Rote Fahne 14/2019
Trump zündelt am Pulverfass Naher Osten
In den letzten Tagen und Wochen spitzt sich die Kriegsgefahr am Persischen Golf dramatisch zu. Die USA beschuldigen den Iran, für Anschläge auf zwei Tankschiffe im Golf von Oman am 13. Juni verantwortlich zu sein.
Die iranische Regierung bestreitet das, ließ aber in der Nacht zum 20. Juni eine US-Aufklärungsdrohne abschießen. Sie sei über iranisches Hoheitsgebiet geflogen. Tags darauf stoppte US-Präsident Donald Trump einen „Vergeltungsschlag“, mit dem mehrere Ziele im Iran angegriffen werden sollten, nur kurz vor der Ausführung.
Seit seinem Amtsantritt setzt Donald Trump auf verstärkte Konfrontation mit dem neuimperialistischen Iran. Im vergangenen Jahr kündigte er das Atomabkommen einseitig auf, das 2015 zwischen den USA, Russland, China, Großbritannien, Frankreich, Deutschland und dem Iran abgeschlossen worden war. Gleichzeitig erließ er umfassende wirtschaftliche Sanktionen. Im Mai entsandte die US-Regierung weitere 1500 Soldaten, einen Flugzeugträgerverband und eine Bomberstaffel in den Nahen Osten. Das Pentagon hat bereits Pläne ausgearbeitet, bis zu 120.000 Soldaten in die Region zu verlegen.
Was treibt Trumps Aggressivität voran?
Oft wird noch unterschätzt, wie ernst es der US-Regierung mit der Vorbereitung eines solchen Kriegs tatsächlich ist. „Ich will keinen Krieg, und wenn es einen gibt, wird es Vernichtung geben, wie man sie vorher nicht gesehen hat“, sagte Trump in einem Interview des US-Senders NBC am 24. Juni. Die bereits eingeleiteten Raketenangriffe auf iranische Ziele stoppte er angeblich, weil mit 150 Todesopfern zu rechnen war. Solche widersprüchlichen Ansagen haben ihren Grund. Trump kann es sich gegenüber seiner Massenbasis nicht leisten, als Kriegstreiber dazustehen. Viele haben ihn auch deshalb gewählt, weil er demagogisch versprach, die USA würden sich zukünftig eher aus Kriegen und internationalen Konflikten heraushalten. Wenn er das wirklilch wollte, hätte er längst den Bomben- und Drohnenkrieg in Afghanistan stoppen müssen, der allein im letzten Jahr 3804 weitere zivile Todesopfer forderte.
Mit Trumps imperialistischer Demagogie verknüpft ist eine reale Politik aggressiver Kriegsdrohungen und -vorbereitungen in immer mehr Regionen der Welt. Mit putschartigen Provokationen der reaktionären Opposition in Venezuela unter Juan Guaidó versuchen die US-Geheimdienste auch dort, Vorwände für Militäroperationen zu schaffen. Bereits im August 2017 sagte Trump, er schließe eine Militäroperation gegen Venezuela – bis hin zu einer Invasion – nicht aus. Erst vor wenigen Tagen prahlte Trump in einem Tweet: „Unser Militär ist … neu und bereit, bei Weitem das beste der Welt.“ Es ist genauso wenig Zufall, dass Trump einen Kriegstreiber wie John Bolton zu seinem obersten Sicherheitsberater machte, der ganz unverblümt einen militärischen Überfall auf den Iran fordert. „Bombardiert den Iran, um die iranische Bombe zu stoppen“, hatte dieser 2015 gegenüber der New York Times gesagt. Bolton war ein „Architekt“ des Irak-Kriegs 2003 und ist ein Vertreter einer extrem aggressiven militärischen Außenpolitik. Diese extreme Position ist allerdings auch in der US-Administration umstritten.
