„Freimessen“ und „Dekontaminieren“: Wie Energiekonzerne radioaktiven Abfall „entsorgen“
Hamburg (Korrespondenz): Karsten Hinrichsen ist Urgestein der Anti-AKW-Bewegung in Brokdorf und Mitorganisator der Protest- und Kulturmeile. Er deckte in einem Artikel im „Gegenwind“1 auf, mit welch menschenverachtenden Methoden Vattenfall sich der Verantwortung für den Rückbau des benachbarten AKW Brunsbüttel entzieht. Das Monopol nutzt die Hintertür, die die damalige rot-grüne Bundesregierung in die Strahlenschutzverordnung einbaute.
Die zuständige Behörde (hier die rot-grüne Landesregierung in Kiel) kann „radioaktive Stoffe, bewegliche Gegenstände, Bodenflächen, Anlagen und Anlagenteile“ zur Verwendung als Bau- und Rohstoffe freigeben, wenn sie „freigemessen“ sind. Freimessen bedeutet hier Senkung der Strahlung verstrahlter Stoffe unter den gesetzlichen Grenzwert, indem lösliche Bestandteile in die menschliche Lebenssphäre verbreitet werden. Das wird „Dekontaminieren“ genannt, bei dem als erste die beauftragten Arbeiter bei der Arbeit mit Sandstrahler und Hochdruckreiniger gefährdet werden. Die dabei freigesetzten Stäube und Gase werden nur teilweise in Filtern aufgefangen, weil sie teuer sind und endgelagert werden müssen. Der Rest geht in die Umwelt: über die Stahlschmelze in Kochtöpfe und Zahnspangen, in Gewässer, Felder und den Straßenbau. Durch den Abriss wird auf diese Weise mehr Radioaktivität frei gesetzt als im Normalbetrieb des AKWs!
Das ist nicht zwangsläufig, sondern allein durch die Profitsucht der Konzerne verursacht. Sie wollen die Kosten für die Endlagerung verstrahlter Stoffe in abgeschlossenen Behältern und Lagerstätten vermeiden.
Das Buch „Katastrophenalarm!“ zieht das Resümee: „Förderung von Uran sowie Bau und Betrieb von Kernkraftwerken hinterlassen – neben den Gefahren der atomaren Rüstung und neuerlicher katastrophaler Unfälle – mit dem ungelösten Problem des Atommülls den nachfolgenden Generationen ungeheure Lasten. In der Biosphäre reichert sich tendenziell immer mehr Radioaktivität an. Was auf natürlichem Weg abgebaut wird, ist erheblich geringer, als was aufgrund fortgesetzter Nutzung der Atomkraft neu hinzukommt. Der meiste Atommüll wird wohl länger strahlen, als die Menschheit existiert.“2
Sofortiger Stopp aller Atomanlagen weltweit!
1 „Gegenwind“, Politik und Kultur in Schleswig-Holstein, April 2015, S. 16 f
2 Stefan Engel, „Katastrophenalarm! Was tun gegen die mutwillige Zerstörung der Einheit von Mensch und Natur?“, S. 192 f