Rojava
"Unsere einzigen Freunde stehen auf den Straßen weltweit!"
Salih Müslim war von 2010 bis 2017 Co-Vorsitzender der syrischen Partei der Demokratischen Union (PYD). Aktuell arbeitet er als stellvertretender Koordinator des Nationalen Koordinationskomitees für Demokratischen Wandel. Am 26. Oktober nahm er zum Angriffskrieg des faschistischen türkischen Regimes auf die Demokratische Föderation Nordostsyriens Stellung.
Aufgrund der Kriegssituation konnte Salih Müslim am 26. Oktober nicht wie geplant nach Deutschland einreisen, um auf der Veranstaltung der Marxistisch-Leninistischen Kommunistischen Partei der Türkei (MLKP) in Ludwigshafen anlässlich ihres 25. Geburtstages zu sprechen. Er sandte diese Botschaft für die Podiumsdiskussion per Skype. Die Türkei fordert die Auslieferung von Salih Müslim, weil der überzeugte Demokrat in ihren Augen ein Terrorist sei. Die Rote Fahne freut sich umso mehr, dieses Statement hier vollständig veröffentlichen zu können.
Die Vereinbarung, sowohl die mit den Russen als auch mit den USA, akzeptieren wir nicht
Salih Müslim
Er sagte dabei: Seit dem 9. Oktober wird Rojava nicht nur von der Türkei, sondern auch von islamistischen terroristischen Banden überfallen. Am 17. Oktober ist es zu einer Waffenruhe gekommen. Wir sind bereit zu sprechen – aber die andere Seite hat uns nicht respektiert. Die Vereinbarung, sowohl die mit den Russen als auch mit den USA, akzeptieren wir nicht. Wir akzeptieren nur die Waffenruhe. Zudem gibt es gar keine wirkliche Waffenruhe, die Angriffe gehen weiter und auch die Zivilbevölkerung ist unter Beschuss.
Keine andere Wahl als den Widerstand mit allen Mitteln
Alle haben sich vereinigt und diese Kräfte hören auf niemandem. Dies gilt insbesondere auch für die AKP und die MHP (faschistische Partei in der Türkei, die mit der AKP Recep Tayyip Erdoğans zusammen die Regierung bildet, Anm. d. Red.). Wir haben keine andere Wahl, als den Widerstand mit allen Mitteln. 300.000 Menschen sind bereits auf der Flucht. Viele von ihnen sind allein, die meisten müssen unter freiem Himmel schlafen und haben keine Zuflucht. In Kobanê oder in al Hasaka kommen sie unter und man versucht sie zu versorgen, aber an vielen anderen Orten haben sie niemand, der sich um sie kümmert.
Die Hilfsorganisationen der internationalen Organe helfen nicht mit Medikamenten. Die Krankenhäuser, die funktionieren, werden immer weniger. Über Südkurdistan¹ erreichen uns einige Güter, aber diese reichen vorne und hinten nicht aus. Die Infrastruktur ist gestört – Wege zwischen den Städten wurden dichtgemacht.
Luftraum muss gesperrt werden
Gegen uns steht jetzt nicht mehr nur der IS. Auch Drohnen und Kampfflieger der türkischen Faschisten bedrohen unser Leben. Der Luftraum muss gesperrt werden! Stattdessen bedrohen Kampfflugzeuge unsere Existenz. Mehr als zwei Jahre hat die Türkei in Wirklichkeit ein gutes Verhältnis zum IS gepflegt. Sie haben während der IS die Ölquellen besetzt hatte, einen regen Ölhandel betrieben und auch am Erdgas hat die Familie Erdoğans gut verdient.
Widerstand von Kobanê und für Kobanê als leuchtendes Signal
Ein leuchtendes Signal ist der Widerstand von Kobanê und für Kobanê – der Kampf um Kobanê entstand dadurch, dass der IS und Bandenmitglieder an der Grenze angesiedelt werden sollten. Jetzt bereiten sie sich auf einen neuen Angriff vor. Diese Banden morden, zerstören und zerfleischen die Menschen.
Es gab internationale Zusammenkünfte und Vereinbarungen gegen uns. Dreimal tagten die UN, die USA und Russland. Es ist ein dreckiger Plan, sie sind alle übereingekommen gegen die Kurden. Wir kennen den Genozid an den Armeniern, hier geht es auch letztlich um einen Genozid an den Kurden. Vor allem aber richtet sich der Angriff gegen das demokratische System der Frauenrechte, der Selbstverwaltung, des multiethnischen friedlichen Zusammenlebens. Das wollen sie zerstören!
Unsere einzigen Freunde stehen auf den Straßen weltweit! Sie sollen wissen: wir werden Widerstand bis zum Schluss leisten. Wir fühlen uns nicht allein, weil es euch gibt! Wir werden uns bis zum Ende verteidigen – und bis zum Ende heißt bis zum Sieg. Dieser Sieg wird allen fortschrittlichen Kräften auf der Welt nützen. Wir waren niemals in den letzten Jahren getrennt von euch. Und deswegen wird der Sieg nicht nur uns gehören, sondern er wird auch euch gehören.
Wie soll die Revolution verteidigt werden?
Nach dieser Grußbotschaft wurden verschiedene Fragen an ihn gestellt, zum Beispiel, ob man von einer neuen Phase der Situation der Kurden reden muss. Wie soll die Revolution verteidigt werden?
Salih Müslim: Die bedeutendste Errungenschaft ist, dass wir mit den arabischen Völkern verschmolzen sind. Jeder verteidigt im gemeinsamen Kampf auch seine eigene Ehre. Es ist eine Frage der Ehre geworden, diesen gemeinsamen Kampf zu führen. Das gilt auch in der Beziehung zu den Menschen in Europa: Europa hat in seiner Geschichte viele Werte wie Menschenrechte, oder Menschlichkeit, das sind eigentlich gemeinsame Werte.
Jedes Zugeständnis der Regierungen ist Resultat des Widerstands
Dieser Kampf bringt uns zusammen. Es gibt einige Regierungen, die Zugeständnisse gemacht haben, aber dies haben sie nur aus ihren eigenen Interessen heraus gemacht und aufgrund des Drucks von der Straße. Jedes dieser Zugeständnisse ist ein Resultat des Widerstands auf der Straße!
Wir müssen weiter gegen den türkischen Faschismus kämpfen. Wir müssen uns allerdings auch fragen, warum gibt es nicht noch mehr Widerstand in der Türkei? In der türkischen Bevölkerung gibt es schon weite Teile, die auch blind gegenüber der Realität sind, oder gemacht wurden. Ihr müsst die Augen und die Ohren des Volkes sein! Die Opposition in der Türkei verhält sich so, als ob sie keine Opposition wäre. Auf jeden Fall muss die Solidarität weitergeführt werden. Auf der Straße und überall müssen wir unsere Stimme erheben. Ich wiederhole, dass der Sieg uns gehören wird, weil wir im Recht sind.
Die revolutionäre Weltorganisation ICOR ruft zum weltweiten Kobanê-Tag am 2. November 2019 auf
Hier geht es zum Film "Den Sieg sichern!" über die ICOR-Solidaritätsbrigaden für Kobanê (bei Youtube auch auf Englisch, Französisch, Arabisch, Spanisch und Kurmanci)