsmitglieder zunimmt, betreiben die Herrschenden massive antikommunistische Unterdrückung sowie sozialchauvinistische Spaltung durch die Propaganda von Standortdenken und der ,Wettbewerbsfähigkeit‘ Deutschlands. Anziehend für viele ist ver.di, weil sie kämpft … (und) keine Unvereinbarkeitsbeschlüsse gegen linke Parteien durchsetzt.“

Die MLPD, als ICOR-Partei5 in Deutschland wird ihre Arbeit zum Internationalen Frauentag der Förderung der Bewusstheit und der Organisiertheit der Frauenbewegung widmen: Nur organisiert kann man die Welt verändern!