„Holodomor“ – das Märchen vom „Völkermord Stalins“ in der Ukraine

Aus der Roten Fahne 13/2014 vom 27.3.14: Anlässlich der aktuellen Entwicklung in der Ukraine sehen verschiedene antikommunistische Autoren die Zeit reif, wieder einmal das Märchen vom sowjetischen „Hungerterror“ Anfang der 1930er Jahre zu kolportieren.

„Holodomor“ – das Märchen vom „Völkermord Stalins“ in der Ukraine
Stalin auf der illegal abgehaltenen 6. allrussischen Parteikonferenz der Bolschewiki im Juli/August 1917

So konnte man in der „Frankfurter Rundschau“ vom 23. Februar lesen: „Stalin brach 1931 bis 1933 den Widerstand der Bauern gegen die Schaffung von Kolchosen durch die Vernichtung ihrer Ernten und Tiere. Allein in der Ukraine verhungerten zwei bis drei Millionen Menschen.“ Dieses Gräuelmärchen ist nicht neu. Es wurde erstmals 1933/34 von den Hitler-Faschisten in die Welt gesetzt, anschließend von der mit Hitler kollaborierenden Hearst-Presse in den USA aufgegriffen und seitdem immer wieder in antikommunistischen Büchern verbreitet. Am 29. 11. 2006 setzte der damalige ukrainische Präsident Viktor Juschtschenko ein Gesetz durch, das die „öffentliche Leugnung des Holodomor“ für „illegal“ erklärt. Der Begriff heißt wörtlich „Tötung durch Hunger“. Teilweise wurde er mit „Hungerholocaust“ übersetzt, um ihn mit dem faschistischen Massenmord an den Juden gleichzusetzen. Was hat es tatsächlich damit auf sich?

Die Hungersnot in der Ukraine von 1932/33 hatte vor allem vier Ursachen:

Vor allem war sie das Ergebnis der von Kulaken (Großbauern) und reaktionären Elementen betriebenen systematischen Sabotage an der 1929 eingeleiteten Kollektivierung der Landwirtschaft in der sozialistischen Sowjetunion. Die Kulaken, für die Millionen Kleinstbauern und Tagelöhner bis dahin zu Hungerlöhnen arbeiten mussten, wehrten sich damit gegen ihre Enteignung. Für die Masse der Bauern bedeutete der Zusammenschluss zur kollektiven Großlandwirtschaft in Kolchosen ihre Befreiung von Frondienst, Rückständigkeit und bitterer Armut. Die Kulaken dagegen verloren den größten Teil ihres Besitzes und ihrer Privilegien.

In einem Buch über eine Reise in die Sowjetunion während dieser Zeit schreibt Frederick Schuman, späterer Professor am Williams-College: „Die Opposition (der Kulaken) kam zunächst in Form von Abschlachtungen der Viehbestände und Pferde zum Ausdruck. Die Tiere sollten nicht kollektiviert werden. Das Ergebnis war ein harter Schlag für die sowjetische Landwirtschaft, weil die meisten Kühe und Pferde den Kulaken gehörten. Zwischen 1928 und 1933 ging die Anzahl des Pferdebestandes von nahezu 30 Millionen auf weniger als 15 Millionen zurück; von 70 Millionen Rindern, davon 31 Millionen Kühe, fiel man auf 38 Millionen, davon 20 Millionen Kühe. … Manche (Kulaken) haben Funktionäre ermordet, Gemeineigentum angezündet, ja sogar ihre eigene Ernte und Saatgut verbrannt.“1

Kulaken und mit ihnen verbündete Popen riefen auf, nur das zu ernten, was persönlich und für die Saat gebraucht wurde. Nicht wenige Kulaken gingen selbst in die Kolchosen und übernahmen dort leitende Posten. Ein Teil widersetzte sich der Getreideabgabe für die Ernährung der Stadtbevölkerung. Die staatlichen Stellen mussten zu Zwangseinsammlungen greifen, was die Situation der Landbevölkerung zusätzlich verschärfte.

