Heftige Turbulenzen im Lager des internationalen Finanzkapitals

Als Lenin von Januar bis Juni 1916 im Schweizer Exil seine weltberühmte Schrift „Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus“ ausarbeitete, steckte der staatsmonopolistische Kapitalismus noch in den Kinderschuhen. Weltweit gab es gerade einmal ein gutes Dutzend international agierender Banken und Industriekonzerne. Aber ausgehend von der politischen Ökonomie des Marxismus und nüchterner Analyse war er in der Lage, mit genialer Weitsicht die Grundzüge der Entwicklung des Imperialismus zu erkennen.

Seine Schrift wurde am Vorabend des I. Weltkriegs zur sicheren Leitschnur für eine revolutionäre Strategie und Taktik bis hin zur siegreichen Oktoberrevolution.

Die beiden Weltkriege forcierten die Herausbildung der internationalen Monopole. Mit dem Zusammenbruch der ehemals sozialistischen Länder vollzog sich ein rasanter Prozess der Neuorganisation der internationalen Produktion. Die internationale Produktion und Verteilung wurde zum charakteristischen Merkmal der Weltwirtschaft.

Unter der Flagge des „Neoliberalismus“ wurden die nationalen Märkte weltweit geöffnet und die internationalen Monopole drangen in alle Länder ein. Hatte es 1969 bereits etwa 7.300 internationale Monopole gegeben, waren es Mitte der 1990er Jahre nach Angaben der UN-Wirtschaftsorganisation UNCTAD etwa 44.000 mit 280.000 Auslandstöchtern. 2010 hatte sich ihre Zahl auf 103.786 mit 892.114 Tochterunternehmen bereits fast verdreifacht (siehe Tabelle – neuere Zahlen liegen leider nicht vor).

Aber nur die 500 größten Industrie-, Bank- und Agrarmonopole beherrschen die Weltwirtschaft und drücken der Welt ihren politischen Stempel auf. Sie bilden das allein herrschende internationale Finanzkapital. Sie verfügen zusammen über 42 Prozent des Weltsozialprodukts, über 70 Prozent des Weltexports und über 90 Prozent des Weltkapitalexports und tätigen 80 Prozent der weltweiten Investitionen. Vor ihnen kriechen die Regierungen der Nationalstaaten als Dienstleister zu Kreuze.

Aber einmal in diese gewaltige Machtposition aufgestiegen, herrscht keineswegs Ruhe und Frieden – im Gegenteil: In unerbittlicher Konkurrenz jagen sie sich gegenseitig Profitquellen und Machtpositionen ab – und sind bereit, dafür auch Kriege zu führen. Die Ende 2008 aufgebrochene Weltwirtschafts- und Finanzkrise hat diesen Prozess erneut forciert.

Anders als in früheren Krisen waren dieses Mal auch die 500 Größten vom Kriseneinbruch unmittelbar betroffen. Bereits 2008 verzeichneten ihre offiziell ausgewiesenen Profite ein Minus von 48,4 Prozent. Im Jahr 2009 gingen ihre Umsätze um 8,3 Prozent zurück. Aber es gelang ihnen, den Löwenanteil der gigantischen Rettungsschirme aus dem internationalen Krisenmanagement in ihre Kassen zu lenken. So übertrafen die Umsätze der 500 Größten bereits 2010 wieder den Vorkrisenstand, bei den Profiten dauerte das bis 2011. Die beispiellos lang anhaltende Krise aber versetzte auch ihnen einen Dämpfer. 2012 konnten sie ihre Umsätze nur noch um 2,9 Prozent steigern, die Profite fielen bereits wieder um 5,6 Prozent. Zugleich wurden die Krisenlasten massiv auf Kosten anderer Monopole, der nichtmonopolisierten Bourgeoisie und sogar ganzer Länder wie Griechenland usw. abgewälzt.

Die Zusammensetzung nach Ländern und Regionen hat sich seither schneller als je zuvor geändert. Verloren hat die nach wie vor größte Wirtschaftsmacht der Welt, die USA. Dort waren 2008 141 der größten Übermonopole ansässig, 2012 noch 132. Der am schnellsten wachsende Konkurrent ist das sozialimperialistische China. Es hatte 2008 37 Übermonopole unter den 500 Größten, 2012 waren es bereits 89. Auf dem absteigenden Ast ist dagegen die EU. Dort waren 2008 noch 163 der 500 größten Monopole ansässig, 2012 nur noch 130. Deutschland hatte 2008 noch 39 Konzerne unter den 500 Größten, 2012 waren es nur noch 29.

Mit ihrer unstillbaren Konkurrenz betreibt das allein herrschende internationale Finanzkapital eine skrupellose Zerstörung von Mensch und Natur. Zugleich bringt es bis große Kreise der mittleren und kleineren Bourgeoisie, vor allem aber die breitesten Massen gegen sich auf. Das Potenzial einer revolutionären Weltkrise entfaltet sich.

Auch das sah Lenin voraus. Mit beißender Polemik hatte er sich mit all jenen auseinandergesetzt, die den Imperialismus für unbesiegbar, für alternativlos erklärt hatten. Mit berechtigtem Selbstbewusstsein schrieb er 1920 im Vorwort zu einer Neuauflage seines Werks: „Der Imperialismus ist der Vorabend der sozialen Revolution des Proletariats. Das hat sich seit 1917 im Weltmaßstab bestätigt.“ (Lenin, Werke, Bd. 22, S. 198)