„Gewalt gegen Frauen hat System … aufgrund der bürgerlichen Staats- und Familienordnung“

Selbstbewusst, internationalistisch, gesellschaftskritisch und organisiert: das wachsende Frauenbewusstsein

Ein gewachsenes Frauenbewusstsein und mutige Kämpfe der Frauen weltweit kennzeichnen die Situation am diesjährigen 25. November, den Tag gegen Gewalt an Frauen. Dieses Frauenbewusstsein ist nicht nur Frauensache, sondern eine gesellschaftliche Erscheinung in Verbindung mit dem sich festigenden Klassenbewusstsein. Gewerkschaftlich organisierte Arbeiterinnen entwickeln sich international ...

zum kämpferischen Kern der Frauenbewegung. Der selbstbewusste ver.di-Streik der Beschäftigten in den Erziehungs- und Sozialberufen in Deutschland war wesentlich ein Frauenstreik. Den über sechs Wochen Streikenden ging es vor allem um den Kampf gegen die gesellschaftliche Geringschätzung dieser überwiegend von Frauen geleisteten Arbeit, ihre schlechtere Bezahlung und die Missachtung der bedeutenden Arbeit für Kinder und Jugendliche. 70 Prozent der Bevölkerung standen hinter den Streikenden und ihren Forderungen!

In Bangladesch führten die sehr jungen Arbeiterinnen eines chinesischen Textilunternehmens mit 1.300 Beschäftigten tagelange Sitzstreik-Aktionen durch, weil ihnen die Löhne und andere Rechte verweigert wurden. Sie erreichten, dass die Regierung eingreifen musste zur Rücknahme der illegalen Fabrikschließung.

In diesem Kampf organisierten sich 500 Frauen in der GWTUC, der Gewerkschaft, die von Joly Talukder geführt wird, die auch Asienkoordinatorin der Weltfrauen ist. Glückwunsch auch an die ver.di-Frauen, die mit ihrem „Projekt Joly“ zur Finanzierung von hauptamtlichen Organizerinnen der GWTUC zu diesem Erfolg beitrugen.

In den Niederlanden kämpfen seit vier Jahren Pflegekräfte gegen die Demontage der Pflege und die Schließung von Altenheimen. Sie haben selbst organisierte Aktionen in verschieden Städten und Regionen durchgeführt und 45 dauerhaft arbeitende Komitees aufgebaut. Am 13. September organisierten sie eine Demonstration mit 25.000 Pflegekräften, Patienten und Familienmitgliedern.

Ein herausragender Kampf für Frauenrechte und -befreiung ist auch der Kampf um den Aufbau von Rojava, den selbstverwalteten Kantonen in Nordsyrien/Westkurdistan. Die Frauen haben führende Funktionen beim Aufbau einer demokratischen Gesellschaft, in der die Ethnien gleichberechtigt zusammenleben. Sie kämpfen zum Teil bewaffnet in der YPJ, den Fraueneinheiten der Volksverteidigungskräfte, gegen die IS-Faschisten, die diese demokratische Gesellschaft zerstören wollten.

Die Stärke der Frauen ist ihre Organisation

Die weltweite kämpferische Frauenbewegung ist heute Vorreiterin im internationalen, weltanschaulich offenen Zusammenschluss. Frauen aus 60 Ländern der Welt bereiten derzeit die 2. Weltfrauenkonferenz der Basisfrauen vor. Sie wird vom 13. bis 18. März in Kathmandu/Nepal stattfinden. Selbst organisiert, unabhängig finanziert, mit breiter Demokratie ist diese Weltfrauenkonferenz ein Ausdruck der schöpferischen Kritik und Verarbeitung der Erfahrungen der etablierten UNO-Weltfrauenkonferenzen. „Zwanzig Jahre nach der Weltfrauenkonferenz der Vereinten Nationen (UNO) 1995 in Peking, sagen die Basisfrauen, dass die UNO und die Regierungen Gleichberechtigung versprochen hatten, … doch hat sich nichts geändert. … Frauen betonen: ,Alles was wir erreicht haben, haben wir durch unseren gemeinsamen Einsatz und den gemeinsamen Kampf erreicht.‘“1

Flucht, Krieg, Massenvergewaltigungen, Mädchenhandel, Zwangsprostitution, häusliche Gewalt, Gewalt an Kindern, Frauenarmut und -hunger, häusliche Gewalt, Sexismus, die verschiedenen barbarischen Erscheinungen des Imperialismus, deren Ursachen und der weltweite Widerstand dagegen werden auf der Weltfrauenkonferenz zur Sprache kommen.

