System der Reis-Intensivierung: „Starke Wurzeln – starke Erträge“
„Agronomen aus aller Welt sollten hierher kommen, um sich inspirieren zu lassen“, rief der amerikanische Wirtschaftswissenschaftler und Nobelpreisträger Joseph E. Stiglitz im Januar 2013 Reisbauern im indischen Bundesstaat Bihar zu. Worum geht es bei der Reis-Intensivierung (SRI)?
Zu Recht ist Stiglitz von dieser konventionellen Anbaumethode begeistert. Sie wurde zum ersten Mal 1983 vom französischen Jesuitenpater und Landwirtschaftsingenieur Henri de Laulanie anhand des Hochland-Reisanbaus auf Madagaskar untersucht. Im gleichen Jahr brachte dann Norman Uphoff, Leiter des „International Institutes for Food, Agriculture and Devlopment“ an der Cornell University die Erfolge dieser Methode breit an die Öffentlichkeit: Bauern, die mit bisherigen Anbaumethoden zwei Tonnen Reis pro Hektar geerntet hatten, schafften nun acht Tonnen pro Hektar. 1997 begann er dann, mit Hilfe einer 15-Milliarden-Dollar-Spende eines anonymen Milliardärs in Asien erfolgreich für die Unterstützung der Reis-Intensivierungsmethode (SRI) zu werben.
Uphoff zu den Ursachen seines Erfolgs: „Es ist das genaue Gegenteil der ersten ‚grünen Revolution‘ der Siebzigerjahre. Damals glaubte man, man müsse das Saatgut und die Nährstoffe im Boden verändern, um die Erträge zu steigern … Aber im 21. Jahrhundert muss sich die Landwirtschaft ändern. Land und Wasser werden knapper, an vielen Orten wird das Klima unwirtlicher. Die SRI-Methode gibt Millionen von Bauern die Möglichkeit, mit schwieriger werdenden Bedingungen besser zurechtzukommen. Und es profitieren vor allem die Bauern selbst: Es gibt keine Patente, Abgaben oder Lizenzgebühren.“
Uphoff verbreitet hier die Illusion, man müsse und könne sich an die Folgen der begonnenen Klimakatastrophe anpassen. Davon unabhängig handelt aber eine wachsende Zahl von Bauern mit der Anwendung der SRI-Methode gegen die Profitinteressen mächtiger Chemie- und Agrarmonopole, die unter anderem am Verkauf von Kunstdünger verdienen. Denn für die SRI-Methode braucht es unter anderem kein genmanipuliertes Saatgut mehr, durch das Millionen von Bauern nach wie vor von Agrarmonopolen abhängig werden. Dazu Uphoff: „Immer geht es um Gene, Gene, Gene – und damit sind bestenfalls Ertragssteigerungen von fünf bis zehn Prozent zu erzielen. Nie hat man sich damit beschäftigt, wie man den Anbau selbst optimieren kann …“1 Und diese „Selbstoptimierung“ beruht bei der SRI-Methode auf dem denkbar einfachen Prinzip „Starke Wurzeln – starke Erträge“. Das heißt: Reispflanzen werden in größerem Abstand zueinander als bisher gepflanzt. Das erzeugt stärkere Wurzeln, die wiederum zu bedeutend höheren Ernten führen.
Reisanbau nach der SRI-Methode braucht andererseits bedeutend weniger Wasser, weil Reisfelder nicht geflutet, sondern nur noch befeuchtet werden müssen. Durch den Einsatz von organischem Dünger kann außerdem die weltweit rasant voranschreitende Bodenzerstörung, etwa durch Versalzung, bekämpft werden. Zur besseren Durchsetzung der SRI-Methode haben sich inzwischen viele Bauern mit Unterstützung der Regierung von Bihar in „Musterdörfern“ zu Genossenschaften zusammengeschlossen.
Aber nicht nur für den ertragreicheren Reisanbau taugt die „SRI-Methode“. So knackte Nitish Kumar aus dem indischen Darveshpura im Frühjahr 2012 den bisherigen Weltrekord niederländischer Bauern von 44,7 Tonnen Kartoffeln pro Hektar. Er holte mit dem Prinzip „Starke Wurzeln – starke Ernte“ mit 72,9 Tonnen fast doppelt so viele Kartoffeln aus seinen Feldern. Darüber hinaus konnten mit der SRI-Methode bisher auch Weizen- und Zwiebelernten erheblich gesteigert werden.2
Wohl aus Angst um sinkende Profite lehnen die führenden Chemie- und Agrar-Monopole die SRI-Methode ab. Unter anderem bringen sie gegen SRI vor, die hohen Erträge seien zufällige Ergebnisse, die so nicht wiederholt werden könnten. Das lässt die indische Bäuerin Kunti Devi nicht gelten, die seit Jahren die SRI-Methode mit anhaltendem Erfolg praktiziert: „Von allen Seiten übten sie Druck auf mich aus – doch ich hielt stand … Heute finden Sie im ganzen Umkreis niemanden, der nicht SRI praktiziert.“3
Vor allem aber ist die SRI-Methode für Kunti Devi und andere Bauern ein Beitrag dafür, ihrer eigenen chronischen Verschuldung zu entkommen. Viele können aufgrund dieser Methode auf den Kauf von Kunstdünger verzichten und düngen mit Mist.
Letztlich ist die Schonung der Böden bei gleichzeitiger Ertragssteigerung durch die Anwendung von Anbaumethoden wie SRI ein Beitrag zum Erhalt der Einheit von Mensch und Natur. Die planmäßige Höherentwicklung dieser Einheit allerdings „muss ein wesentlicher Bestandteil des ökonomischen Grundgesetzes des Sozialismus werden“.4 Das heißt: Erst durch den Sturz der weltweiten Monopolherrschaft werden umweltschonende Anbaumethoden wie SRI zum Prinzip für die gesamte landwirtschaftliche Produktion.
1 „Süddeutsche Zeitung Magazin“, Heft 20/2013, „Ein Körnchen Wahrheit“
2 „taz“, „Landwirtschaft in Indien – Bihars kleine Ökorevolution“, 16.9.2014
3 Christian Brüser in „Deutschlandradio Kultur“: „Wundersame Reisvermehrung“, 12.2.2014
4 Stefan Engel, „Katastrophenalarm! Was tun gegen die mutwillige Zerstörung der Einheit von Mensch und Natur?“, S. 319