War es wirklich die RAF?
Vor 25 Jahren: Mord am Chef der Deutschen Bank Alfred Herrhausen
Als am 30. November 1989 der erste Sprecher der Deutschen Bank, Alfred Herrhausen, auf dem Weg von seinem Wohnsitz in Taunusstein nach Frankfurt in seiner gepanzerten Limousine durch ein Sprengstoffattentat ums Leben kam, standen die angeblichen Täter schnell fest: Die „Rote-Armee-Fraktion“ (RAF). Das war für die Ermittler allein schon aus einem dubiosen Bekennerschreiben klar, das sie angeblich am Tatort gefunden hatten. Bis heute gibt es an dieser Version erhebliche Zweifel.
Da sind zunächst die angeblichen Vorbereitungen des Mordanschlags, die schon Monate vor dem Attentat auch für Herrhausens Personenschutz begonnen wurden, etwa die Kabelverlegung oder die Installation einer Lichtschranke für eine Sprengvorrichtung. Nach Angaben des Sicherheitsexperten Robert Schell wurde die Bombe aber durch Funkfernsteuerung gezündet. Zunächst wurde diese Version von den Behörden bestätigt, nachträglich aber widerrufen. Stellt sich die Frage: Wer hatte ein Interesse an einem vorgetäuschten Attentatsverlauf, der zudem für die RAF völlig untypisch war?
Dann der „Kronzeuge“ der Ermittlungsbehörden, Siegfried Nonne, mit dem der „Verfassungsschutz“ schon seit Jahren wegen seiner Drogen- und Alkoholabhängigkeit nichts mehr zu tun hatte. Im Juni 1991 sagte er dann aus, er habe zwei angebliche Attentäter der RAF in seiner damaligen Wohnung unweit vom Tatort beherbergt. Das wurde unter anderem von Nonnes Halbbruder bestritten, der 1992 zwei Tage nach seiner Aussage während eines Krankenhausaufenthalts verstarb. Im ARD-„Brennpunkt“ vom 1. Juni 1992 widerrief Nonne übrigens seine Aussage: „Meine gesamte Aussage, was das Attentat betrifft, … ist gelogen gewesen. Aber nur auf Grund dessen, weil ich durch das Hessische Landesamt für Verfassungsschutz dazu gezwungen wurde.“ Und er sprach von Morddrohungen, denn der „Verfassungsschutz“ hätte gewusst, dass er „… selbstmordgefährdet wäre und sie dann nachhelfen würden.“
Das Attentat auf Alfred Herrhausen fiel in eine Zeit, in der sich die chronische Verschuldungskrise der Länder, die vom Imperialismus abhängig waren, zuspitzte. Sie führte unter anderem zu einer wachsenden Verelendung der Volksmassen in diesen Ländern. In dieser Lage machte Herrhausen den scheinbar humanen Vorschlag eines Schuldenerlasses für die abhängig gehaltenen Länder. Besonders bei den privaten US-Großbanken, deren Eigenkapital zum Großteil aus Krediten an die abhängigen Länder bestand, schrillten jetzt die Alarmglocken. Bei einem Schuldenerlass wären sie in Turbulenzen geraten und zu einer leichten Beute der Deutschen Bank geworden. Und: Kurz vor seinem Tod griff Herrhausen 1989 den französischen Vorschlag für eine „Europäische Entwicklungsbank“ als Konkurrenz zum „Internationalen Währungsfonds“ unter Führung des US-Finanzkapitals auf. Diese „Entwicklungsbank“ sollte die weltweite Vormachtstellung des europäischen Finanzkapitals vorantreiben. Von seinem Nachfolger, Hilmar Kopper, wurde dann Herrhausens aggressive Politik, die Deutsche Bank zu einer führenden Bank des internationalen Finanzkapitals zu machen, so nicht mehr verfolgt.
Herrhausen wusste, dass er sich mit seiner Politik mächtige Feinde besonders im amerikanischen Finanzkapital gemacht hatte: Nach seinem Auftritt auf der Weltbank-Tagung 1987, auf der er über den Schuldenerlass für arme Länder gesprochen hatte, hielt er die Luft für „bleihaltig“, und ihm wurde von einem Freund geraten, Washington mit dem nächsten Hubschrauber zu verlassen. Schon bald galt er als der am meisten gefährdete Wirtschaftsmanager der Bundesrepublik mit dem besten Personenschutz.
Nach 25 Jahren lassen sich Herrhausens Mörder wohl nicht mehr ermitteln. Zu viel Beweismaterial wurde vertuscht und vernichtet. Allerdings wird einmal mehr die lange Tradition krimineller Machenschaften des „Verfassungsschutzes“ deutlich.
Verwendete Quellen:
Gerhard Wisnewski, Wolfgang Landgraeber, Ekkehard Sieker: „Das RAF-Phantom – wozu Politik und Wirtschaft brauchen“, München 1992, S. 96–201
Willi Dickhut, „Krisen und Klassenkampf“, Stuttgart 1983, S. 67–86
„Friedensblick“ vom 22. Januar 2014: „Der vertuschte „RAF“-Mord an Alfred Herrhausen“
Humanistische Union „ausgeschnüffelt“ – ohne Datum: „Die dubiose Rolle des vom hessischen Verfassungsschutz geführten V-Manns Siegfried Nonne, der wegen psychischer Erkrankung erst abgeschaltet und dann zum Kronzeugen im Mordfall Herrhausen wurde.“
„Die Welt“ vom 15. 1. 2013: „Warum ist das Herrhausen-Wrack verschwunden?“