Viele Frauen haben den Wunsch, die Lebensverhältnisse zu verbessern, sind vornedran bei ehrenamtlichem Engagement in Schulen, Krankenhäusern, Altenheimen, in der Hospizbewegung und aktuell in der Hilfe für Hunderttausende Flüchtlinge. Sie begrüßen die Flüchtlinge an Bahnhöfen, helfen bei Behördengängen und vieles mehr. Frauen des Courage-Verbands besuchten zusammen mit einer anderen Frauengruppe eine Flüchtlingsunterkunft in München. „Besonders bedrückend war, dass die Frauen dort nur verwahrt, verwaltet und zur Untätigkeit verdammt sind“, so eine Courage-Frau. „Die Unterkunft ist auf einem ehemaligen Siemensgelände und die Duschen im Freien. Wir lernten ein zwölfjähriges Mädchen kennen. Es spricht besser Englisch, als die meisten deutschen Kinder seines Alters. Aber es darf nicht zur Schule gehen. Obwohl es täglich tausende Gastschüler an deutschen Schulen gibt, die nur Englisch sprechen.“

Oft missbraucht die bürgerliche Gesellschaft noch das ehrenamtliche Engagement der Frauen, um die schlimmsten sozialen Löcher zu stopfen.

Die Sozialarbeit der MLPD verbindet Hilfe zur Selbsthilfe damit, die Wurzel der oft schier unlösbaren Probleme in der kapitalistischen Gesellschaft aufzudecken. Sie zielt darauf ab, sich auf kämpferischer Grundlage selbst zu organisieren.

Aber sich zu organisieren, noch dazu politisch oder gar revolutionär ist in der bürgerlichen Gesellschaft für die Frau nicht vorgesehen. Sich zwischen Familie, Beruf und Erholung die Zeit freizukämpfen, erfordert eine bewusste Entscheidung, eine gemeinsame Lösung der vielen Alltagsprobleme und auch einen Kampf, den gesellschaftlich „vorgesehenen“ eng getakteten Alltag zu durchbrechen. Trotz aller Schwierigkeiten bricht sich die bessere Organisierung unter den Frauen der Welt Bahn.

Die kämpferische Frauenbewegung in allen Ländern zu stärken, ist ein wesentliches Anliegen der Weltfrauenkonferenz der Basisfrauen. Grundlage des weltweiten Zusammenschlusses im Weltfrauenkonferenzprozess ist die Förderung von Strukturen und überparteilichen Frauenorganisationen in den einzelnen Ländern.

In Deutschland ist der Frauenverband Courage wesentliche Trägerorganisation des Weltfrauenkonferenzprozesses. Dabei haben Frauen aus Griechenland seine Prinzipien kennengelernt: überparteilich, demokratisch, international, finanziell unabhängig. Sie haben sich das zum Vorbild genommen für den organisierten Zusammenschluss in Griechenland.

Gewalt und Unterdrückung ist systembedingt

Es ist die Aufgabe der Staats- und Familienordnung, das gesellschaftliche Leben der Klassengesellschaft zu gewährleisten. Die kapitalistische Gesellschaft kann ohne die Unterdrückung der Frau durch die bürgerliche Staats- und Familienordnung nicht existieren. Würde die Familie nicht Geburt, Erziehung und Regeneration der menschlichen Arbeitskraft gewährleisten, könnten die Kapitalisten diese Arbeitskraft nicht ausbeuten.

Die bürgerliche Familienordnung sorgt dafür, dass der Wunsch der Menschen nach Beziehungen, gemeinsamen Kindern, liebevollem und hilfsbereitem Zusammenleben integriert und missbraucht wird für eine Ordnung, die die Familie als Wirtschaftseinheit behandelt und ihr die ganze Last der Organisierung des täglichen Lebens aufbürdet. Die Hauptlast dabei tragen die Frauen.

Eine Frau muss heute „alles bringen“: Familie und Beruf vereinbaren, ihr Äußeres wird permanent kommentiert und reglementiert, sie muss in jeder Hinsicht eine Top-Partnerin sein, aber auch den Kopf hoch tragen als Alleinerziehende, eine heute 55-jährige Frau muss arbeiten bis sie 67 Jahre alt ist. Kurz: Sie darf niemals schwach sein oder muss zumindest immer den Schein wahren.

Das ist auch eine Form der Gewalt an Frauen, wo steter Tropfen den Stein höhlt und wo sich die ganze Verachtung der kapitalistischen Gesellschaft gegenüber der Frau ausdrückt: Maximal verwertbar oder nichts wert. Die kapitalistische Gesellschaft beutet Milliarden Menschen aus, unterdrückt immer mehr und zehrt an der Kraft der Frauen. Deren Bedingungen werden zunehmend unerträglich und unlösbar.

Schon „seit Anfang der 70er Jahre ist die soziale und biologische Reproduktion der kapitalistischen Gesellschaft durch die bürgerliche Familienordnung in eine chronische Krise geraten“, analysierten Monika Gärtner-Engel und Stefan Engel in ihrem Buch „Neue Perspektiven für die Befreiung der Frau“.

