„Prostitution abschaffen“ – brisantes Thema am Tag gegen Gewalt an Frauen
Derzeit wird der Appell von Alice Schwarzer und vielen zum Teil prominenten Erstunterzeichnern gegen Prostitution breit diskutiert. Er ist unter „www.emma.de“ in der neuesten November/Dezember-Ausgabe 2013 nachzulesen.
„Es ist unbedingt zu begrüßen, dass dadurch das brisante Thema Prostitution wieder verstärkt in die öffentliche Diskussion kommt“, erklärt dazu Sabine Leopold, frauenpolitische Sprecherin der MLPD. „Zu Recht wird darin die von der Schröder/Fischer-Regierung 2002 beschlossene Legalisierung der Prostitution angeprangert, weil sie deren Verbreitung und dem damit verbundenen internationalen Frauenhandel Tür und Tor geöffnet hat. Über 80 Repräsentantinnen aus dem ganzen Spektrum der Frauenbewegung haben ihn unterzeichnet. Das zeigt, dass in dieser Frage ein breites Bündnis gegen dieses Gesetz möglich ist, um es zu Fall zu bringen.
Ein illusionärer Wunsch ist es aber, dass Politik und Regierung langfristig ,Maßnahmen zur Abschaffung des Systems Prostitution‘ treffen könnten. Prostitution beruht heute auf der systemimmanenten besonderen Unterdrückung der Frau im Kapitalismus. Es heißt in dem Aufruf: ,Ein menschenwürdiges Leben ist denkbar.‘ Das ist jedoch im Kapitalismus nicht erreichbar, sondern erfordert die Befreiung der Frau im echten Sozialismus. Das bedeutet natürlich nicht, dass man sich mit dem entschiedenen Kam pf gegen alle Formen der besonderen Ausbeutung und Unterdrückung der Masse der Frauen Zeit lassen soll. Im Gegenteil, muss man ihn unbedingt entschlossen führen.“
Der Appell und die Diskussion über eine strengere gesetzliche Regelung in den Koalitionsverhandlungen sind auch Reaktion auf wachsende Widersprüche und Proteste gegen sogenannte „Flatrate-Bordelle“ sowie Straßenstrichs unter den Massen.
Peinlich ist, wenn die „Grüne Jugend“ erklärt, der Appell sei „völlig realitätsfern“. Sie fordern die „gesellschaftliche Anerkennung“ der Prostitution und die Unterscheidung zwischen „selbstgewählter Sexarbeit und Zwangsprostitution“. Das ist nicht nur realitätsfern, sondern zutiefst reaktionär.
Seit die Prostitution in Deutschland 2002 komplett legalisiert wurde, hat der Menschenhandel zugenommen. Das ist das Ergebnis einer Studie von Forschern der Universitäten Göttingen und Heidelberg. „In Deutschland, wo Prostitution legal ist, ist der Markt 60-mal größer als in Schweden, wo Prostitution verboten ist. Gleichzeitig hat Deutschland rund 62-mal so viele Opfer von Menschenhandel wie Schweden, obwohl die Bevölkerung weniger als zehnmal so groß ist“, so einer der Autoren, Prof. Dr. Axel Dreher von der Universität Heidelberg. In Deutschland geht das Bundeskriminalamt von einigen zehntausend eingeschleusten Frauen pro Jahr aus. Die meisten sind jünger als 20 Jahre.
Helmut Sporer, Kriminalhauptkommissar des Kommissariats Menschenhandel in Augsburg, nennt das Prostitutionsgesetz von 2002 ein „Zuhälterbegünstigungsgesetz“: „Es bringt die Prostituierten in eine Art moderne Sklaverei mit staatlicher Duldung.“
Zwölf Millionen Menschen weltweit, schätzen Vereinte Nationen und ILO, leben heute in dieser modernen Form der Sklaverei. Jede(r) Zweite davon ist ein Kind, von denen jährlich über zwei Millionen kommerziell sexuell ausgebeutet werden. Vor allem in Europa sind „Sexdienste“ der größte Zweig dieser Sklaverei.
