Mit Merkel, Netanjahu und IWF für die „Freiheit“?
16.01.2015 - Am vergangenen Sonntag fand in Paris die größte Demonstration seit der Befreiung vom Hitler-Faschismus im August 1944 statt. Mindestens 1,5 Millionen Menschen in der Hauptstadt und 3,7 Millionen im ganzen Land demonstrierten gegen den faschistischen Terror. Die weltweite Anteilnahme für die Opfer der faschistischen Anschläge von Paris ist so überwältigend wie das antifaschistische Engagement der Massen. Auch Front National und „Pegida“ sind im Abseits.
Der faschistoide „Front National“ war bei der Großdemonstration in Paris ausgeladen. Die große Masse der Menschen wendet sich gegen die faschistischen Anschläge auf muslimische Einrichtungen in Frankreich. Bei uns missbrauchen „Pegida“, AfD und NPD die Anschläge von Paris für ihre religiöse und nationalistische Spaltung. Trotzdem wächst von Woche zu Woche die Stimmung gegen die rassistische „Pegida“-Bewegung. Die Menschen wollen nicht den einen Faschismus bekämpfen und den anderen durch die Hintertür serviert bekommen. Das Bündnis „Dresden Nazifrei“ schreibt am 8. 1. 2015: „Pegida hat noch gestern, quasi unmittelbar nach dem Bekanntwerden des Anschlages in Paris, ihren ,Spaziergang‘ für Montag in einen ,Trauermarsch‘ umgewidmet. Damit erreichen sie ein neues Höchstmaß an Abscheulichkeit und Ekelhaftigkeit! Wenn dieselbe Gruppe, die noch diesen Montag gegen ,linke Gutmenschen‘ und kommunistische Verbrecher gehetzt haben, sich nun nach dem Mord an eben solchen linken Menschen als große Moralist/innen aufschwingen, muss es in Paris so ankommen, als würden Bachmann, Oertel, Jahn und Co. (Organisatoren der „Pegida“, RF) den Opfern posthum noch ins Gesicht spucken.“
In Dresden überbieten sich die Polizei und „Pegida“ weiterhin mit den Teilnehmerzahlen. Die einen sprechen von 25.000, die anderen fantasieren gar von 40.000. Antifaschisten in Dresden halten die Zahlen seit Wochen für stark übertrieben.
Tatsache ist: Am Samstag, den 10. Januar demonstrierten in Dresden 35.000 Menschen gegen „Pegida“ und ihre rassistische Hetze. Die Polarisierung nimmt zu. 7.000 bis 8.000 Menschen versuchten am Montag in Dresden „Pegida“ zu blockieren. Nur Dank der Polizei konnte „Pegida“ überhaupt laufen. Die „Pegida“-Ausweitung nach Leipzig ist dagegen mit Pauken und Trompeten gescheitert. 30.000 Leipzigerinnen und Leipziger stellten sich circa 2.000 „Pegida“-Anhängern entgegen. Auch in München demonstrierten mit 18.000 Menschen mehr als zehnmal so viele Gegner der rassistischen „Pegida“, als diese selbst mobilisieren konnten. In Düsseldorf traten 7.000 bis 8.000 Antifaschisten 300 „Dügida“-Anhängern entgegen. Und in Hannover waren es 19.000 Antifaschisten.
Insgesamt beteiligten sich am Montag, den 12. Januar bundesweit über 100.000 Menschen an antirassistischen Montagsdemos gegen „Pegida“. Bereits am Tag zuvor demonstrierten in Berlin 13.000 Menschen für Sozialismus und Kommunismus im Rahmen der LLL-Demonstration. Das war in den letzten Tagen die größte antifaschistische, internationalistische Manifestation in Deutschland seit Jahren.
Immer weniger bleibt vom Mythos, „Pegida“ käme aus der Mitte der Gesellschaft. Tatsächlich wurde und wird diese Bewegung systematisch gefördert, aufgewertet und aufgebauscht nicht nur durch Faschisten, sondern durch Teile der bürgerlichen Medien und Politik.
Regierungsamtlicher Antifaschismus?
Die meisten Menschen durchschauen die Vereinnahmungsversuche durch faschistoide Kräfte schnell und lehnen das ab. Schwieriger zu erkennen sind die heuchlerischen Versuche einiger Spitzenvertreter des allein herrschenden internationalen Finanzkapitals, sich an die Spitze der Anti-„Pegida“-Demonstrationen zu stellen und sie zu vereinnahmen. Die meisten Menschen demonstrieren für demokratische Rechte und Freiheiten, gegen rassistische und religiöse Spaltung und gegen Faschismus jeder Art. Dem versuchen vor allem die Regierungsvertreter die Richtung ihres bürgerlichen Antifaschismus aufzudrücken: Dass es um die Einheit der Nation gegen „Verfassungsfeinde“ und Terroristen gehe, ihrer Lesart nach also auch gegen revolutionäre Freiheitskämpfer.