Die Geburtenrate sinkt in allen kapitalistischen Ländern, immer häufiger sogar unter die Sterberate. Diese Krise zeigt „die zunehmende Unfähigkeit der kapitalistischen Gesellschaft, sich selbst zu reproduzieren, geschweige denn die grundlegenden Lebensbedürfnisse der Massen zu befriedigen“ schlussfolgerten im Jahr 2000 der Vorsitzende der MLPD und seine Stellvertreterin in ihrem Buch. Diese Krise hat sich in den letzten 15 Jahren dramatisch verschärft, nicht zuletzt in der wachsenden Gewalt an Frauen.

Wie ein Schlaglicht wird dies an der Situation der vielen Zehntausend Flüchtlingsfrauen deutlich. Ihnen bleibt oft nur die Flucht, auch vor zunehmender körperlicher und psychischer Gewalt, durch Krieg, Umweltzerstörung und Hunger.

In Deutschland erwarten sie zum Teil untragbare Zustände in den oftmals überfüllten Lagern. So wie in der Erstaufnahme in der Harburger Straße in Hamburg. 87 Frauen und 34 minderjährige Mädchen leben dort mit über 400 Männern auf engstem Raum. Sieben Flüchtlingsfrauen sind inzwischen nach sexuellen Übergriffen ins Frauenhaus geflohen. Die Frauen fordern besseren Schutz in Unterkünften, Ansprechpartnerinnen für die Frauen vor Ort und eigentlich selbstverständliche Mindeststandards wie abschließbare und separate Duschen – einen Schutz der Intimsphäre.

Die größten Probleme“, schildert Seda, eine jesidische Flüchtigsfrau in Solingen: „Erstens, dass mein Mann nicht ganz bei uns sein darf. Zweitens, dass mit zwei kleinen Kindern das eine Zimmer im Flüchtlingsheim viel zu klein war – mit je einer Küche, Dusche und WC für acht Familien. Da gab es viel Ärger. (…) Drittens habe ich jeden Tag und vor allem nachts viel Angst vor der Abschiebung, denn ich muss jeden Monat meine Duldung verlängern.“2

Seda und ihr Mann sind heute aktiv, gemeinsam wurde eine Wohnung erkämpft und die Auswirkungen des sogenannten „Asylbewerberleistungsgesetzes“ auf die Flüchtlinge öffentlich bekannt gemacht. Wie sie entwickeln viele Flüchtlinge im Kampf ums Überleben auch ein kämpferisches Bewusstsein und sind ein Potenzial der kämpferischen Frauenbewegung.

Frauenförderung und Frauenbefreiung

Allem Gerede von „Chancengleichheit und Gleichberechtigung der Frau“ zum Trotz, hat die bürgerliche Politik kein Interesse an der tatsächlichen Gleichstellung der Frau. Die frauenpolitische Arbeit der MLPD fördert in Theorie und Praxis die Erkenntnis: „Zur Befreiung von Ausbeutung und Unterdrückung muss die Arbeiterklasse das System der Lohnarbeit ebenso überwinden wie das System der bürgerlichen Familienordnung. Die Arbeiterklasse kann sich nur … befreien, wenn sich auch die Frauen befreien – und umgekehrt.“3 Dafür steht die MLPD als Partei neuen Typs. Ihre Wertschätzung der Frauen drückt sich unter anderem in ihrer Frauenförderung aus. Der Frauenanteil in vielen Leitungen der MLPD beträgt ganz ohne Quote über 50 Prozent – noch höher als der Anteil der Frauen in der Mitgliedschaft mit 43 Prozent!

Die MLPD macht mit ihren Wohngebietsgruppen eine systematische marxistisch-leninistische Frauenarbeit und fördert die proletarische Frauenbewegung in Betrieb und Gewerkschaft. Die Streitschrift „Neue Perspektiven für die Befreiung der Frau“ ist zum Handbuch in der kämpferischen Frauenbewegung geworden und findet international wachsende Verbreitung. Seit fünfzehn Jahren hat die MLPD ihre Linie auch in der Frauenfrage systematisch weiterentwickelt. Es gibt seitdem keine Veröffentlichung, die sich nicht mit der Situation der Frauen auseinandersetzt.

Die MLPD organisiert Frauen und Mädchen in MLPD und REBELL. Die Förderung von überparteilichen Selbstorganisationen ist ebenso ein Markenzeichen der marxistisch-leninistischen Frauenarbeit.

Schon 1868 schrieb Karl Marx als visionärer Vordenker einer kämpferischen Frauenbewegung: „Jeder, der etwas von der Geschichte weiß, weiß auch, dass große gesellschaftliche Umwälzungen ohne das weibliche Ferment unmöglich sind. Der gesellschaftliche Fortschritt lässt sich exakt messen an der gesellschaftlichen Stellung des schönen Geschlechts.“4

 

1 Aus der Presseerklärung des 5. Welttreffens der Weltfrauenkonferenz-Koordinatorinnen und der Asienkoordinatorinnen vom 18.09.15

2 Aus „Solingen Aktiv“, der Zeitung des gleichnamigen kommunalen Bündnis, Ausgabe 9/2015, S. 5

3 Stefan Engel, „Katastrophenalarm!“, S. 272

4 Karl Marx, Bd. 32, S. 582/583