Es geht um riesige Profite: Das deutsche „Lagebild Menschenhandel“ von 2004 geht davon aus, dass durch eine Zwangsprostituierte jährlich zwischen 35.000 und 100.000 Euro Umsatz erzielt werden. Und seit der Legalisierung des Bordellbetreibens ist das auch eine staatliche Steuer-Einnahmequelle. Weltweit schätzt die ILO (International Labour Organization) die Profite aus Menschenhandel (zur sexuellen Ausbeutung und Ausbeutung der Arbeitskraft) auf bis zu 32 Milliarden US-Dollar. Ein Menschenhandelsopfer bringt also im Durchschnitt 13.000 US-Dollar ein (ILO, „Eine globale Allianz gegen Zwangsarbeit“, 2005, S. 8 ff., unter: www.ilo.org/declaration).
In dem Buch „Neue Perspektiven für die Befreiung der Frau – eine Streitschrift“ wurde bereits im Jahr 2000 ausgewertet: „Unter den Bedingungen der Allgemeinen Krise des Kapitalismus werden aus diesen Produktivkräften Destruktivkräfte zur Ausbeutung der Sexualität von Frauen und Mädchen bis zu ihrer psychischen und physischen Zerstörung in Massenumfang. 400.000 Prostituierte werden allein in den alten Bundesländern täglich von 1,2 Millionen Männern frequentiert. (Info-Blatt des Prostituierten-Projekts Hydra, 28. 8. 1998) Die Prostitution hat ein bisher nicht gekanntes Ausmaß angenommen in Form eines internationalen Frauen- und Mädchenhandels, von Gewalt verherrlichender und rassistischer Pornographie und Sextourismus. Die sexuelle Ausbeutung mit ihren immer perverseren und zerstörerischeren Praktiken schreckt sogar vor Kindern nicht zurück.“ (S. 65/66)
Die seit 2008 anhaltende Weltwirtschafts- und Finanzkrise hat diese Tendenz zur kapitalistischen Barbarei noch verschärft.
Sabine Leopold: „Das Prostitutionsgesetz von 2002 wurde mit ,Schutz der Prostituierten‘ gerechtfertigt. Zynisch heißt Prostitution heute harmlos Sexarbeit – eine bewusste Verschleierung der dekadenten Ausbeutung und Unterdrückung dieser Frauen, ihrer Degradierung als Ware! Abgesehen davon, dass nicht einmal ein Prozent minimale Schutzrechte (genannt ,Arbeitsvertrag‘) haben, soll mit solchen Begriffen der dringend notwendige Protest gegen die zunehmende sexuelle Ausbeutung und Gewalt verunsichert und diskreditiert werden. Bordellbetreiber sitzen wie innovative, seriöse Unternehmer in Talkshows und ihr schmutziges Geschäft erscheint sozial als ,Arbeitsplatzbeschaffung‘ oder Beitrag zur Wirtschaftsförderung.“
Weltweit wächst der Widerstand der Arbeiterbewegung und der kämpferischen Frauenbewegung dagegen. So gab und gibt es nicht nur in Indien, Nepal und Bangladesch Massendemonstrationen. Dieser Kampf richtet sich gegen alle Formen der Gewalt an Frauen. Zu denen zählen auch die unerträglichen Lebenszustände und Ausbeutungsbedingungen im Kapitalismus.
Die MLPD ruft dazu auf, am 25. November, dem internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen, ein deutliches Zeichen für den Kampf um die Befreiung der Frau zu setzen: „Die Weltfrauenbewegung hat diesen Tag zu ihrem gemeinsamen Kampftag gemacht“, berichtet Sabine Leopold. „Er muss auch genutzt werden, die Auseinandersetzung um die gesellschaftlichen Ursachen der Gewalt an Frauen zu führen und vom Ausweg der Befreiung der Frau im echten Sozialismus zu überzeugen.“