70 Jahre nach dem II. Weltkrieg: Warum häufen sich die Kriegsherde?
Der diesjährige Antikriegstag am 1. September steht besonders im Zeichen des vor 70 Jahren zu Ende gegangenen II. Weltkriegs.
Mit dem Tag der Befreiung vom Hitler-Faschismus am 8. Mai und dem Hiroshima-Tag am 6. August – wenig später kapitulierte 1945 Japan – gingen dem Antikriegstag bereits wichtige Gedenk- und Kampftage gegen Faschismus und Krieg voraus. Nach dem Zusammenbruch des inzwischen bürokratisch-kapitalistischen Ostblocks Ende der 1980er Jahre gab es Versprechungen einer „friedlichen Weltordnung“. 25 Jahre später häufen sich erneut gefährliche Kriegsherde. So stieg die offiziell ermittelte Zahl der weltweiten Kriege in den letzten fünf Jahren um 13 auf 20, die Zahl der „hochgewaltsamen Konflikte“ um 15 auf 461. Dazu zählen allerdings auch Konflikte, in denen bewaffnete Befreiungsbewegungen gegen unterdrückerische Regimes oder faschistische Aggressoren kämpfen wie die syrisch-kurdischen Volksverteidigungseinheiten YPG/YPJ gegen die IS-Faschisten.
Während der II. Weltkrieg 60 Millionen Todesopfer forderte, sind nach 1945 weitere 25 Millionen Menschen durch Kriege gestorben – ein schreiender Widerspruch zum Friedensgerede der Herrschenden auf der Welt.
Neue Militärmanöver um die Ukraine
Vom Ukraine-Konflikt geht die derzeit größte Gefahr für den Weltfrieden aus, weil hier die imperialistischen Hauptgruppen EU/NATO und Russland am Unmittelbarsten aufeinanderstoßen. Knapp 5.000 Soldaten aus elf NATO-Ländern nehmen derzeit an der größten Luftlandeübung des Bündnisses seit Ende der Rivalität der Supermächte teil. Der schnelle Vorstoß mit Fallschirmspringern, der unter anderem geübt wird, hat alles andere als defensiven Charakter. US-Präsident Barack Obama kündigte jetzt die Verlagerung modernster F22-Kampfbomber nach Europa an. Russland hatte schon im März ein Großmanöver mit 80.000 Soldaten durchgeführt, bei dem vor allem der Truppentransport über weite Strecken geübt wurde.
Die Bundesregierung verfolgt im Unterschied zu den USA bezüglich der Ukraine gegenwärtig eine Taktik der „Krisendämpfung“. Sie förderte Ende Juli Schritte zur Umsetzung des im Februar ausgehandelten „Minsker Abkommens“ mit dem Rückzug schwerer Waffen von der Frontlinie. Dies wird jedoch von beiden Kriegsparteien weiter verschleppt. Regierungssprecher Steffen Seibert beteuerte am 24. August, für Berlin bleibe „der enge Draht zu Moskau unverzichtbar“. Am gleichen Tag fand ein Treffen von Frankreichs Präsident François Hollande, Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko statt – erstmals ohne den russischen Präsidenten Wladimir Putin, der bei den Minsker Gesprächen noch dabei war. Angeblich ging es dabei um die Suche nach einer „friedlichen Lösung“ des Konflikts.
Ein Hauptgrund für den Kriegsherd in der Ukraine sind aber gerade die aggressiven Bestrebungen zur Integration der Ukraine in den westlichen Machtbereich. Diese werden auch von der Bundesregierung unter Bruch der bei der deutschen Wiedervereinigung 1990 getroffenen Vereinbarungen systematisch vorangetrieben. Die Bundeswehr führt die „Schnelle Eingreiftruppe“ in Osteuropa an, die binnen 24 Stunden gefechtsbereit vor Ort sein soll.
Es ist zu begrüßen, dass sich dagegen auch ein Hauptstoß der Friedensbewegung am diesjährigen Antikriegstag richtet. So rufen Friedensaktivisten von Rhein und Ruhr für den 3. Oktober zu einem Sternmarsch nach Kalkar/Niederrhein gegen das dortige Gefechtszentrum der NATO auf, das Luftwaffen- und Drohnen-Einsätze in Osteuropa steuert.
Neue Kriegsherde flammen auf
Im Jemen bombardiert seit März 2015 eine von Saudi-Arabien geführte reaktionäre Kriegskoalition mit Militärs aus Ägypten, Bahrein, Katar, Kuweit, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Jordanien, Marokko, Sudan und Senegal Huthi-Milizen, die zuvor die mit Saudi-Arabien kooperierende Regierung vertrieben haben.
Der jüngste Konflikt zwischen Nord- und Südkorea gipfelte in offenen Kriegsdrohungen und Mobilmachungen der Armeen. Das bürokratisch-kapitalistische Nordkorea fühlte sich durch ein mehrtägiges Militärmanöver der USA und Südkoreas provoziert.
