Griechenland: Verstärkter Linkstrend – massive Absage an EU-Politik

Tanzende Menschen feierten am Sonntagabend auf den Straßen den Wahlsieg des linken Bündnis Syriza, das mit großem Abstand als Sieger hervorgegangen ist. Die Wahlen zeigen einen deutlich gewachsenen Linkstrend. Griechenland wird eine linke Regierung bekommen. An dem Bündnis sind auch revolutionäre Kräfte beteiligt. Syriza erreichte 36,34 Prozent und stellt 149 Abgeordnete. Gegenüber 2012 steigerten sie sich um fast 600.000 Stimmen. Herzlichen Glückwunsch zu diesem Wahlerfolg gegen alle Hetze und Panikmache aus dem In- und Ausland.

Auch die Kommunistische Partei Griechenlands (KKE) hat mit 5,47 Prozent gegenüber 2012 circa 60.000 Stimmen zugelegt. Die bisherigen Regierungsparteien Nea Dimokratia (ND) (27,81 Prozent, minus 108.000) und die sozialdemokratische PASOK sind die großen Verlierer. Die PASOK rutschte mit 4,68 Prozent auf ein historisches Tief. Sie befindet sich in einem regelrechten Zerfallprozess. Hatte sie 2009 noch über drei Mil­lionen Stimmen, so waren es jetzt gerade noch 289.293 (4,68 Prozent). Die Grünen/Demokra­tische Linke verloren 355.037 Stimmen, haben nur noch 0,49 Prozent und flogen aus dem bürgerlichen Parlament. Drittstärkste Partei wurde die faschistische Chrysi Avgi (Morgenröte) mit 6,28 Prozent, sie verlor aber gegenüber 2012 und gegenüber der Europawahl 2014 sogar circa 140.000 Stimmen. Die neue links-liberale Partei To Potami, (Der Fluss) („Wir koalieren mit jedem Wahlsieger“) erreichte 6,05 Prozent. Die zumindest in verschiedenen Fragen reaktionäre und rassistische Partei Anel (Unabhängige Griechen) erhielt 4,75 Prozent.

Ein Loslösungsprozess vom bürgerlichen Parlamentaris­mus kommt in der niedrigen Wahlbeteiligung von 63,87 Prozent zum Ausdruck, trotz der Politisierung im Vorfeld. Auch die Anzahl ungültiger und leer abgegebener Stimmen liegt mit 149.425 (2,36 Prozent) relativ hoch.

Bereits am Montag, einen Tag nach der Wahl, wurde Alexis Tsipras als Ministerpräsident vereidigt, nachdem er eine Koa­lition mit der Anel eingegangen war. Diese wurde 2012 von Kräften gegründet, die sich von der Nea Demokratia abgespalten haben. Sie lehnt zwar auch die EU-Politik ab. Aber gegen Zuwanderer nimmt sie eine ausländerfeindliche Haltung ein und gegenüber den Türken im Norden Griechenlands hat sie eine rassistische Einstellung. Ihre Programmatik ist rechtsnationalistisch.

Massive Absage an die EU-Politik

Der Wahlausgang war nicht nur ein Schlag gegen die Korruptions- und Vetternwirtschaft der alten Regierung Samaras, sondern vor allem gegen das „Spar“-Diktat der Troika aus EU, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfond.

Zynisch brüstet sich Finanzminister Schäuble in der „Tagesschau“, man habe Griechenland immer seine „Hilfsbereitschaft“ gezeigt. Die mit der Kreditvergabe auferlegten sogenannten „Reformen“ hatten verheerende Auswirkungen auf die Lebenslage der Arbeiter und breiten Massen: Eine Million vernichtete Arbeitsplätze, jeder vierte Grieche, jeder zweite Jugendliche ist arbeitslos. Löhne und Gehälter, Renten und Mindestlöhne wurden massiv gekürzt. Das Gesundheitswesen ist zerrüttet, Krankenhäuser wurden geschlossen. 300.000 Familien leben ohne Strom. Armut und Verelendung treibt die Menschen in Obdachlosigkeit und zum Selbst­mord. Durch die verordnete Privatisierung wurde zugunsten der Superreichen der Staatsbesitz zu Schleuderpreisen verramscht. Es ist typisch bürgerliche Ökonomie, wenn jetzt angesichts eines aktuellen prognostizierten Wachstums von 0,7 Prozent vom beginnenden Wachstum gesprochen wird. Tatsächlich liegt die Industrieproduktion bei 68 Prozent des Vorkrisenstands. Das EU-Diktat hat nichts verbessert, dazu war es auch nie da. Zugleich sind die Schuldenlasten noch weiter angestiegen, bis jetzt auf 320 Milliarden Euro, das sind 180 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Schäub­les „Hilfsbereitschaft“ diente immer nur den Banken, die sich immens bereichert haben. So flossen 94 Prozent der bis 2013 gewährten 207 Milliarden Euro „Hilfskredite“ direkt an Banken. Das meiste hat die Landesgrenze nie überquert. Ein knappes Drittel ging an deutsche Banken. Sie liehen Griechenland die Milliarden für 3,5 Prozent Zinssatz, die sie selbst für einen Zinssatz von 0,5 Prozent Zinsen bei der Europäi­schen Zentralbank holten. Ein Bombengeschäft, das bei einem Schuldenschnitt gefährdet wäre. Die griechische Bevölkerung hat nicht über ihre Verhältnisse gelebt, sondern sie wurde über die Maßen ausgebeutet.