Eine zweite Ursache der Hungersnot war die Trockenheit, die in weiten Teilen der Ukraine 1930, 1931 und 1932 herrschte. Professor Michael Florinsky, während des Bürgerkriegs nach der Oktoberrevolution selbst antibolschewistischer Kämpfer, bestätigt: „Ernsthafte Dürrezeiten der Jahre 1930 und 1931 haben besonders in der Ukraine die Lage der Landwirtschaft erschwert und einer Hungersnot nahekommende Bedingungen geschaffen.“2

Drittens wurde die Situa- tion durch eine in der Ukraine und im Nordkaukasus wütende Typhusepidemie erschwert. Selbst der britische Wissenschaftler Horsley Gantt, der die absurdeste Zahl von 15 Millionen Hungertoten – was 60 Prozent der ukrainischen Bevölkerung im Jahr 1932 entsprochen hätte – in die Welt setzte, gab zu, dass „der Höhepunkt einer Typhusepidemie mit dem Höhepunkt der Hungersnot zeitlich zusammenfällt. … Es ist unmöglich, die die meisten Todesopfer fordernde Ursache von der anderen zu trennen.“3

Die vierte Ursache war die zweifellos schwierige Situation, die mit den tiefgreifenden Umwälzungen in der sozialistischen Sowjetunion und insbesondere der Kollektivierung der Landwirtschaft einherging. Statt den freiwilligen Zusammenschluss in den Kolchosen zu fördern, hatten einige Funktionäre der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU) Zwang ausgeübt. Das war Wasser auf die Mühlen der Kulaken, die gegen die Kollektivierung hetzten. Ende der 1920er Jahre gab es in der Westukraine Aufstände gegen die Kollektivierung.

Als eine weitere Ursache der zu geringen Getreideproduktion hatte die KPdSU die fehlende Ausbildung der Bauern herausgestellt. Allein 1933 wurden zu diesem Zweck 17.000 Parteiarbeiter in die Kolchosen entsandt. Das brachte eine erhebliche Steigerung der Produktivität und stärkte das Bündnis von Arbeitern und Bauern.

Durch außerordentliche Maßnahmen der Sowjetregierung wurde eine erfolgreiche Ernte des Jahres 1933 gesichert. Im Frühjahr wurden 35 Millionen Kilogramm Saatgut, Nahrungsmittel und Viehfutter in die Ukraine geschickt. Mehrere Tausend Traktoren, gekoppelte Nutzfahrzeuge und Lkw wurden zusätzlich geliefert. Im Januar 1933, vier Jahre nach dem Beschluss zur Kollektivierung, gab es 200.000 Kollektivwirtschaften und 5.000 Sowjetwirtschaften für Getreideanbau und Viehzucht. 21 Millionen zusätzliche Anbaufläche wurden bestellt.

Während realistische Schätzungen von ein bis zwei Millionen Opfern der Hungersnot von 1932/33 ausgingen, wurden die Opferzahlen im Interesse der „Holodomor“-Propaganda willkürlich aufgebauscht. Eine der zweifelhaften Quellen ist z. B. Thomas Walker, ein Journalist der Hearst-Presse, der 1934 gerade mal fünf Tage in Moskau weilte und anschließend von „6 Millionen Toten“ durch die Hungersnot berichtete. Der Nazibeamte Otto Schiller, beauftragt mit der Umorganisation der Landwirtschaft in der Ukraine, fabulierte von 7,5 Millionen Opfern. Die Liste der „glaubwürdigen Zeitzeugen“ ließe sich fortsetzen. Ihre Spur weist auf den Ursprung der bis heute am Leben gehaltenen Gräuelgeschichten: die ideologische Vorbereitung der Eroberung der Ukraine durch die Hitler-Faschisten im Rahmen ihres Feldzugs gegen die sozialistische Sowjetunion. (ms)

Quellen:

1 Douglas Tottle, Fraud, Famine and Fascisme, The Ukrainian Genocide Myth from Hitler to Harvard, Progress Books, Toronto, 1987, S. 94

2 Ebenda, S. 91

3 Ebenda, S. 97

Zitiert nach Ludo Martens, „Stalin anders betrachtet“, Übersetzung aus dem Französischen, EPO-Verlag, 1998