Staat und Revolution

Staat und Revolution

Lehren aus 100 Jahre Oktoberrevolution

Der proletarische Staat als Staat neuen Typs und der Klassenkampf zur Aufhebung des Staates unter der Diktatur des Proletariats

Lehren aus 100 Jahre Oktoberrevolution
Die Arbeiter der Großbetriebe waren bereit für die Revolution – hier auf den Putilow-Werken in Petersburg, Foto: historisch

Eine entscheidende Grundlage für die erfolgreiche Durchführung der Oktoberrevolution und den Aufbau des Sozialismus in der Sowjetunion war die marxistisch-leninistische Theorie vom Staat. Sie wurde von Lenin in seiner Schrift „Staat und Revolution“ im August 1917 – unmittelbar vor der Oktoberrevolution, aufbauend auf den Erkenntnissen von Marx und Engels – weiter ausgearbeitet. Die Verfälschung dieser Theorie ist vielen Spielarten des Rechtsopportunismus und des Linkssektierertums gemein, und eine entscheidende Ursache für Niederlagen der Arbeiterbewegung im Kampf um den Sozialismus. Das Rote Fahne Magazin bringt in loser Folge Beiträge zu diesem Themenkomplex unter dem Stichwort „Staat und Revolution“.1

Ein Staat, der auf die eigene Abschaffung hinarbeitet

Die Oktoberrevolution zeigte, dass im Sozialismus die Macht der Kapitalistenklasse ökonomisch und politisch gebrochen und der bürgerliche Staat durch die Diktatur des Proletariats ersetzt werden muss. Erst dies ermöglicht die Enteignung des Privatbesitzes an Produktionsmitteln und Boden und ihre Vergesellschaftung in den Händen des gesamten werktätigen Volkes.

Der proletarische Staat, die Diktatur des Proletariats, ist der erste Staat in der Geschichte der Menschheit, der auf seine Selbst-Abschaffung hinarbeitet. Dies ist nur möglich, wenn er ein Instrument der Arbeiterklasse ist, um den Klassenkampf im Sozialismus weiterzuführen: Zur Überwindung der kapitalistischen Traditionen, zur Unterdrückung sämtlicher Formen von Ausbeutung und Umweltzerstörung, zur Schaffung von politischen Freiheiten und demokratischen Rechten für die breite Masse der Bevölkerung – und zur Unterdrückung der alten und neuen Kapitalisten. Solch ein Staat der Diktatur des Proletariats entwickelt völlig neue Merkmale im Vergleich zu den Staaten der Ausbeutergesellschaften:

Der proletarische Staat organisiert die Einbeziehung der breiten Massen in die Planung und Leitung der Produktion, Bildung, Forschung, Kultur und Medien, der kommunalen Selbstverwaltung und anderer notwendiger Tätigkeiten wie der Verteidigung. Dazu fördert er alle Formen der Selbstorganisation der breiten Massen in Räten, Gewerkschaften und anderen Selbstorganisationen. Er verzichtet so weit als möglich auf die Beschäftigung dauerhaft eingestellter Beamter.

Die Diktatur des Proletariats organisiert entsprechend ihrer Möglichkeiten die Volksbewaffnung. Neben den staatlichen Machtorganen wird es demokratisch gewählte Kontrollorgane geben, die eine Erziehungsarbeit unter den breiten Massen sowie gegenüber gewählten Funktionären durchführen. Sie ermöglichen eine unabhängige Kontrolle der Arbeit aller Organe. Zur Unterdrückung von konterrevolutionären Aktivitäten des Klassengegners oder der Imperialisten im Ausland braucht es Kampfverbände der Arbeiter und ihrer Verbündeten. Diese beteiligen sich ebenso an der Produktion wie an der politischen Selbstverwaltung. Sie besitzen ein hohes ideologischpolitisches Niveau.

Förderung der Bewusstheit der Massen

Die Diktatur des Proletariats, der proletarische Staat, ist also ein Staat neuen Typs. Im Unterschied zu den Staaten der Ausbeuterklassen duldet er keinerlei Privilegien, keinerlei Erbhöfe, keinerlei Lebenspositionen und keinerlei Abschottung der Funktionäre von dem gesamten Leben der Massen. Es ist ein Staat auf Grundlage der proletarischen Denkweise, mit einem System der Selbstkontrolle und einem ganzen System der Förderung der Bewusstheit der Massen hin zum sozialistischen Bewusstsein.

Das theoretische Organ in Nr. 1–3 der MLPD, REVOLUTIONÄRER WEG, kommt auf Seite 178/179 zu dem Schluss, dass Lenin und Stalin in der Frage des proletarischen Staates neuen Typs einen Umweg einschlagen mussten: „Im Verlauf der russischen Revolution erwies sich, daß diese Maßnahmen in dem riesigen, unterentwickelten, eingekreisten Land nicht sofort durchgeführt werden konnten, wenn man das Überleben der Sowjetmacht auf längere Zeit garantieren wollte. Lenins und Stalins abweichende Politik war daher prinzipiell richtig, weil sie sich als Umweg zu dem gleichen Ziel verstand. Allerdings verloren schon zur Zeit Stalins immer mehr hauptamtliche Funktionäre, Wirtschaftsleiter und höhere Offiziere das Ziel aus den Augen und richteten sich auf Dauer auf ihren Posten ein. Bei allem Verständnis für die ungeheuer schwierige Lage der Sowjetunion in der damaligen Zeit wird man auch Stalin nicht von dem Fehler freisprechen können, die Gefährlichkeit dieser Entwicklung unterschätzt zu haben.“

Tatsächlich ergriff auf dem 20. Parteitag der KPdSU im Jahr 1956 eine kleinbürgerlich entartete Bürokratie die Macht und leitete die Restauration des Kapitalismus in der Sowjetunion ein. Aus dieser Niederlage der Arbeiterbewegung hat die MLPD die Lehre gezogen, dass der Klassenkampf im Sozialismus sich vor allem auf die Kontrolle der Denkweise der verantwortlichen Leitungen und der Bürokratie auf allen Ebenen und die Entwicklung und Festigung der proletarischen Denkweise unter ihnen, sowie unter den breiten der Massen beziehen muss.