Freilich setzt Trump selbst immer wieder auf die Methode der psychologischen Kriegsführung, indem er gegenüber rivalisierenden Mächten eine maximale Drohkulisse inszeniert, um sie zu vorteilhafteren „Deals“ im Interesse des US-Imperialismus zu erpressen. Es ist seine Strategie, provokativ die gegenwärtigen Machtverhältnisse zu erschüttern, um sie im Sinne der USA neu ordnen zu können. Dem entspricht sein gerne als „impulsiv“ und „unberechenbar“ bezeichneter Führungsstil. Die militärischen Drohgebärden können jederzeit auch unkontrolliert eskalieren. Wer mit dem Feuer spielt, muss auch bereit sein, es einzusetzen! Im Fall des Iran steht dem Aggressor USA ein neuimperialistisches Land mit einem faschistischen Regime gegenüber, das selbst aggressiv und provokativ machtpolitische Ansprüche im Nahen und Mittleren Osten erhebt, entsprechend agiert und bislang keine Anstalten macht, sich auf irgendeine Erpressung einzulassen.
Ausschlaggebend für die Aggressivität des US-Imperialismus ist ein massiver Rückfall in seiner weltmarktbeherrschenden Stellung. US-Konzerne wie General Motors, Chrysler und Boeing mussten Rückschläge einstecken im Kampf um die Weltmarktführung. Die Zahl der Übermonopole der 14 neuimperialistischen Länder – zu denen auch China, Russland, Brasilien, die Türkei und der Iran zählen – im Kreis der 500 mächtigsten Monopole der Welt hat sich mehr als vervierfacht. Von 32 im Jahr 2000 auf 147 im Jahr 2017. Die Erhöhung ihres Anteils ging vor allem auf Kosten der USA, der EU und Japans.
Der zurückgefallene US-Imperialismus dringt umso aggressiver auf die Neuverteilung der Macht und Einflusssphären auf Kosten der (neu-)imperialistischen Rivalen. Die Rechnung des US-Imperialismus, im Syrien-Krieg den Einfluss Russlands und Chinas zurückzudrängen, ist nicht aufgegangen. Deshalb setzt Trump im Kampf um den vorherrschenden Einfluss im Nahen und Mittleren Osten nun vor allem darauf, den Iran zu schwächen beziehungsweise ihm die Bedingungen der USA zu diktieren. Zugleich geht es den USA um die Schwächung der hauptsächlichen Konkurrenten im Kampf um die Weltherrschaft China, Russland und die EU, die alle eng mit dem Iran kooperieren oder auf Grundlage des Atomabkommens die Wirtschaftsbeziehungen wieder intensivieren wollten. China importiert circa 40 Prozent seines Erdöl- und Erdgas-Volumens aus dem Iran. Umgekehrt liefern China und Russland vor allem Waffen in den Iran.
Ein wesentlicher Hintergrund für die zunehmende Aggressivität des US-Imperialismus ist die insgesamt wachsende Krisenhaftigkeit des Imperialismus mit zunehmenden Vorboten einer neuen Weltwirtschafts- und Finanzkrise.
Weltweite Rechtsentwicklung verschärft die allgemeine Kriegsgefahr
Seit mehreren Jahren erleben wir eine fortschreitende Rechtsentwicklung der imperialistischen Regierungen. Dabei wurden und werden immer mehr ultrareaktionäre bis faschistoide Regierungen installiert, wie in Indien, Brasilien, Mexiko, der Türkei und vielen anderen Ländern.
Die Tendenz der imperialistischen Kriegsvorbereitung dokumentiert sich auch in einer neuen Welle der Hochrüstung. 2018 sind die globalen Rüstungsausgaben erneut angestiegen, jetzt auf 1,8 Billionen US-Dollar, um 2,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.1 An der Spitze steht die Erhöhung der Militärausgaben in den USA um 4,6 Prozent auf 649 Milliarden US-Dollar.