Um das Südchinesische Meer verschärft sich der Konflikt zwischen dem sozialimperialistischen China und den USA. Hier dehnt China den Aktionsradius seiner Kriegsmarine aus, erhebt Anspruch auf rohstoffreiche Teile des Pazifischen Ozeans, Inselgruppen, Korallenriffe, Sandbänke, die bisher ganz oder teilweise auch von den Philippinen, Vietnam, Taiwan, Malaysia oder Brunei beansprucht werden.
Kräfteverschiebungen destabilisieren die Welt
Wenn Linkspartei-Politiker wie Sahra Wagenknecht von einem „Rückfall in den Kalten Krieg“ sprechen, ist das eher noch verharmlosend und erklärt auch nicht die tieferen Ursachen für die erneute Häufung weltweiter Kriegsherde. Die Neuorganisation der internationalen kapitalistischen Produktion seit Anfang der 1990er Jahre hat die Ungleichmäßigkeit der Entwicklung der imperialistischen und kapitalistischen Länder sprunghaft verstärkt. Die damit verbundenen Kräfteverschiebungen und die Herausbildung einer multipolaren Welt führen zu einer enormen Destabilisierung des imperialistischen Weltsystems.
So musste die USA inzwischen ihren Platz als führende Wirtschaftsmacht an China abtreten. Russland und die EU sind in der Konkurrenz auf dem Weltmarkt ins Hintertreffen geraten. Auf der anderen Seite haben sich einige neokolonial abhängige Länder wie die Türkei, Indien oder Brasilien zu neuen imperialistischen Staaten entwickelt, die aggressiv wirtschaftlich, politisch und militärisch nach vorne drängen.
Der damit verbundene Drang zur Neuaufteilung der Einflusssphären, Märkte und Rohstoffquellen ist im Imperialismus gesetzmäßig. Von einem „Rückfall“ zu sprechen, suggeriert dagegen die Möglichkeit, dass der Kapitalismus in dieser Hinsicht „lernfähig“ sei. Diese Gesetzmäßigkeit war nie verschwunden, aber sie verschärft sich mit der Herausbildung internationaler Monopole und ihrem Vernichtungskampf.
Diskussion über gerechte und ungerechte Kriege belebt sich
Der „Bundesausschuss Friedensratschlag“ lehnt Waffenlieferungen für kurdische Befreiungskämpfer ab, weil die „Gewaltspirale“ gestoppt werden müsse (Erklärung vom 22. 8. 2014). Doch ohne bewaffneten Kampf wäre Kobanê in Rojava (Westkurdistan/Nordsyrien) den barbarischen Faschisten des „Islamischen Staat“ in die Hände gefallen.
Die revolutionäre Weltorganisation ICOR hat 2014 einen Solidaritätspakt mit dem kurdischen Befreiungskampf geschlossen. Internationale Brigaden der ICOR bauen in Kobanê ein Gesundheitszentrum auf. Das zu unterstützen und die Forderung nach einem humanitären Korridor aus der Türkei nach Kobanê gehört auf jede Demonstration am Antikriegstag. Flagge zu zeigen für Schutz und Solidarität für Flüchtlinge, die durch die Folgen der imperialistischen Politik in die Migration getrieben werden, wird ein wichtiger Schwerpunkt beim diesjährigen Antikriegstag sein.
Die Solidarität mit dem kurdischen Befreiungskampf wird am Antikriegstag bedeutend sein. Denn Rojava beweist: Die Herrschenden und ihre faschistischen Handlanger sind keineswegs unschlagbar! Weltweit muss der Kampf gegen den IS-Faschismus geführt werden, der sich ausdrücklich gegen den Befreiungskampf und die Perspektive des Sozialismus richtet.
Am Antikriegstag auf die Straße!
Die Internationale Koordinierung revolutionärer Parteien und Organisationen (ICOR), in der die MLPD Mitglied ist, ruft zum 1. September als internationalem Kampftag gegen Faschismus und Krieg auf. In ihrer Erklärung zum Antikriegstag heißt es: „Wir sind überzeugt, dass der konsequenteste Kampf gegen die wachsende Gefahr eskalierender lokaler und regionaler Kriege darin besteht, den Imperialismus revolutionär zu überwinden und den Sozialismus auf der ganzen Welt aufzubauen.“ (Vollständiger Text unter www.icor.info)
In ganz Deutschland werden Kundgebungen, Demonstrationen und Veranstaltungen zum Antikriegstag durchgeführt.
• Für das Verbot und die Vernichtung aller ABC-Waffen!
• Für das Verbot aller faschistischen Organisationen und ihrer Propaganda!
• Kampf für Arbeit, Frieden, Völkerfreundschaft und Schutz der natürlichen Umwelt – für echten Sozialismus!
• Stärkt MLPD und REBELL – die Kräfte des konsequenten Friedenskampfes!
1 Heidelberger Institut für Internationale Konfliktforschung