Schuld an Wohnungsnot – Flüchtlinge oder Spekulanten?

In den 1980er Jahren gab es in Westdeutschland noch 4 Millionen Sozialwohnungen,

deren Mieten und Belegung an Menschen mit geringem Einkommen gebunden waren. Heute sind nur noch knapp 1,5 Millionen übrig. Eine Handvoll internationaler Finanzkonzerne hat das Geschäft mit der Vermietung als Quelle wachsender Maximalprofite entdeckt. Sie treiben Mieten in die Höhe, unterlassen notwendige Instandsetzugen oder vertreiben ärmere Mieter. Im Jahr 2015 ...

wurden nur 260.000 neue Wohnungen fertiggestellt, gegenüber dem Bedarf um 140.000 zu wenig. Derzeit wird von reaktionären Politikern Stimmung gemacht, die wachsenden Flüchtlingsströme würden den „Einheimischen“ nicht nur Arbeitsplätze, sondern auch Wohnungen streitig machen. Die gleichen Politiker haben sich bisher nicht dafür interessiert, dass Arbeitsplätze vernichtet werden und günstiger Wohnraum in Ballungszentren immer knapper wird.

Sie wissen genau, dass viele Flüchtlinge erst mal in beengten Turnhallen oder Zelten untergebracht werden. Ausgeblendet wird von ihnen die Tatsache, dass bundesweit 720.000 Wohnungen leer stehen. Darin würden rund zwei Millionen Menschen Platz finden. Von den leeren Bürotürmen ganz zu schweigen. Nicht die Flüchtlinge sind die Gegner der Arbeiterfamilien und der Wohnungssuchenden mit geringem Einkommen in Deutschland. Der Kampf muss gemeinsam gegen die Wohnraum-Spekulanten geführt werden und gegen die Politik der Regierung, die ihnen als Dienstleister behilflich ist.

In Ländern wie den USA oder Spanien hat die letzte Weltwirtschafts- und Finanzkrise zur massenhaften Enteignung und Ruinierung von Wohnungsbesitzern, aber auch Mietern geführt. Millionen von Menschen in den USA und Hunderttausende in Spanien konnten ihre Kreditraten bzw. Mieten nicht mehr bezahlen und verloren ihre Wohnung. Das zeigt, welche Sprengkraft die Wohnungsfrage hat – sie wird mit der weiteren Vertiefung der Krisenhaftigkeit des Imperialismus noch zunehmen.

Tritt die Große Koalition auf die „Mietpreisbremse“?

Den Mietenanstieg vor allem in Ballungszentren zu begrenzen, war eines der hauptsächlichen Versprechungen der Merkel/Gabriel-Regierung.

Seit dem Inkrafttreten der sogenannten „Mietpreisbremse“ am 1. Juli 2015 hat sich an den realen Mietsteigerungen nicht viel verändert. In Metropolregionen steigen die Mieten jährlich um fünf Prozent. Tatsächlich sieht das Gesetz nur eine Verlangsamung des Mietenanstiegs vor und verlangt von den einzelnen Mietern, ihren Anspruch gegenüber den Vermietern einzuklagen (siehe Seite 18). Die „Mietpreisbremse“ hat vor allem den Zweck, die wachsende Empörung über die Immobilienhaie einzudämmen und den Widerstand zu zersetzen.

Objekte der Begierde

Noch in den 1990er Jahren waren Bundes- und Landesregierungen, aber auch kommunale Spitzenpolitiker voll des Lobes für die Übertragung des Wohnungsbaus an „private Investoren“. Es sollte ein Geschäft „zum gegenseitigen Vorteil“ sein. Im Gegenzug für den Wohnungsverkauf zu Schleuderpreisen an die Finanzkonzerne sollten diese Kosten für Instandhaltung und Renovierung übernehmen.

1990 wurde dazu mit dem Wohnungsgemeinnützigkeits-Gesetz auch die Mietbindung der großen Wohnungsbestände der Wohnungsgesellschaften aufgehoben. Sie war genauso wie der „soziale Wohnungsbau“ Bestandteil der Politik der „Reformen von oben“, mit der die Herrschenden nach dem II. Weltkrieg der Masse der Werktätigen ein trügerisches Gefühl nie dagewesener relativer sozialer „Sicherheit“ gaben. Sie wurde seit den 1980er Jahren schrittweise durch eine Politik des Abbaus sozialer Errungenschaften und Zugeständnisse abgelöst. 2006 wurde die Wohnungsbauförderung auf die Länder übertragen, denen dafür jährlich nur noch 518,2 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden. Dieses Geld steht allerdings auch privaten Investoren zur Verfügung.

