Zwischenimperialistische Rivalität um die Reichtümer der Ukraine
Die Ukraine ist fast doppelt so groß wie Deutschland und nach Russland das zweitgrößte Flächenland Europas. Eine gut ausgebildete Arbeiterklasse, Ingenieure und Wissenschaftler machen es – bei niedrigen Löhnen – attraktiv für Ausbeuter aus aller Welt.
Mit seinen knapp 46 Millionen Einwohnern ist das Land für sie zugleich ein wichtiger Markt. Seit jeher verliefen durch das Gebiet wichtige – und heftig umstrittene – Handelsrouten. Immer wieder wurde das Land zerstückelt und vom osmanischen Reich, dem russischen Zar oder der österreichischen Habsburger Monarchie unterjocht. Nach der russischen Oktoberrevolution 1918 konnte erstmals ein ukrainischer Staat gegründet werden. Die eigene Sprache und Kultur wurden gefördert. 1922 gehörte die Ukraine zu den Gründungsmitgliedern der Sowjetunion. Eine von Großbauern und faschistischen Kräften provozierte Hungersnot in den Jahren 1932/33 wird von Antikommunisten als „Völkermord Stalins“ wissentlich verfälscht. (s. auch „Rote Fahne“ 46/2007 – dokumentiert unter „Themen“ und dem Schwerpunkt „Antikommunismus“ die billige Masche der Herrschenden“ auf www.mlpd.de).
Die heutige Lage der Ukraine zwischen Russland und Weißrussland im Norden, Polen, der Slowakei und Ungarn im Westen und Rumänien und Moldawien im Südwesten bis hin zur Krimhalbinsel am Schwarzen Meer macht es zu einem wichtigen europäischen Kernland.
Dank ihres vorwiegend milden Klimas und sehr fruchtbarer Böden galt die Ukraine von jeher als die Kornkammer Europas. Das weckte neben den Vorkommen an Erz und Öl die Begehrlichkeiten der Hitlerfaschisten, die das Land im II. Weltkrieg besetzten, gnadenlos ausplünderten und furchtbare Zerstörungen hinterließen.
Heute nimmt diese Raubpolitik andere Formen an. Seit der Unabhängigkeit der Ukraine im Jahr 1991 – nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion – wird im großen Stil Ackerland an internationale Investoren verkauft. Zuletzt wurden Vereinbarungen eines staatlichen chinesischen Konzerns mit dem ukrainischen Agrarkonzern KSG Agro bekannt, wonach China Ackerland in Größe der Fläche Brandenburgs kaufen will. In einem ersten Schritt soll China Zugriff auf 100.000 Hektar Land bekommen, später sollen es dann drei Millionen Hektar werden. Zum Vergleich: In ganz Deutschland werden zurzeit Ackerflächen von fast zwölf Millionen Hektar bewirtschaftet. („Handelsblatt“ vom 22.9.2013)
Zugleich gibt es in der Ukraine reiche Rohstoffvorkommen, vor allem Eisenerz, Kohle, Mangan, Erdgas und Erdöl. Die Anlagen der besonders im Osten des Landes starken Industriebasis sind zum Teil veraltet – was besonders westeuropäische Industrieausrüster anlockt. Noch aus der Zeit der Zugehörigkeit zum sowjetischen Sozialimperialismus ist diese Industrie relativ einseitig auf die Stahl- und Rüstungsproduktion ausgerichtet, wozu auch Raketen- und Flugzeugbau gehören.
Die rasche Privatisierung der vormals staatlichen Anlagen hat maßgeblich dazu beigetragen, dass eine zutiefst korrupte Oligarchie entstehen konnte – die heute in den Konflikten Ausschau danach hält, ob sie an der Seite Russlands und Chinas – oder der USA und der EU bessere Geschäfte machen kann. Sie hat ihre Gelder gerne in Zypern gebunkert, was zu der merkwürdigen Tatsache beiträgt, dass das kleine Zypern der größte Auslandsinvestor in der Ukraine ist.
Die Abhängigkeit von Russland ist auch nach der staatlichen Unabhängigkeit geblieben – und wird vom Putin-Regime skrupellos ausgenutzt. Sie nährt sich besonders von dem großen Energiehunger der ukrainischen Industrie und deren Abhängigkeit von Gaslieferungen aus Russland. So gab es seit 1994 immer wieder heftige Konflikte um Gaslieferungen. 2003 bezog die Ukraine 26 Milliarden Kubikmeter Gas aus Russland, 2008 stieg der Verbrauch auf 56,2 Milliarden Kubikmeter. Die Ukraine war zu Beginn der Weltwirtschafts- und Finanzkrise besonders heftig betroffen. Allein 2009 ging die Wirtschaftsleistung um 15 Prozent zurück. Die russischen Gaslieferungen fielen bis auf 36,5 Milliarden Kubikmeter 2010 zurück, um seither wieder langsam auf 45 Milliarden Kubikmeter zu steigen. Die von Russland diktierten Preise stiegen zugleich von 50 US-Dollar für 1.000 Kubikmeter im Jahr 2003 auf 280 US-Dollar im Jahr 2011. Das hat maßgeblich zur Verschuldung und Erpressbarkeit der Ukraine durch Russland geführt. Das großzügige Versprechen Putins, der Ukraine 15 Milliarden US-Dollar Kredit zu gewähren, wenn es von dem geplanten engeren Schulterschluss mit der EU absieht, hat diesen Hintergrund.
Der letzte Versuch des Westens, die Ukraine in ihren Machtbereich einzugliedern, fand vor genau zehn Jahren statt. Damals nannte es sich „orangene Revolution“, mit der die Massen auf die Straße gelockt wurden. Sponsor war der US-Milliardär George Soros und die Anführer versackten in einem Sumpf neuerlicher Korruption und Abhängigkeit – bis sich die eher nach Moskau orientierten Kräfte wieder stärken konnten (s. auch „Morgenröte der internationalen sozialistischen Revolution“, S. 302 f). Wie das gegenwärtige Geschacher ausgehen wird, ist noch nicht abzusehen.
Die Massen können nur im antiimperialistischen Zusammenschluss mit der Arbeiterklasse und den Massen weltweit eine Lösung finden.
Anna Bartholomé