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Habecks Faszination für Gustav Noske

Robert Habeck, der Co-Vorsitzende von B90/Grüne, wird in der bürgerlichen Presse gerne als Kanzlerkandidat gehandelt. Für das Kapital ist das kein Schrecken. Denn Habecks „Lieblingsgenosse“ ist der 1946 verstorbene, berüchtigte SPD-Minister Gustav Noske

Von Jörg Weidemann
Habecks Faszination für Gustav Noske
Gustav Noske (1868–1946) hier mit General Lüttwitz, der 1919 den Spartakusaufstand im Blut erstickte

Für den Hintergrund muss man etwas ausholen. Robert Habeck schrieb zusammen mit seiner Frau vor gut zehn Jahren das Theaterstück „Neunzehnachtzehn“. Es handelt vom Aufstand der Kieler Matrosen und Arbeiter. Ihr Aufstand war das Signal für die Novemberrevolution, die Deutschland aus dem I. Weltkrieg nahm und das Kaiserreich beendete.

Im Dezember 2018 wurde Habecks Stück erneut in Kiel aufgeführt und der Autor sprach im Deutschlandfunk über seine Intention und über Gustav Noske. Letzterer steht gar im Zentrum des Stücks, weil Noske – so Habeck – ihn fasziniert habe.

Kurzer historischer Einschub: Gustav Noske ist als Bluthund der SPD bekannt. Die brutale Niederschlagung der revolutionären Arbeiterkämpfe wurde von ihm gemeinsam mit faschistoiden Militärs und Freikorps organisiert. Um der Konterrevolution zum Sieg gegen den Sozialismus zu verhelfen, prägte er den Satz: „Einer muss der Bluthund sein“. Rund 1200 Arbeiterinnen und Arbeiter wurden allein im März 1919 in Berlin getötet. Noske hatte die sofortige Erschießung jedes Aufständischen angeordnet, der „mit der Waffe in der Hand gegen die Regierungstruppen kämpfend angetroffen wird“. Im Januar waren bereits Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht in Absprache mit der SPD-Führung ermordet worden.

Noske war auch in den faschistoiden, militaristischen Kapp-Putsch verwickelt, was schließlich zu seiner Absetzung als Reichswehrminister führte.

Weiß Habeck das alles nicht? Doch. So führt er im Interview selbst aus: Noske „hat die Revolution übernommen und letztlich sogar wieder abgewürgt, also er hat da schon in Kiel das Bündnis mit den Offizieren wieder gesucht und ist es eingegangen“. In diesem scheinbaren Widerspruch ist gar Habecks Faszination für Noske verwurzelt: „Dieses Changieren zwischen ‚Eigentlich will ich die Revolution und andererseits suche ich die Ordnung und ich versuche sie zu steuern‘, das ist ein Stück weit auch, wenn ich das so sagen darf, ohne es zu übertreiben, Metapher für den täglichen Alltag auch als grüner Bundesvorsitzender.“ Aber Noske wollte nie eine Revolution. Er wurde vom kaiserlichen Reichskanzler Prinz Max von Baden nach Kiel geschickt, um die Arbeiter zu stoppen. Unter Vortäuschung einer revolutionären Gesinnung ließ sich Noske an die Spitze des Arbeiter- und Soldatenrats wählen. Schließlich erstickte er die Revolution im Blut, im Bündnis mit der Konterrevolution. Für Habeck eine Metapher seines Vorsitzes?

Habeck nennt ein Beispiel: „Ich musste mal einen Schlachthof schließen …, wir hatten da Verstöße gegen Tierschutz festgestellt … und ich wusste überhaupt nicht, ob das richtig oder falsch ist, das hätte auch meinen Rücktritt bedeuten können. Ein riesiges Polizeiaufgebot, eine Riesenwelle der Empörung durch die Fleischindustrie, auf der anderen Seite viel Unterstützung, aber es hatte eben enorme Konsequenzen für den Agrarhandel und für die Fleischwirtschaft.“1

Geschmacklos ist dieses Beispiel allemal, aber es offenbart auch eine Seelenverwandschaft zwischen Noske und Habeck: Für Karriere und Kapital geht man notfalls über Leichen. Auch wenn es bei Habeck zunächst bei Tierkadavern blieb.