Diese Privatisierungspolitik bedeutete eine gigantische Subventionierung in erster Linie der Wohnungsspekulanten. Hintergrund war, dass Immobilien mit der Neuorganisation der internationalen Produktion ein bevorzugtes Objekt der Kapitalspekulation wurden. „Die internationalen Monopole halten fieberhaft Ausschau nach neuen Anlagemöglichkeiten für ihr überschüssiges Kapital“, heißt es dazu im Buch „Götterdämmerung über der neuen Weltordnung“ (S. 314).

Die Stadt Dresden zum Beispiel verkaufte bis 2006 alle ihre 168.000 Wohnungen. Zahlreiche Werkssiedlungen wurden privatisiert, deren preiswerte Mieten ein Lohnbestandteil waren. Noch ist die Mehrzahl der rund 40 Millionen Wohnungen in Deutschland im Besitz von Kleinvermietern oder selbst genutzt. Elf der 20 größten Wohnungsgesellschaften sind in den Händen von Städten. Die gewerbliche Vermietung macht aber bereits circa ein Viertel des Wohnungsbestandes aus – mit steigender Tendenz2. Die großen Investoren Cerberus (Goldman Sachs), Vonovia (ehemals Deutsche Annington/Terra Firma/Citygroup) und „Deutsche Wohnen“ (Deutsche Bank) hängen mit Finanz- konzernen zusammen. Vonovia will nach Übernahme der GAGFAH jetzt „Deutsche Wohnen“ schlucken und hätte dann 500.000 Wohnungen, ohne dafür auch nur einen Cent Grunderwerbssteuer zahlen zu müssen3.

Millionen von Mietern mussten mittlerweile erfahren, was es heißt, wenn Wohnungsbau zum Spekulationsobjekt wird. Wohnungskonzerne wie Vonovia kaufen Immobilien mit möglichst wenig Eigenkapital und setzen dafür umso mehr Fremdkapital zu niedrigen Zinsen ein. Sichere, regelmäßig steigende Mieteinnahmen dienen dann der Refinanzierung der Käufe und einer hohen Profitrate von 15 bis 20 Prozent bezogen auf das eingesetzte Eigenkapital. Weitere Renditesteigerungen erzielen die Konzerne durch Personalabbau in der Verwaltung und hohe Gewinnspannen zwischen Einkaufs- und Verkaufspreis, z.B. beim Verkauf von Wohnungen an bisherige Mieter. Rücksichtslos nützen sie die Regelung aus, dass bei Modernisierungsmaßnahmen 11 Prozent deren Kosten pro Jahr dauerhaft auf die Kaltmiete umgelegt werden dürfen, auch wenn die Aufwendungen längst abbezahlt sind. In bevorzugten Lagen von Großstädten werden ganze Viertel „luxussaniert“ und die ärmeren Mieter vertrieben.

Die verschiedenen Regierungen der letzten Jahrzehnte haben diese Entwicklung systematisch gefördert. Die Wohngelderhöhung ab Januar 2016 entlastet zwar Geringverdiener um etwa 60 bis 70 Euro im Monat, aber das Geld vergrößert zugleich den Spielraum für die fortlaufende Erhöhung der Kaltmieten, besonders durch die Kapitalgesellschaften, auf dem Wohnungsmarkt. Auch die Kommunen treiben die Nebenkosten durch steigende Gebühren bei Müllabfuhr oder Abwasserentsorgung in die Höhe.

Der Traum vom Eigenheim

Für Angehörige kleinbürgerlicher Zwischenschichten und Arbeiterfamilien mit etwas besserem Einkommen wird weiterhin das Wohneigentum als Alternative zur Mietwohnung angepriesen. Als scheinbarer individueller Ausweg und Sicherheit für das Alter klingt das für manche verlockend. Die Realität sieht oft so aus, dass man dann eben für die Zinsen der Banken statt für den Vermieter schuftet und an Stelle der Miete die Kosten für Instandhaltung, Versicherungen und vorgeschriebene Modernisierungen zu tragen hat. Die Landschaft wird zersiedelt, zusätzlicher Verkehr belastet die Umwelt. Das Eigenheim ist nach Scheidungen oft ein Klotz am Bein, besonders Arbeitslosigkeit führt zu Zwangsversteigerungen und Privatinsolvenz. Solche Erfahrungen haben in den letzten Jahren zur Desillusionierung beigetragen.

Gemeinsam gegen die Spekulationsmiete!

