70 Jahre Hiroshima – Atomkriegsgefahr nicht gebannt

Vor 70 Jahren zündete die US-Armee erstmals über den japanischen Städten Hiroshima und Nagasaki Atombomben. Diese Verbrechen an der Menschheit haben sich weltweit unauslöschlich ins Gedächtnis vieler Menschen eingebrannt.

Die revolutionäre Weltorganisation ICOR hat den Jahrestag des Atombombenabwurfs über Hiroshima am 6. August als einen ihrer drei Kampftage gegen Faschismus und Krieg beschlossen (neben dem Jahrestag der Befreiung vom Hitler-Faschismus am 8. Mai und dem Antikriegstag am 1. September). Der 6. August wird vor allem in Asien mit Gedenk- und Protestaktionen begangen. Es finden aber auch in vielen anderen Ländern und in Deutschland Aktivitäten dazu statt.

260.000 Menschen starben in Hiroshima und Nagasaki einen grausamen Strahlentod. 80 Prozent der Gebäude wurden in Hiroshima zerstört, 6,7 Quadratkilometer der Stadt Nagasaki dem Erdboden gleichgemacht. 70 Jahre später leiden und sterben Menschen immer noch an den atomaren Langzeitfolgen, an Leukämie oder anderen Krebsformen. Bis in die dritte Generation kommen Kinder mit Missbildungen zur Welt – ein Ende ist nicht absehbar. Bis heute lehnen die USA jede Verantwortung für die verheerenden Folgen seiner Atombombenabwürfe ab.

In Artikeln und Sondersendungen zum 70. Jahrestag wird jedoch der Eindruck erweckt, die verantwortlichen Politiker der Atommächte hätten ihre Lektion gelernt und würden heute alles für die Vermeidung eines Atomkriegs bzw. des Einsatzes atomarer Waffen tun.

Warum halten sie dann weiterhin am weltweiten Bestand von mehr als 15.850 Atombomben fest? Sie haben ein Vielfaches der Zerstörungskraft der Bomben auf Hiroshima und Nagasaki. Allein 96 Prozent davon sind im Besitz der USA und Russlands. Die USA verfügen in fünf europäischen Ländern und im Nahen Osten über geschätzte 1.800 taktische Atomwaffen, die in Belgien, Deutschland, den Niederlanden, der Türkei und Italien stationiert sind. Mehr noch – das US-Militär plant, mit einer Billion Dollar in den nächsten 30 Jahren das gesamte US-amerikanische Atomwaffenarsenal zu modernisieren (siehe S. 6).

Die Bilder von Hiroshima und Nagasaki halten lebendig, wozu der Imperialismus fähig und bereit war und auch heute noch ist.

Antikommunistische Geschichtsklitterung

Was den damaligen US-Präsidenten und Oberbefehlshaber Harry S. Truman bewogen hätte, den Bombenabwurf anzuordnen, werde wohl offen bleiben“, resümiert die „Rheinische Post“ am 1. August mystifizierend. Der Artikel zieht die Schlussfolgerung, dass sich Japan ohne den Einsatz der Atombomben möglicherweise erst ein Jahr später ergeben hätte bzw. durch ihren Abwurf die sich abzeichnende Niederlage beschleunigt und die Opferzahl begrenzt wurde. Das ist nichts als eine nachträgliche zynische Rechtfertigung des grausamen Atombombeneinsatzes.

