„Die Propagandisten lügen so klobig und wenig kompetent“

Interview mit Genossen der ukrainischen ICOR-Organisation KSRD (Koordinierungsrat der Arbeiterbewegung der Ukraine) – 1. Teil

Die Gefahr eines Krieges zwischen den hauptsächlichen imperialistischen Gegnern – zwischen USA/Nato/EU auf der einen Seite und Russland auf der anderen Seite – verschärft sich. Täglich wird bei uns in den Medien über Tausende russischer Soldaten und Hunderte Panzer im Osten und Süden der Ukraine berichtet. Wie ist die Lage nach euren Informationen?

Es gibt keine Tausende Soldaten und Hunderte Panzer aus Russland im Donbass. Noch vor kurzem rühmte sich die Propaganda des rechten Kiewer Regimes ausgedachter Siege über die „Separatisten, Terroristen und Söldner Putins“.

Um die ungeheuer schmähliche Niederlage ihrer Armee und ihrer faschistischen Strafbataillone durch die, die sie lange Zeit penetrant als eine „Handvoll Terroristen“ bezeichneten, zu bemänteln, hat sich die Propaganda jetzt um 180 Grad gedreht und versucht, diese Niederlage irgendwie zu rechtfertigen. Nämlich dadurch, dass sie erklärt, nicht die „Terroristen“, sondern die „reguläre Armee Russlands“ habe sie zerschlagen. Natürlich ohne irgendwelche realen Beweise der Anwesenheit dieser Armee in solchen riesigen Mengen und deren Durchbruch über die Grenze. Auch ihre Herren in Berlin und Washington haben solche Beweise nicht.

Das zweite Kiewer Ziel dieser Klagerufe ist, provokativ eine direkte militärische Einmischung seitens der Natoländer zu erreichen und/oder die schon lange und bisher vergeblich erwartete Hilfe mit Rüstung und Finanzen in riesigem Ausmaß.

Im Übrigen lügen die Propagandisten so klobig und so wenig kompetent, dass man auch durch ihre Worte hindurch die Wahrheit erkennen kann. Als am 26. August die Propagandisten und Medien-Figuren sich noch nicht endgültig über die Version „für die Öffentlichkeit“ abgesprochen hatten, dementierte der Berater des Innenministers der Ukraine, Geraschtschenko, im Fernsehprogramm des „5. Kanals“ – der dem ukrainischen Präsidenten Poroschenko gehört – Nachrichten der anderen ukrainischen Medien über einen „Einmarsch russischer Truppen von Taganrog aus“. Der Berater des Innenministers sagte, solche Informationen würden „verbreitet, um Panik in der Bevölkerung der Ukraine hervorzurufen“. Sie würde nur von den Feinden und heimlichen Agenten Russlands verbreitet.

Am 30. August beschuldigte der ukrainische Nationalrat für Sicherheit und Verteidigung „Terroristen und russische Militärs“, sie hätten einen großen Betrug gegenüber einer Beobachtergruppe aus der Beobachtermission der OSZE in der Ukraine organisiert. Die Beobachter befanden sich am 29. August im Süden des früheren Gebiets Donezk, unter anderem in Nowoasowsk, das von Feldkommandeuren der DNR („Donezker Volksrepublik“ –Anm. d. Red.) eingenommen war. Aber es gelang ihnen ganz und gar nicht, „Hunderte Panzer“, die man praktisch nicht verstecken kann, zu erblicken. …

Ein weiterer Beweis ist das Interview des Kommandeurs des Strafbataillons „Asow“, Bilezki, das aus Neofaschisten, aus Strafgefangenen, aber auch aus Anarchisten zusammengesetzt ist. Die Neofaschisten kommen unter anderem auch aus Ländern Europas. Kaum, dass solche Bataillone in irgendeinen bewohnten Ort im Donbass kommen, versuchen sie vor allem anderen das örtliche Lenin-Denkmal zu zerstören. Am 1. September zeigte der Kanal „Inter“, der dem Oligarchen Firtasch gehört, das Interview mit dem Faschisten, der mit seinem Bataillon gerade in Mariupol war. Er rühmte sich seiner heroischen Kampfbereitschaft und sagte bei der Gelegenheit: „Die Russen erfüllen die Funktion von Offizieren, Kommandeuren, Technikern, d.h. im wesentlichen von Kriegsspezialisten.“ D.h. nicht „Tausende“ Soldaten, sondern Kommandeure, Instrukteure und Rüstungsspezialisten. So wie es Nato-Kommandeure, Instruktoren und Rüstungsspezialisten auf der Seite des Kiewer Regimes gibt. Dort gibt es sogar große Söldnertruppen aus Polen. Im Wesentlichen entspricht dies dem Charakter der Anwesenheit der russischen Imperialisten im Donbass. …

Im Kampf gegen seine imperialistischen Konkurrenten, vor allem USA und Deutschland, um ihre Einflusssphären in den ukrainischen Gebieten benutzt Russland nicht direkt die reguläre Armee. Im Donbass operieren sogenannte „russische Freiwillige“ – ein Konglomerat nach politischen Meinungen und Motiven verschiedenster Leute aus Russland plus russische Geheimdienstler und privater russischer Einheiten aus verabschiedeten Soldaten. …

Was ist eurer Meinung nach das Ziel Russlands?

Auf dem Gebiet von Lugansk und Donezk findet ein Kampf zwischen verschiedenen organisierten politischen Fraktionen statt, die zum Teil auch bewaffnete Abteilungen haben. Dort versucht Russland zunehmend, die von ihm ausgerichteten Leute einzusetzen und diejenigen Menschen und Fraktionen, die weniger oder gar nicht von Moskau dirigiert sind, von der Kontrolle über die Lage fernzuhalten und ihren Einfluss zu verringern.

Bisher versucht Russland die Idee einer Konföderation auf dem Gebiet der Ukraine durchzusetzen, wo Russland weiter aktiv seine Einflusssphäre ohne militärische Auseinandersetzung forcieren könnte. D.h. mit politischen und wirtschaftlichen Methoden. Das scheint für Moskau ein geeigneter Kompromiss mit Berlin zu sein, aber es gefällt Washington überhaupt nicht. Die USA versuchen mit allen Hebeln, darunter auch mit dem Regime in Kiew und verschiedenen abhängigen Regimes wie in Litauen, solch eine Variante zu durchkreuzen. …