Im Interview mit der Roten Fahne (6/2019) führt Gabi Fechtner, Parteivorsitzende der MLPD, zu den Hintergründen dieser Entwicklung aus: „Ihren machtpolitischen Niederschlag findet die Verschärfung der zwischenimperialistischen Widersprüche in der allgemeinen Tendenz der imperialistischen Kriegsvorbereitung. Erhöhung der Rüstungshaushalte, explodierende Rüstungsexporte; gewachsene Bereitschaft, zwischenimperialistische Widersprüche militärisch auszutragen und Befreiungskämpfe gewaltsam zu unterdrücken; Neueröffnung des atomaren Wettrüstens oder auch die Bedrohung der Souveranität von Venezuela durch eine Invasion des US-Imperialismus. All das dokumentiert die Vorbereitung imperialistischer Mächte auf gewaltsame Großkonflikte.“
Die faschistische Regierung im Iran ist dabei längst nicht nur Opfer. Vielmehr ist sie selbst ein neuimperialistischer Aggressor geworden, mit vielfältigem, vor allem militärischem Einfluss im Irak, Afghanistan, Syrien, dem Libanon und weiteren Staaten. Die Stärke des Militärs des Iran wird auf rund 350.000 Mann geschätzt. Dazu zählen auch die circa 150.000 Mann der sogenannten „Revolutionsgarden“, die direkt der faschistischen Staatsführung unterstellt sind. Seit Jahren hat der Iran an politischem Einfluss im Nahen Osten gewonnen, stützt das reaktionäre Assad-Regime in Syrien und ist Waffenlieferant für viele paramilitärische Gruppen, die islamistisch verbrämte faschistische Ziele verfolgen.
Die US-Sanktionen verschärfen die soziale Lage der iranischen Bevölkerung. Der Wert der iranischen Währung ist – nach offiziellen Angaben – um über 60 Prozent gegenüber dem Vorjahr gefallen, die Inflation liegt bei 37 Prozent, und die Kosten für Nahrungsmittel und Medizin sind zwischen 40 und 60 Prozent gestiegen. Ein iranischer Genosse, der vor einigen Wochen im Iran war, berichtet: „Mehr als 50 Prozent der Bevölkerung sind in bittere Armut gedrängt. 100.000 mittlere und auch größere Betriebe haben in den vergangenen zwei Jahren dichtgemacht. Die US-Sanktionen haben die eh schon schlechte Lage der Menschen dramatisch verschärft. Aber auch den Widerstand hervorgerufen: Seit mehreren Jahren haben sich Massenproteste, regionale Hungeraufstände, Kämpfe und Streiks entwickelt. Insbesondere die Arbeiterbewegung erstarkt – trotz großer Repressalien und Unterdrückung.“
Eine neue, konsequente Friedensbewegung ist notwendig
Ist es nicht aussichtslos, sich den kriegerischen Plänen der US-Regierung entgegenzustellen? Ein weltweiter aktiver Massenwiderstand muss und kann verhindern, dass es zu einem imperialistischen Krieg zwischen den USA und dem Iran kommt, der sich schnell zu einem Flächenbrand im Nahen und Mittleren Osten ausbreiten kann und die Gefahr eines dritten atomaren Weltkriegs in sich birgt. Eine zentrale Anforderung an eine neue, weltweite Friedensbewegung ist, dass sie jede imperialistische Politik angreift. Der US-Imperialismus ist der weltweite Hauptkriegstreiber – dennoch wäre es blauäugig, sich im Kampf gegen den US-Imperialismus auf imperialistische Mächte wie China, Russland oder die EU zu verlassen. Trügerische Hoffnungen auf eine EU, die als friedensstiftende Vermittlerin auftritt, untergraben den Aufbau einer starken, internationalen Friedenskraft. Die EU hat tatsächlich verschiedene gegenläufige Interessen im Bezug auf den Iran. Viele europäische Monopole, darunter die Luftfahrtindustrie, die Automobilindustrie und andere werden mit den US-Sanktionen am Ausbau ihrer wirtschaftlichen Einflussnahme im Iran gehindert. Gleichzeitig wollen sie sich in der Iran-Frage auch nicht offen mit den USA anlegen, da ihr Kapital- und Warenexport in die USA denjenigen in den Iran um ein Vielfaches übertrifft.