Die EU-Politik der Troika ist gescheitert

Griechenland sollte ein Modell sein, wie die Krisenlasten auf den Rücken der Arbeiter und breiten Massen abgewälzt werden. Vor dem Hintergrund erneut anwachsender Kämpfe scheiterte im letzten Jahr dreimal die Wahl eines neuen Staatspräsidenten, was die Neu­wahlen erforderte. Das bedeutete bereits eine offene poli­tische Krise in Griechenland. Mit dem jetzigen Wahlausgang ist die EU-Politik der Troika poli­tisch gescheitert.

Das ruft in den Kreisen des alleinherrschenden internationalen Finanzkapitals und bei den bürgerlichen Politikern hektische Betriebsamkeit hervor. Der imperialistische EU-Block hat ernsthafte Probleme, dass das Beispiel Griechenland in Europa Schule macht und der Widerstand gegen die EU-Diktate auch in anderen Ländern anwächst. Ausgehend von den europäischen Imperialisten und der griechischen Regierung wurde vor der Wahl versucht, Einfluss auf die Wahlen zu nehmen. Sie schürten Angst, dass mit einem Wahlsieg von Syriza Griechenland vor dem Aus stünde. In Davos drohte Euro-Gruppen-Chef
Jeroen Dijsselbloem Griechenland mit Sanktionen für den Fall, dass bei der Parlamentswahl Syriza stärkste Kraft wird. Die Wahlentscheidung der griechischen Bevölkerung ist deswegen als Absage an diese Erpressung zu bewerten. Am Montag trafen sich die EU-
Finanzminister, um über die Situation zu beraten. Einmütig lehnten sie einen Schuldenschnitt ab. Vertrag ist Vertrag.
„Niemand drängt Griechenland irgendetwas auf, aber die Verpflichtungen gelten“, kommentierte Schäuble scheinheilig. Selbstverständlich seien sie zu Gesprächen bereit, aber man muss sich an die Regeln halten. Diese Regeln werden aber vom Finanzkapital diktiert. In die gleiche Kerbe schlagen Stellungnahmen von weiteren CDU- und SPD-Politikern.

Hoffnungen auf grundlegende Veränderungen

Die von Syriza versprochenen sozialen Sofortmaßnahmen, wie Erhöhung der Renten und Mindestlöhne, freie Gesundheitsversorgung und Stromversorgung für bedürftige Familien usw. sind soziale Reformen.

Darüber hinaus spiegeln sich aber im Wahlausgang die Hoffnungen und die Sehnsucht der Arbeiter und Volksmassen nach tatsächlichen und grundlegenden Veränderungen wider. Der Syriza-Vorsitzende Alexis Tsipras hat in seinem Wahlkampf die trügerische Hoffnung genährt, das ginge allein durch die Wahl von Syriza und ohne revolutionären Sturz des alleinherrschenden Finanzkapitals. Aber es gibt kein Beispiel in der Geschichte, in der sich das alleinherrschende Finanzkapital am parlamentarischen Verhandlungstisch zu einem Verzicht bereit erklärte. Schon jetzt wird ein gewaltiger Druck des Finanzkapitals und seiner Regierungen allein schon in der Frage der Rückzahlung der Schulden ausgeübt.

Die größte Angst haben die EU-Mächtigen davor, dass der kämpferische Geist und die Ablehnung des EU-Diktat in allen ­europäischen Völkern Schule macht. Der gemeinsame Kampf der Werktätigen und breiten Massen in Europa gegen die Abwälzung der Krisenlasten, dass ist der Weg, die EU-Diktate zu Fall zu bringen. Ob Tsipras diesen Weg gehen wird oder sich mit kosmetischen Zugeständnissen am Verhandlungstisch in Brüssel abspeisen lässt, wird sich zeigen.

Ein Ausscheren aus der internationalen kapitalistischen Produktion und den internationalen Abhängigkeiten ist heute kaum in einem einzelnen, noch dazu kleinen Land denkbar. Deshalb müssen die revolutionären Kräfte und ihr Zusammenschluss in der ICOR gestärkt werden und länderübergreifend Kämpfe gegen das alleinherrschende internationale Finanzkapital und seine Regierungen koordiniert und revolutioniert werden. Der Kampf der griechischen Arbeiter und Volksmassen, wie der neunmonatige Streik der Stahlarbeiter von Aspropirgos, war immer auch eine Ermutigung für die Arbeiter- und Volksbewegung in Europa. Der weitere Kampf wird sicherlich nicht einfach sein. Die MLPD versichert dabei ihre volle Solidarität.