Dieser staatstragende bürgerliche Antifaschismus verschleiert das Wesen des Faschismus und seinen Hauptzweck: die offen terroristische Unterdrückung der revolutionären Arbeiterbewegung. Er setzt Kommunismus und Faschismus gleich. Für ihn ist der faschistische IS-Terror das gleiche wie die ihn heldenhaft bekämpfende Arbeiterpartei Kurdistans (PKK). Mit dem PKK-Verbot in Deutschland wird ihr antifaschistischer, revolutionärer Freiheitskampf sogar ausdrücklich unterdrückt.
Wer redet hier von Freiheit?
Nach der Großdemonstration in Paris wurden Fotos verbreitet, die zeigen sollten, dass in der ersten Reihe neben François Hollande und Angela Merkel auch der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu und die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, marschieren. Die Fotos waren in einer Seitenstraße abseits der Großkundgebung gestellt worden. Auch in Dresden und Berlin drängten sich Spitzenvertreter des Staates in den Vordergrund. Sie versuchen damit, das ramponierte Ansehen wegen ihrer Überwachung und Zusammenarbeit mit den US-Geheimdiensten aufzupolieren. Auch, dass Teile des Staatsapparats und der deutschen Geheimdienste tief in die NSU-Mordserie verwickelt sind, haben viele Menschen längst nicht vergessen.
Für welche „Freiheit“ demonstrieren diese Regierungsvertreter? Für die Freiheit, mit dem Transatlantischen Investitionsabkommen (TTIP) die Rechte der Massen dem Recht auf Maximalprofite zu opfern? Für die Freiheit, mit Fracking und Kohlekraftwerken die Umwelt zu ruinieren? Für freie Waffenexporte an Reaktionäre? Für die Freiheit Israels, Kriege gegen Palästina zu führen? Für die Freiheit, Foltergefängnisse zu unterhalten? Und das in der Regel gegen den vielfach erklärten Willen der überwiegenden Mehrheit in ihren Ländern.
Grenzenlose Freiheit für die Herrschenden auf der einen Seite, aber nur eingeschränkte Freiheiten für die Massen auf der anderen Seite – das ist das Gesicht der bürgerlichen Demokratie. Mit Notstandsgesetzen bereiten sich die Herrschenden darauf vor, revolutionäre Entwicklungen zu unterdrücken. Die USA haben im Namen der „Freiheit“ reaktionäre und islamistisch-faschistische Kräfte gefördert wie Osama Bin Laden und die IS-Milizen, deren Ableger jetzt wahrscheinlich in Paris die Anschläge verübt haben.
„Pressefreiheit“?
Das Schlagwort von der „Pressefreiheit“ ist derzeit in aller Munde. Aber die bürgerliche „Pressefreiheit“ ist stark eingeschränkt, denn die Herrschenden versagen einem großen Teil der Menschen den Zugang zu den Medien, betreiben antikommunistische Ausgrenzung usw. Sie nutzen die bürgerlichen Medien für eine massive Meinungsmanipulation (siehe auch Seite 9).
Wie wenig „Meinungsfreiheit“ es gibt, sieht man gut an „Charlie Hebdo“ selbst. Diese Zeitschrift steht für bissige politische Karikatur, die in Frankreich sehr beliebt ist. Das ist den reaktionären Kräften in Frankreich ein Dorn im Auge. Die ermordeten Karikaturisten waren durch viele Prozesse verfolgt worden. Demokratische Rechte und Freiheiten und Religionskritik auf antifaschistischer Grundlage müssen erkämpft und verteidigt werden, auch wenn man eine reißerische Verunglimpfung von Religionen kritisieren kann.
Unfreiheit, um die Freiheit zu verteidigen?
Das antifaschistische Bewusstsein der Massen muss sich von Wortführern frei machen, die von Freiheit reden, um sie weiter abzubauen! Die Innenminister der EU haben sich am Sonntag, den 11. Januar getroffen, um „Anti-Terror-Maßnahmen“ zu beraten, vor allem mehr Überwachung und Bespitzelung. Dagegen denken sie nicht daran, konsequent alle faschistischen Organisationen zu verbieten. In Deutschland fordert nicht nur die CSU, sondern auch NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) die verdachtsunabhängige Vorratsdatenspeicherung und verschärfte Überwachung aller Bürger. Dabei waren die faschistischen IS-Mörder von Paris der Polizei bekannt. In Frankreich gibt es bereits die Vorratsdatenspeicherung.
Keine Feindbilder – keine Parteien?
Bei der Großdemonstration in Paris am vergangenen Sonntag hoben Berichte der bürgerlichen Medien hervor, dass keine Transparente und Parteifahnen zu sehen waren. Wenn jetzt gerufen wird: „Keine Feindbilder!“, dann soll damit auch verhindert werden, dass die wahren Verantwortlichen hinter faschistischem Terror und Rassismus auf die Anklagebank kommen. Die Ursachen dieses Terrors liegen in einem auf Ausbeutung, Unterdrückung und gnadenlosem Konkurrenzkampf basierenden imperialistischen System. Deshalb kann der faschistische und reaktionäre Terror nicht beseitigt werden, ohne den Imperialismus zu beseitigen. Die allseitige Stärkung der revolutionären Weltorganisation ICOR und in Deutschland der MLPD ist so die konsequenteste Schlussfolgerung gegen den faschistischen Terror und für die Freiheit.