Für den Zusammenschluss der weltweiten antiimperialistischen und antifaschistischen Kräfte reicht eine neue Friedensbewegung alleine nicht aus. So heißt es in dem Aufruf der revolutionären Weltorganisation ICOR zum internationalen Kampftag gegen Faschismus und Krieg: „Dringlicher denn je ist heute der Aufbau einer weltweiten antiimperialistischen, antifaschistischen Einheitsfront gegen Faschismus und Krieg. Gegenwärtig verstärkt sich jedoch die allgemeine Tendenz der imperialistischen Kriegsvorbereitung. … Aber die Arbeiter und Frauen, die Bauern und Jugendlichen der Welt sind damit nicht einverstanden! Millionen Menschen stehen auf, für den Frieden, im antifaschistischen Kampf, im Widerstand gegen die drohende Umweltkatastrophe und gegen den Abbau sozialer und politischer Rechte.“ Der breite Zusammenschluss aller konsequent gegen den Imperialismus gerichteten Kräfte mit dem internationalen Industrieproletariat als Kern trägt dazu bei, eine Kraft zu schaffen, die dem Imperialismus überlegen sein wird. (Mehr dazu auf S. 24/25)
Das imperialistische Weltsystem ist das Problem
In der Geschichte hat die sozialistische Sowjetunion eine hervorragende und völlig klare Friedenspolitik entwickelt. Entgegen der imperialistischen Kriegspolitik des russischen Zaren hat sie den Kampf um den Frieden damit verbunden, die eigene Bourgeoisie in Russland zu stürzen. Ein erstes Dekret der siegreichen Revolutionäre war der Aufruf zur sofortigen Beendigung des Krieges.
Die materiellen Voraussetzungen für den Aufbau des Sozialismus und die gleichberechtigte, solidarische und friedliche Zusammenarbeit in einem sozialistischen Staatenbund waren noch nie so ausgereift wie heute. Dagegen bedeutet Imperialismus immer wieder aufs Neue kriegerische Auseinandersetzungen. Bis hin zur Gefahr eines dritten atomaren Weltkrieges und der Zerstörung der menschlichen Lebensgrundlagen.
Stärkung der revolutionären Kräfte – wichtigste Zukunftsinvestition
Insbesondere unter der Jugend ist der Einsatz für den Frieden, unter anderem bei den Ostermärschen 2019, gestiegen. Mehr und mehr Menschen werden aktiv gegen Militarismus, Hochrüstung und gesteigerte Kriegsgefahr. Darauf aufbauend braucht es vor allem mehr Bewusstheit über den Imperialismus. Das umfasst Bewusstheit auch über die Tatsache, dass es Kriege, Kriegsgefahr, Hochrüstung, Vergeudung von Ressourcen für imperialistische Kriegspolitik oder zur Vertreibung von Millionen Menschen zur Flucht so lange geben wird, wie es Imperialismus gibt. Für die Arbeiterklasse und die Volksmassen ist es ausschlaggebend, dass sie mit jeder Strömung des Sozialchauvinismus fertigwerden. „Proletarier aller Länder und Unterdrückte, vereinigt euch!“ – das ist die Klassenlosung gegen jede Unterordnung unter die jeweilige imperialistische Regierung, imperialistische Interessen überhaupt und gegen Standortpropaganda der Monopole des international alleinherrschenden Finanzkapitals.
Erst wenn es internationale sozialistische Staaten der Welt gibt, die gleichberechtigt, solidarisch, die Einheit von Mensch und Natur schützend, zum gegenseitigen Nutzen zusammenarbeiten werden, können Kriege gebannt werden. Diesen Weg gehen die MLPD und der Jugendverband REBELL.