Vor allem in großen Ballungszentren wie dem Ruhrgebiet und Berlin sind mittlerweile Hunderte Mieterinitiativen oft gerade gegen die großen Wohnungsgesellschaften aktiv. Teilweise findet eine regionale oder überregionale regelmäßige Zusammenarbeit statt wie im „Mieterforum Ruhr“ oder in der „Annington-Koordinierung“. Wo es gelang, Mieter im Widerstand zusammenzuschließen, auch bei Auseinandersetzungen vor Gericht, wurden immer wieder Teilerfolge erzielt. Es gibt Proteste gegen Stromsperren und Zwangsräumungen – die Montagsdemos beteiligen sich daran. Mieterinitiativen organisieren Straßenfeste und fördern den Zusammenhalt. Beim Frühjahrsputz, bei Stadtteil- und Willkommensfesten für Flüchtlinge lernt man sich besser kennen. Man unterstützt sich bei der Reklamation von fehlerhaften Nebenkostenabrechnungen. In ersten Fällen schließen sich auch gewerkschaftlich aktive und von Arbeitsplatzvernichtung bedrohte Beschäftigte der Wohnungsbaukonzerne mit Mieterinitiativen zusammen. Während die Machenschaften der Immobilienkonzerne und deren Hintergründe zunehmend verarbeitet werden, gibt es noch verbreitet Illusionen über die Rolle des Staates, von dem erwartet wird, dass er dagegen etwas „unternimmt“. Tatsächlich betätigen sich die staatlichen Organe jedoch als Dienstleister der Finanz- und Wohnungsbaukonzerne wie insgesamt der internationalen Monopole.

Die Wohnungsfrage hat durch die Auseinandersetzung um die menschenwürdige Unterbringung der Flüchtlinge und den gemeinsamen Kampf von „Einheimischen“, Migranten und Flüchtlingen einen noch größeren Stellenwert bekommen. Die MLPD trägt dazu aktiv bei und fordert die Schaffung von ausreichendem, umweltgerechtem und preisgünstigem, das heißt öffentlich gefördertem Wohnraum. Ihre Mitglieder helfen den Menschen, den Kampf gegen die ihnen aufgezwungenen kapitalistischen Lebensbedingungen aufzunehmen und sich dafür zu organisieren: in Mieterinitiativen, Selbstorganisationen, der MLPD und ihrem Jugendverband REBELL.

Lösung der sozialen Frage in Einheit mit der Umweltfrage

Erst durch die revolutionäre Beseitigung des Kapitalismus kann der Warencharakter der Wohnungen, nämlich Mittel zur Erzielung von Maximalprofiten zu sein, überwunden und das Wohnungswesen zur Befriedigung der elementaren Lebensbedürfnisse der Massen organisiert werden. Das geschieht im Sozialismus unter der Perspektive von lebensfreundlichen, umweltgerechten und preiswerten Wohnungen sowie Gemeinschaftseinrichtungen.

Die menschen- und umweltfeindliche Zusammenballung immer größerer Bevölkerungsanteile in Groß- oder Megastädten sowie die damit verbundene Kluft zwischen Stadt und Land können schrittweise überwunden werden. Für ein neuartiges soziales und umweltgerechtes Bauen gibt es im Kapitalismus bereits eine ausgereifte materielle Grundlage und ein riesiges schöpferisches Potenzial unter Fachleuten und breiten Massen. Sozialistischer Wohnungsbau kann auf Errungenschaften unter anderem der ehemals sozialistischen Sowjetunion aufbauen, wo Raum für Experimente im Wohnungswesen geschaffen und neue Wege beschritten wurden. Im Sozialismus ist für die Massen das Beste gerade gut genug (siehe S. 23–25). Dagegen wurden in der DDR nach dem Verrat am Sozialismus oft in Billigstbauweise einfallslose Wohnblöcke aus dem Boden gestampft. Im Sozialismus steht nicht nur die Aufgabe, sondern er bietet auch die Möglichkeit, einen gesellschaftlichen Paradigmenwechsel im Wohnungswesen zu organisieren. Dazu werden alle Potenziale moderner Bauwissenschaft und -technik sowie ressourcensparender, umweltgerechter industrieller Fertigung entfaltet und an der Maxime der Einheit von Mensch und Natur ausgerichtet.

 

1 Studie des Pestel-Instituts im Auftrag des Bündnisses „Sozialer Wohnungsbau“

2 Rainer Neef, Privatisierung großer Wohnungsbestände, in www.gemeingut.org in den USA

3 „WAZ“ vom 9.1.2016