Bankenkrisen – Vorboten einer neuen Weltwirtschafts- und Finanzkrise?
Allein im Jahr 2015 stand die Deutsche Bank in 7 800 Verfahren vor Gericht. Von 2010 bis 2014 zahlte sie Strafen in Höhe von 14,1 Milliarden Dollar wegen Zinsmanipulationen, Geldwäsche, Steuerhinterziehung, bewussten Falschmeldungen, illegalen Absprachen von An- und Verkaufskursen.
Jetzt sind weitere 7,2 Milliarden US-Dollar Strafe an das US-Finanzministerium fällig. Weil sie Kunden bewusst und massenhaft mit betrügerischen Immobiliengeschäften übers Ohr gehauen und um ihre Ersparnisse gebracht hat.
Die Deutsche Bank ist beileibe keine Ausnahme. Die US-Bank Bank of America musste bis Ende 2013 80 Milliarden Euro Strafgelder zahlen, wegen ähnlicher verbrecherischer Machenschaften, die JP Morgan Chase 43 Milliarden. Woher kommt diese kriminelle Energie?
Machtzentren des Imperialismus
„Der Imperialismus ist die Epoche des Finanzkapitals und der Monopole, die überallhin den Drang nach Herrschaft und nicht nach Freiheit tragen“, analysierte der russische Revolutionär Lenin im Jahr 1916.1 Die Banken entwickelten sich von „bescheidenen Vermittlern von Finanzmitteln zu allmächtigen Monopolinhabern“. Die Verschmelzung des Bankkapitals mit dem Industriekapital brachte das Finanzkapital hervor. Dadurch entwickelten sich die Großbanken zu entscheidenden Machtzentren des Imperialismus. Die führenden Großbanken kontrollieren und regulieren die Geldzirkulation der gesamten Gesellschaft: der kleinen Kapitalisten bis zu den internationalen Übermonopolen, der Staaten, der Selbständigen ebenso wie die der Arbeiter und Angestellten.
„Die Neuorganisation der internationalen Produktion erforderte Finanzoperationen, die oftmals die Kapitalkraft einzelner Monopole übersteigen. Daraus leitet sich ein ökonomischer Zwang zur Herausbildung international operierender Großbanken ab.“2 Das war verbunden mit einem scharfen Konkurrenzkampf – national und international. Gab es in den USA Mitte der 1980er-Jahre noch 14 500 Banken, waren es 1999 nur noch 9000.
Dieser Konkurrenzkampf erfährt mit der Herausbildung neuimperialistischer Staaten eine neue Stufe. Um ihr überschüssiges Kapital profitbringend anzulegen, investierten die internationalen Monopole in ehemals neokolonialen Ländern wie Indien, Brasilien, Südafrika und anderen. Ohne dass es ihre Absicht war, wuchsen, dadurch begünstigt, neue imperialistische Mächte heran – und damit Konkurrenten im Kampf um die Weltherrschaft. Im Banken- und Finanzbereich wird das besonders krass sichtbar.
Im Jahr 2000 waren unter den 500 größten Übermonopolen erst acht Großbanken und Versicherungen aus China, Brasilien, Südafrika und Südkorea. Bis 2015 erhöhte sich die Zahl aus diesem wachsenden Kreis neuimperialistischer Länder bereits auf 24, von insgesamt 102 Großbanken. Die vier größten Banken der Welt kommen inzwischen aus China. Die Industrial & Commercial Bank of China hat den Platz eins erobert. Sie wies zuletzt einen Profit von 44 Milliarden US-Dollar aus, im Vergleich zu Verlusten von 7,5 Milliarden US-Dollar bei der Deutschen Bank. Die Probleme, insbesondere der europäischen Banken, werden dadurch erheblich verstärkt – sie fallen international zurück. Die Deutsche Bank taucht in der Liste der Großbanken erst unter „ferner liefen“ auf Platz 22 auf.3 Ihre Aktie sackte ab von 104 Euro im Jahr 2007 auf mittlerweile zwölf.
