Rote Fahne 17/2019

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Der deutsch-sowjetische Nichtangriffsvertrag – Zielscheibe antikommunistischer Geschichtsfälschung

Am 23. August 1939 wurde in Moskau der deutsch-sowjetische Nichtangriffsvertrag unterzeichnet. Auch 80 Jahre nach diesem Ereignis werden die Gründe für sein Zustandekommen von Antikommunisten, vielen bürgerlichen Historikern und Medien falsch dargestellt

Der deutsch-sowjetische Nichtangriffsvertrag – Zielscheibe antikommunistischer Geschichtsfälschung
Wjatscheslaw Molotow unterzeichnet den Nichtangriffsvertrag am 23. August 1939 in Moskau. In der 2. Reihe sind Boris Michailowitsch Schaposchnikow, Marschall der SU, Joachim von Ribbentrop, Hitlers Außenminister, und Josef Stalin

Das Deutsche Historische Museum (Berlin) behauptet zum Beispiel, dass mit der Unterzeichnung des Paktes „die britisch-französischen Bestrebungen, die Sowjetunion in eine ‚Große Allianz‘ gegen das nationalsozialistische Deutschland einzubinden“,1 gescheitert seien. Andere sprechen davon, dass Hitler mit dem Vertrag den Rücken freibekommen hätte, Polen zu überfallen. Das geheime Zusatzprotokoll wird als Vereinbarung über die Aufteilung Polens und der baltischen Staaten dargestellt.

Wie war es wirklich?

Mit ihrer Außenpolitik verfolgte die damals sozialistische Sowjetunion das Ziel, den Frieden zu erhalten. Ihr Vorschlag war, die aggressiven Staaten (Deutschland, Italien und Japan) durch gegenseitige Beistandsverträge und militärische Vereinbarungen der weniger und nicht aggressiven Staaten von Gewaltanwendung und kriegerischen Maßnahmen abzuhalten. Die imperialistischen Mächte Großbritannien und Frankreich wollten dagegen die eigenen Einflusssphären sichern, vor allem aber die Sowjetunion schwächen.

Deshalb kam es bis zum Ausbruch des II. Weltkriegs, trotz vieler Versuche vonseiten der Sowjetunion, zu keiner Vereinbarung gegen Deutschland. Hitler hatte die Eroberung und Zerschlagung der Sowjetunion als vorrangiges Ziel seiner Politik benannt. Er war für die herrschenden Klassen und ihre Politiker im Westen der geeignete Rammbock. Man gab seinen Forderungen nach und nannte diese Politik „Appeasement“ (Beschwichtigung). Sie ermöglichte die Besetzung Abessiniens durch Italien, den Sturz der spanischen Republik, die Besetzung Österreichs und die Zerschlagung der Tschechoslowakei. Der Westen ermunterte Hitler und den italienischen Faschisten Mussolini dazu, neue Forderungen zu stellen.

So konnte sich der deutsche Imperialismus – vom Westen geduldet – Länder und deren Industrien zur weiteren Aufrüstung einverleiben. Und das verbrecherische faschistische Regime in den besetzten Ländern installieren. Bürgerliche Historiker und Medien vertuschen diese Zusammenhänge und die Absichten der Westmächte und nennen den Nichtangriffsvertrag einen „teuflischen Pakt“.2

Die souveräne Tschechoslowakei wurde Hitler 1938 geopfert, auf der sogenannten Münchner Konferenz der Westmächte mit dem faschistischen Deutschland. Neville Chamberlain behauptete, München bedeute „Frieden in unserer Zeit“. Hitler fühlte sich aber nun stark genug, einen Krieg zu beginnen.

Trotz der Münchner Ereignisse bot die Sowjetunion den Westmächten Gespräche über Maßnahmen zur kollektiven Sicherheit an. Sie begannen im April 1939, zogen sich aber in die Länge. Anfang August fuhren Vertreter aus England und Frankreich nach Moskau, hatten aber keinerlei Vollmachten, Verträge abzuschließen.

Die reaktionäre Regierung Polens, deren Land und Bevölkerung ganz offensichtlich durch Deutschland militärisch bedroht wurde, weigerte sich, sowjetische Truppen im Verteidigungsfall ins Land zu lassen. Wie aber sollte Polen verteidigt werden, wenn keine Truppen das Land betreten durften? Die Gespräche in Moskau brachten keine greifbaren Ergebnisse.

Warum die Sowjetunion den Nichtangriffsvertrag abschloss

Joseph Davies, der damalige US-Botschafter in Moskau, schreibt: „Diese Ereignisse waren geeignet, den Argwohn der realistisch eingestellten Sowjetführer, auch Stalins, zu nähren und ihre Unzufriedenheit zu erregen. … Dies hat charakteristischerweise zu einem Umschwung ins Gegenteil geführt, indem sie beschlossen, nunmehr ihre eigene Stellung zu sichern, und zu diesem Zweck mit Deutschland einen Nichtangriffspakt abzuschließen, der Rußland, wenigstens eine Zeitlang, den Frieden sichern soll …“3

Weil die Verhandlungen mit den Westmächten keine Ergebnisse brachten, nahm die sowjetische Regierung das deutsche Angebot an, einen Nichtangriffsvertrag abzuschließen. Der Versuch der Westmächte, die Sowjetunion zu isolieren und Hitler gegen die Sowjetunion zu hetzen, war damit vorerst gescheitert. Die Sowjetunion hatte Zeit gewonnen, um sich auf die erwartete militärische Auseinandersetzung mit dem deutschen Faschismus vorzubereiten, an der Stalin nie gezweifelt hat.

Die Sowjetunion hat auf diplomatischem Gebiet alles getan, den Ausbruch des II. Weltkriegs zu verhindern. Unter Bruch des Nichtangriffsvertrags hat Deutschland die Sowjetunion am 22. Juni 1941 überfallen und sich vor der Welt eindeutig als Aggressor entlarvt. Das bestreiten heute nur Faschisten und Geschichtsfälscher.

Die Sowjetunion hat Hitlers Expansion erfolgreich Widerstand geleistet, zuerst diplomatisch und nach dem Überfall dann militärisch. Der deutsche Faschismus wurde hauptsächlich durch die gewaltigen Anstrengungen der Völker der Sowjetunion besiegt.