Geschichte

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Karl Marx in Köln – ausgezeichneter Organisator und Agitator

Mit der Verbreitung der Dampfmaschine vervielfacht sich seit Beginn des 19. Jahrhunderts die Produktion in Fabriken und Bergwerken sowie der Transport auf Eisenbahnen und Schiffen

Karl Marx in Köln – ausgezeichneter Organisator und Agitator
Karl Marx im Gespräch mit Arbeitern

Die industrielle Entwicklung geht mit der weiteren Herausbildung der kapitalistischen Klassenscheidung einher: Die Zahl der Industriearbeiter wächst stark an, ihnen gegenüber stehen die Fabrik- und Aktienbesitzer, die von der Ausbeutung ihrer Arbeitskraft profitieren. Die Bevölkerung in Köln verdoppelt sich innerhalb von 30 Jahren auf 95 000 im Jahr 1849. Aber 25 000 Kölner lassen sich als arm registrieren, um betteln zu dürfen. Wirtschaftskrisen brechen aus, Arbeiteraufstände wie der Weberaufstand 1844 werden blutig zusammengeschossen. Noch liegt die politische Macht in Deutschland beim Feudaladel in zahlreichen zersplitterten Fürstentümern. Doch die Bourgeoisie – der damalige Begriff für die Klasse der Kapitalisten – braucht zur Durchsetzung ihrer Interessen die politische Macht und die nationale Einheit.

Im April 1842 machen Kölner Fabrikanten den 24-jährigen Karl Marx zum Chefredakteur der Rheinischen Zeitung. Sie erwarten von ihm, dass er die preußische Monarchie attackiert1. Hier trifft sich Marx zum ersten Mal mit Friedrich Engels. Wegen seiner revolutionär-demokratischen Artikel, der Erfolglosigkeit der Zensur und einer Vervielfachung der Abonnentenzahlen lässt König Friedrich-Wilhelm IV. die „Hure am Rhein“ verbieten. Im März 1843 zieht Marx nach Paris. Wohin Marx kommt, schreibt er nicht nur, sondern er organisiert!

Am 22. Februar 1848 stürzen die Arbeiter in Paris die Regierung. In den ersten zwei Märzwochen gibt es europaweit bewaffnete Aufstände, am 18. März in Berlin. In Köln stürmen am 3. März 5000 Menschen, von den Kommunisten mobilisiert, das Rathaus. Marx und Engels kommen mit den Kölner Arbeitern Joseph Maximilian Moll und Karl Schapper am 11. April nach Köln. Schon am 13. April gründen 300 Arbeiter und Handwerksgesellen den Kölner Arbeiterverein. Der Verein wächst schon bis Anfang Mai auf 5000 Mitglieder. Marx und andere erreichen, dass der Verein Anfang Juli Moll und Schapper als Präsidenten wählt. Am 25. April gründet Marx die „Demokratische Gesellschaft“, er wird ihr Leiter. Gleichzeitig bereitet er die Herausgabe der Neuen Rheinischen Zeitung vor. Er sammelt 13 000 Taler, organisiert den Druck und den Vertrieb in Europa, und stellt die Redaktion auf – innerhalb von sechs Wochen. Am 1. Juni erscheint die Neue Rheinische Zeitung als erste revolutionäre deutsche Tageszeitung. Marx leitet die Zentrale des „Bundes der Kommunisten“ und treibt die gesamtdeutsche Vereinigung der Arbeitervereine voran. 1848 erscheint das von Marx und Engels verfasste Manifest der Kommunistischen Partei.

Um Köln herum haben die Preußen Anfang der 1840er-Jahre zwölf große Festungen errichtet. Aber Marx hat Verbindung zu den Truppen, erfährt und verhindert deren Einsätze in der Stadt; dafür gibt es Strafanzeigen. Am 13. September treffen sich auf dem Frankenplatz 6000 Kölner und wählen bei fünf Gegenstimmen einen „Sicherheitsausschuss“ – mit Marx. Er hatte seit Ende August mitorganisiert, dass Arbeiter in alle umliegenden Dörfer ziehen und die Bauern mobilisieren. Die treffen sich am 17. September am Rhein vor Köln, zusammen mit Arbeitern – über 10 000 Menschen! Die Versammlung erklärt sich (bei einer Gegenstimme) für die demokratisch-soziale, für die rote Republik; der Sicherheitsausschuss wird „bestätigt“. Die Reaktion schlägt zurück: Alle Arbeiterführer sollen am 25. September verhaftet werden. Es gibt große, erregte Versammlungen. Am späten Nachmittag wird geschrien: Militär rückt heran, baut Barrikaden! Bis in die Nacht stehen Marx und andere auf den Barrikaden und beraten sich. Als am nächsten Morgen martialisch das Militär einmarschiert, sind alle Barrikaden leer – so wird ein Blutbad vermieden. Trotzdem verhängt der Militärkommandant bis zum 3. Oktober den Belagerungszustand. Alle fortschrittlichen Zeitungen werden verboten, ebenso jede Versammlung. Fast die ganze Redaktion der Neuen Rheinischen Zeitung ist auf der Flucht. Marx ist allein, ohne Geld, und so kann er erst am 12. Oktober die nächste Ausgabe herausbringen. Am 16. Oktober bittet der Arbeiterverein Marx, dessen Präsidentschaft zu übernehmen. Marx sagt zu.

Versuche, Marx zu verhaften, scheitern, da er immer von Hunderten Kölnern bei den Vernehmungen begleitet wird. Die Landwehr in Köln wählt ihre revolutionären Leitungen, der Turnverein sammelt Geld für Waffen – die haben auch die Landwehrmänner (noch) nicht. Aber am 6. Dezember löst der König die Nationalversammlung in Berlin auf – der Sieg der Reaktion. Marx prophezeit: Jetzt „wird das Königtum bürgerlich und die Bourgeoisie königlich werden“2. Die Bourgeoisie verbündete sich mit dem Feudaladel – eine Quelle der besonderen Aggressivität des sich später herausbildenden deutschen Imperialismus. Anfang Mai 1949 gibt es nochmals eine Reihe von Volkserhebungen in Sachsen, Westfalen, der Pfalz und Baden sowie der Rheinprovinz, am 10. Mai in Wuppertal mit Engels auf den Barrikaden. Am 16. Mai erhält Marx den Ausweisungsbefehl aus Preußen, Engels droht die Verhaftung. Am 19. Mai erscheint deshalb – in rot gedruckt – die letzte Ausgabe der Neuen Rheinischen Zeitung. Die Revolution ist vorbei – Marx muss nach London ins Exil.