„Die Macht der Großbanken hängt von der Menge des Kapitals ab, das sie verwalten und in allen möglichen Wirtschaftsbereichen auf der ganzen Welt anlegen. Dadurch können sie die Kontrolle über die internationale Produktion ausüben.“4 Anfang Oktober 2016 brachten die Spitzen der deutschen Übermonopole offen zum Ausdruck, wie sehr sie auf die Deutsche Bank und ihre weltweiten politischen Verbindungen angewiesen sind. „‚Die deutsche Industrie braucht eine Deutsche Bank, die uns in die Welt hinaus begleitet‘“, sagte Jürgen Hambrecht, Aufsichtsratsvorsitzender der BASF.
Internationale Großbanken wie die Deutsche Bank steuern gewaltige Kapitalien und Fusionen. Im Ranking der weltweit größten Banken und der unter ihrer Führung abgeschlossenen Großfusionen und Übernahmen stand die Deutsche Bank in den ersten drei Quartalen 2016 auf Platz neun, mit einem Volumen von 338 Milliarden US-Dollar und 98 „Deals“.5
Sie beteiligt sich an der Finanzierung internationaler Großprojekte, so zum Beispiel an einem Landbebauungsprojekt in der Manila-Bucht auf den Philippinen – ohne Rücksicht auf Mangrovenwälder und Naturschutzreservate, die ihm zum Opfer fallen.
Sie vergibt riesige Beträge an Rüstungsunternehmen und beteiligt sich an der Finanzierung von Rüstungslieferungen wie der von Kampfpanzern und Panzerhaubitzen an Katar. Dieser reaktionäre Golfstaat ist mit einem Anteil von knapp zehn Prozent größter Einzelaktionär der Deutschen Bank.6
EU im Strudel der Bankenkrisen
Angesichts des mörderischen Konkurrenzkampfs gerieten immer mehr Banken in die Krise. Um deren Zusammenbruch zu verhindern, erhielten sie während der Weltwirtschafts- und Finanzkrise Staatshilfen in schwindelerregender Höhe. Um die weltweite Empörung über diese milliardenschweren Rettungsschirme zu besänftigen, schwor Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble zum Ende der Krise 2014: „Wir sorgen dafür, dass die Steuerzahler nicht mehr die Haftung für die Banken übernehmen … Wir machen die Euro-Zone stabiler.“7 Im Falle eines drohenden Bankrotts sollten zunächst die Aktionäre und größten Gläubiger herangezogen werden.
Spätestens die aktuelle Bankenkrise Italiens straft ihn Lügen. Im Verlauf des Jahres 2016 stürzte die Aktie der italienischen Großbank Monte dei Paschi, der ältesten Bank der Welt, von 120 auf 20 Euro ab. Das war eine Folge hoher Verluste mit spekulativen Geschäften. Weil sich keine Investoren für weitere Finanzspritzen fanden, sprang eilfertig der italienische Staat ein – mit der Begründung, diese Bank sei „systemrelevant“. Mit 6,6 Milliarden Euro Steuergeldern rettete er Ende 2016 die drittgrößte Bank Italiens vor der Pleite – allen vorherigen Versprechungen zum Trotz und mit dem ausdrücklichen Segen der EU-Kommission. Schließlich ist die gesamte EU in den Krisenstrudel der italienischen Banken verstrickt: So hat zum Beispiel Frankreich 250 Milliarden Euro bei italienischen Banken angelegt, Deutschland 80 Milliarden.
Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat weltweit 30 systemrelevante Banken ausgemacht. Sie sind dermaßen groß und durch ihre gegenseitigen internationalen Geschäftsbeziehungen so stark verflochten, dass sie das Weltfinanzsystem ins Wanken bringen können. Der IWF stuft die Deutsche Bank in diesem Gefährderkreis als die gefährlichste Bank der Welt ein.8
Systemrelevant – das heißt: Das ganze imperialistische Weltsystem funktioniert nur noch, wenn diese Großbanken am Leben gehalten werden. Dafür wird die Staatsverschuldung in die Höhe getrieben – bis hin zur Gefahr des Staatsbrankrotts. Dafür werden, wie in Griechenland, Regierungen unter Druck gesetzt und den Massen unerträgliche Lasten aufgebürdet. Dafür hungern fast eine Milliarde Menschen auf der Erde, und dafür wird gnadenlos die Umwelt zerstört.
Gesetzmäßigkeiten unter der Oberfläche
Hinter dem Schleier von Missmanagement und nationalen Besonderheiten verbergen sich Gesetzmäßigkeiten, die keinesfalls nur in Italien wirken. Die immer stärkere Verlagerung des Bankgeschäfts auf die Spekulation ist kein Zufall, sondern eine Gesetzmäßigkeit: „Die Aufblähung des spekulativen Kapitals wurde zur markantesten Erscheinung der Weltwirtschaft und dominiert mehr und mehr das wirtschaftliche und politische Geschehen.“9
Die Ursache dafür liegt in der chronischen Überakkumulation des Kapitals seit dem Beginn der Neuorganisation der internationalen Produktion in den 1990er-Jahren. Die Märkte hielten mit dem rasanten Wachstum des Kapitals nicht mehr Schritt. In dem Maße, wie „die Möglichkeit für die Erzielung von Maximalprofiten im industriellen Produktions- und Reproduktionsprozess eingeschränkt wird, versuchen die Monopole immer mehr, mit ihrem überschüssigen Kapital auf den internationalen Finanzmärkten zu spekulieren, um auf diese Art und Weise Maximalprofite zu erzielen …“10 Nach Mitteilung der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich ist der außerbörsliche Markt für den Derivatehandel seit 2007 um ein Fünftel angewachsen: auf 710 Billionen US-Dollar im Juni 201411 – das Zehnfache des Weltsozialprodukts, der Wirtschaftsleistung der gesamten Welt.
Auslöser einer neuen Weltwirtschafts- und Finanzkrise?
Spekulationsblasen und Bankenkrisen sind nicht die Ursachen der gesetzmäßig auftretenden Überproduktionskrisen. Sie können jedoch zum Auslöser einer Weltwirtschafts- und Finanzkrise werden, wie das 2008 der Fall war. Diese Gefahr ist in einer Situation der verstärkten Labilität und ungleichmäßigen Entwicklung der Weltwirtschaft besonders akut – ohne dass vorhersehbar ist, wann eine solche Situation eintritt.
Die Weltwirtschaft steckt in einer internationalen schwankenden Stagnation. In Japan, Frankreich und Großbritannien dümpelt die Industrieproduktion weit unter dem Vorkrisenstand. In Italien lag sie im November 2016 gerade mal bei 77,5 Prozent des Höchststandes vor Ausbruch der Krise vom August 2007.12 Die deutsche Wirtschaft konnte sich aufgrund ihrer Exportstärke im Vergleich zu anderen Imperialisten Vorteile verschaffen. Doch der „solide Aufschwung“, den Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) am 7. Oktober 2016 verkündet hatte, ist eine Fata Morgana. Nur 2014 und 2015 wurde der Höchststand von vor der Krise knapp übertroffen. Doch schon 2016 schwankte die Industrieproduktion unter den Vorkrisenstand.13 Diese zunehmende Labilität der Weltwirtschaft heizt die Spekulation der Banken und das Anhäufen fauler Kredite an, und umgekehrt.
Die Linkspartei schlägt angesichts dieser Entwicklung in ihrem Wahlprogramm zur Bundestagswahl vor: „Großbanken entmachten, Banken unter demokratische Kontrolle bringen und in öffentliches Eigentum überführen.“14 Ist ihr entgangen, dass die Commerzbank schon 2008 teilweise verstaatlicht wurde? An ihrem kapitalistischen, auf Spekulation basierenden Charakter hat das nichts geändert. Wer die kapitalistischen Krisen abschaffen will, darf nicht Illusionen schüren in eine mögliche Zähmung des internationalen Finanzkapitals, sondern muss den Kapitalismus als Gesellschaftssystem abschaffen und den Sozialismus errichten!