Truman sei es wohl auch darum gegangen, mit diesem nuklearen Faustpfand Moskau zu beeindrucken und „Stalins Expansionsstreben“ zu beenden, heißt es weiter in dem Artikel. Tatsächlich wollte die US-Regierung mit der Bombardierung von Hiroshima und Nagasaki in erster Linie der damals noch sozialistischen Sowjetunion zuvorkommen. Die Rote Armee war es, die Deutschland vom Hitlerfaschismus befreit hatte. Stalin hatte auf der Jalta-Konferenz im Februar 1945 zugesichert, dass die Sowjetunion nach dem Sieg in Europa Japan den Krieg erklären würde. Selbst die bürgerliche „New York Times“ berichtete am 15.8.1945: „Rußlands Eintritt in den japanischen Krieg beschleunigte das Ende des Krieges in entscheidender Weise und würde es auch getan haben, wenn keine Atombombe abgeworfen worden wäre“ (zitiert aus Willi Dickhut, „Krieg und Frieden und die sozialistische Revolution, S. 37; mehr dazu auf S. 8). Mit dem Atombombenabwurf sollte verhindert werden, dass die Sowjetunion auch Japan besetzt und dadurch der Einfluss des Sozialismus in der ostasiatischen Region noch mehr gewachsen wäre. 70 Jahre nach dem atomaren Inferno von Hiroshima und Nagasaki muss das Gedenken deshalb mit dem Kampf gegen die antikommunistische Geschichtsklitterung verbunden werden.

Krieg – Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln

Die sprunghafte Verschiebung der Kräfteverhältnisse lässt die allgemeine Kriegsgefahr auf der Welt wieder wachsen. Wie schnell daraus die Gefahr eines atomaren Schlagabtauschs erwachsen kann, zeigt der Stellvertreterkrieg in der Ukraine, in dem die Hauptaggressoren USA und EU mit Russland um den Haupteinfluss auf dieses wirtschaftlich und politisch bedeutende Land kämpfen. Dort befinden sich strategisch wichtige Rohstoffe, Industriezentren und Absatzmärkte. In diesem Konflikt stehen sich die Atommächte USA/NATO sowie Russland direkt gegenüber. Während die USA bereits wieder Atombomber an der NATO-Ostgrenze zu Russland fliegen lassen, versetzte der russische Präsident Putin während der Besetzung der Krim seine Atomwaffen für den Fall eines westlichen Gegenangriffs in Alarmbereitschaft. „Wir waren bereit, es zu tun“, sagte er laut dem russischen Fernsehsender „Rossia 1“ vom 15. März.

Der erst kürzlich vereinbarte Atomkompromiss mit dem Iran wird von den Regierungen der USA und EU als Beitrag zum Weltfrieden gefeiert. In Wirklichkeit geht es ihnen um die verstärkte Einflussnahme in einer Region, in der sich momentan die imperialistische Rivalität – bis hin zu erbitterten Kriegen – erheblich zuspitzt. Neben die bisherigen imperialistischen Mächte treten dabei auch eine ganze Reihe neuimperialistischer Mächte wie die Türkei, Saudi-Arabien und Katar, die sich am Kampf um regionale Vorherrschaft beteiligen und zum Teil besonders aggressiv agieren. Die von Saudi-Arabien und Katar finanzierten islamistisch-faschistischen IS-Milizen haben große Gebiete des Iraks und Syriens unter ihre Kontrolle gebracht. Das hat auch die USA in Zugzwang gebracht, dagegen militärisch vorzugehen.

Die Türkei riskiert mit ihren Luftwaffenangriffen vorwiegend auf Stellungen der kurdischen Befreiungsorganisation PKK im Nordirak – nach einem Deal mit der US-Regierung – eine weitere gefährliche Zuspitzung in der ganzen Region. Dagegen ist Wachsamkeit im Friedenskampf und Solidarität mit dem kurdischen Befreiungskampf gefordert. Die MLPD unterstützt deshalb die am 8. August in Köln stattfindende Demonstration (siehe S. 24).

In ihrer Grußbotschaft zum Hiroshima-Gedenktag schreibt Monika Gärtner-Engel für die MLPD: „Aus Anlass des internationalen Kampftags gegen Faschismus und Krieg und des 70. Jahrestages des Atombomben-Abwurfs der USA auf Hiroshima und wenig später auf Nagasaki grüßt die MLPD alle befreundeten Organisationen und alle friedliebenden Menschen im asiatisch-pazifischen Raum. ... die Gefahr des Einsatzes von Atomwaffen und eines atomaren Weltkriegs gehört keineswegs der Vergangenheit an. Der Pazifische Raum ist heute wieder Schauplatz der Aufrüstung und Kriegsvorbereitung von Seiten vieler imperialistischer Mächte.“

Atomkraftwerke liefern Nuklearmaterial

Es ist besonders zynisch, dass kurz nach dem 70. Jahrestag des Hiroshima-Infernos die japanische Regierung ein erstes Atomkraftwerk im Südwesten Japans wieder in Betrieb nehmen will. Gleichzeitig forciert sie die Remilitarisierung Japans mit einem Gesetz, das bewaffnete Auslandseinsätze wieder möglich machen soll (siehe S. 7). Allein 2014 waren weltweit 557 weitere Atomkraftwerke geplant. 18 Staaten wollen neu in die Nutzung der Atomenergie einsteigen. Ein Hauptgrund für das Festhalten an den AKW und ihrem geplanten Ausbau ist, dass sie den imperialistischen Mächten das Ausgangsmaterial für die Atomwaffenherstellung liefern.

Kriege und Kriegsgefahr können nicht die Perspektive der Menschheit sein

Es ist zu begrüßen, dass die Friedensbewegung 70 Jahre nach Hiroshima und Nagasaki zu vielfältigen Protesten und Aktivitäten aufruft. Kleinbürgerlich-pazifistische Illusionen desorientieren dabei. In der Erklärung des „Friedensratschlags“ vom 27. Juli wird an die Bundesregierung appelliert, sie solle einen „aktiven Beitrag zum ,Miteinanderreden‘ der Konfliktparteien in Osteuropa (Ukraine, Russland, Baltikum u.a.) leisten“. Das verharmlost die Ziele und das Wesen des deutschen Imperialismus. Die Kriegsgefahr geht ja hauptsächlich von der Politik der Ostexpansion der NATO und der EU auf Kosten bisheriger russischer Einflussgebiete aus. Die deutsche Regierung spielt dabei eine treibende Rolle. Dazu wurde der bei den Verhandlungen um den „Zwei-plus-Vier-Vertrag“ 1990 durch den damaligen Außenminister Genscher gegenüber dem sowjetischen Staats- und Parteichef Gorbatschow zugesagte Verzicht auf eine Osterweiterung der NATO mehrfach gebrochen.

Im Kampf gegen Militarisierung, imperialistische Kriegspolitik und für den Erhalt des Weltfriedens ist eine breite Einheit aller friedliebenden Kräfte erforderlich. Im entschiedenen und weltweiten Massenwiderstand können das Verbot und die Ächtung aller atomaren, biologischen und chemischen Waffen erkämpft werden!

Weiter heißt es in der Grußbotschaft der MLPD: „Wir unterstützen die Massenproteste gegen die beschleunigte Remilitarisierung des japanischen Imperialismus, den Kampf des philippinischen Volkes gegen US-Stützpunkte, aber auch gegen die aggressive Politik des chinesischen Imperialismus, sich Stützpunkte auf fremden Inseln zu verschaffen. Wir unterstützen die Proteste in Australien gegen die Beteiligung der Regierung an der Aufrüstung der USA durch Stützpunkte und Truppen.

Wir rufen alle Revolutionäre auf, den Weg der Vorbereitung der internationalen sozialistischen Revolution gemeinsam mit und in der ICOR zu gehen. Denn wir alle wissen, dass es imperialistische Kriege und Kriegsgefahr so lange geben wird wie der Imperialismus existiert.

Die entscheidende Schlussfolgerung aus Hiroshima und Nagasaki kann nur im Kampf zur Beseitigung des Imperialismus, dem Kampf um nationale und soziale Befreiung und die Vorbereitung der internationalen sozialistischen Revolution bestehen!“