Entscheidungen gefragt
Wer den Illusionen der Linkspartei nicht folgen will, findet im Internationalistischen Bündnis seinen Platz. In der Überzeugung, dass „kein einziges grundlegendes Problem heute mehr ohne Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse gelöst werden kann“15, haben sich hier bisher 15 fortschrittliche, klassenkämpferische und revolutionäre Parteien, Organisationen und viele Einzelpersonen zusammengeschlossen im Kampf gegen den Rechtsruck der Regierung. Die MLPD arbeitet mit als Kraft, die zur Lösung der grundlegenden Probleme eintritt: für die revolutionäre Beseitigung des Kapitalismus und den Aufbau des echten Sozialismus.
Wieso sollen die Menschen an einem Gesellschaftssystem festhalten, in dem sie ständig wachsenden Reichtum erarbeiten, der aber privat von einigen wenigen angeeignet wird? Die Frage steht eindeutig: Lässt man zu, dass die Menschheit an der kapitalistischen Profitwirtschaft zugrunde geht? Oder beteiligt man sich an der Seite aller Ausgebeuteten und Unterdrückten an der Vorbereitung einer internationalen sozialistischen Revolution.
Wenn die Diktatur des allein herrschenden internationalen Finanzkapitals überwunden ist, wird unter der Diktatur des Proletariats auch ein sozialistisches Finanzwesen organisiert. Statt um Maximalprofit, geht es darum, „die sich stets weiterentwickelnden Bedürfnisse der Menschheit in Einklang mit der Natur zu befriedigen“. Es gilt das sozialistische Verteilungsprinzip, „dass jeder nach seinen Fähigkeiten an der gesellschaftlichen Produktion teilnimmt“. Und es garantiert, dass jeder „entsprechend seiner Leistung in die Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums einbezogen wird und die Gemeinschaft darüber hinaus für Alte, Kranke und Behinderte sorgt“.16
Weil die MLPD konsequent für den Sozialismus kämpft, wird sie auch konsequent von den Banken boykottiert: Sie verweigern ihr regelmäßig Kredite. Die MLPD macht sich aber nicht von Banken abhängig. Sie ist stolz auf ihre finanzielle Unabhängigkeit und finanziert ihre Arbeit ausschließlich aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden der Massen. Dazu gehört auch die seit Dezember 2016 laufende Spendenkampagne mit dem Ziel von 750 000 Euro. Davon fließen 75 000 Euro an die revolutionäre Weltorganisation ICOR. Für die sozialistische Revolution ist jeder Euro besser angelegt als in Derivate und sonstige Spekulationen.
1 Lenin, Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus, Werke, Bd. 22, S. 302
2 Stefan Engel, Götterdämmerung über der „neuen Weltordnung“, S. 133
3 Fortune Global500, eigene Berechnung GSA e. V.
4 Stefan Engel, Götterdämmerung … S. 137
5 Thomson Reuters Mergers & Acquisitions Review
6 www.wiwo.de 15. 7. 2016
7 Rede zur europäischen Bankenunion am 6. November 2014 im Deutschen Bundestag
8 IMF: Germany, Financial Sector Assessment Programm, Country Report No. 16/189, June 2016, S. 29
9 Programm der MLPD, S. 20
10 Bürgerliche politische Ökonomie vor dem Scherbenhaufen, S. 26
11 www.faz.net 1. 6. 2014
12 OECD Monthly Economic Indicators, eigene Berechnung GSA e. V.
13 OECD-Tabelle GSA e. V.
14 1. Entwurf des Programms zur Bundestagswahl 2017, S. 45
15 Wahlplattform der Internationalistischen Liste/MLPD
16 Programm der MLPD, S. 60