Gregor Gysis Balztanz für eine Koalition mit der SPD

Schon auf dem Dresdner Parteitag vor gerade sechs Wochen drehte sich alles um die Frage, wie die Linkspartei zum „Mitregieren“ mit SPD und Grünen kommt. In seinem Sommerinterview im ZDF und eine Woche später in der „Bild am Sonntag“ beschwor Gregor Gysi nun geradezu die SPD-Führung: „Ohne uns wird die SPD nie den Kanzler stellen.“ Als Bedingung dafür formulierte er, die SPD müsse dazu nur wieder „sozialdemokratische Politik machen“. Sein Angebot an die SPD ist die Preisgabe bisheriger Grundpositionen der Linkspartei.

Die Linkspartei „will die Rente mit 67 abschaffen“, liest man im erst vor wenigen Wochen beschlossenen Wahlprogramm. In der Bild erfährt man am 4. August, dass Gysi auch mit einer Rentenangleichung in Ost und West zufrieden ist.

Den „Rückzug aller deutschen Soldatinnen und Soldaten aus den Auslandseinsätzen“, schreibt sich die Partei auf Seite 52 ihres Wahlprogramms. Gregor Gysi reicht es allerdings, wenn ein Koalitionsvertrag „neue Kampfeinsätze der Bundeswehr ausschließt“.

Kein Wort mehr vom Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan oder der Beendigung aller Auslandseinsätze. Und was ist mit den als Friedensmissionen deklarierten Bundeswehreinsätzen?

Im Wahlprogramm sagt die Linkspartei „immer noch laut und deutlich: Hartz IV muss weg“ (S. 17). Weniger laut aber deutlich begnügt sich Gysi beim ZDF mit einem „sanktionsfreie Existenzminimum“ in Verbindung mit einem „Bonussystem für den Engagierten, den Fleißigen, den Pünktlichen“ (ZDF, 28. 7. 2013). Das ist im Grunde nur eine neue Variante der Korrektur von Hartz IV, bei gleichzeitiger Akzeptanz des Prinzips!

Konsequent reformistisch will die Parteispitze den Kapitalismus dann auch ausdrücklich unangetastet lassen, wie Katja Kipping, die Vorsitzende der Linkspartei, in einem „Zeit“-Interview (16. 6. 13) erklärt: „Wir verlangen doch nicht die Abschaffung des Kapitalismus!“

Aber warum eigentlich nicht? Der Kapitalismus beruht auf der Ausbeutung des Menschen und der Natur durch den Menschen. Die Armut in dieser Gesellschaft wächst, weil der Reichtum wächst! Wem es mit sozialer Gerechtigkeit wirklich ernst ist, der muss den Kapitalismus beseitigen. Nur der Sozialismus/Kommunismus schafft die Ausbeutung und Unterdrückung des Menschen durch den Menschen ab. Wer dagegen mit den Monopolparteien SPD und Grüne gemeinsam neue soziale Hauptstütze der Monopole werden will, der muss auch Monopolpolitik betreiben.

Entsprechend vollführt Gregor Gysi seinen beeindruckenden Balz- bzw. Eiertanz zur Anpassung der Programmatik der Linkspartei an eine mögliche Koalition mit der SPD.

Die Ignoranz, mit der hierfür Kernforderungen des Wahlprogramms schon vor der Wahl zur Disposition gestellt werden, lässt tief blicken. Vor allem weil Gysi gleich mehrmals den „demokratischen Sozialismus“ beschwört. Für ihn bedeutet „demokratisch“ offensichtlich, die Führung macht, was sie will.

Die MLPD tritt für den echten Sozialismus ein. Ihr Prinzip ist der demokratische Zentralismus. Er garantiert, dass auch die Parteispitze sich an die Parteibeschlüsse hält und dass die Mitglieder die Herren der Partei sind.

Auch Gysis Forderung, die SPD möge wieder sozialdemokratische Politik machen, verdient eine genauere Betrachtung: So hat die SPD als Regierungspartei mit der „Agenda 2010“ die Einführung eines umfassenden Niedriglohnsektors beschlossen und die Rente mit 67 mit durchgesetzt. Gleichzeitig wurden von ihr Unternehmenssteuern gesenkt und Banken und Konzerne mit Milliardensummen subventioniert. Jetzt wird heuchlerisch ein Mindestlohn von 8,50 Euro gefordert. Aber auch vorher, zwischen 1950 und den 1970er Jahren, betrieb die SPD Monopolpolitik. Zeitweise wurden in Westdeutschland Reformen von oben gewährt, ohne Kampf der Arbeiter. Aber auch das diente nur der Stärkung des Kapitalismus und der Weckung von Illusionen in eine angebliche „soziale Markwirtschaft“.

Die MLPD hat die Losung „radikal links“ aufgestellt, um die zwei Richtungen im Linkstrend in Deutschland bewusst zu machen: Einerseits die reformistische Linkspartei, deren Führung für einen Regierungszipfel bereit ist, berechtigte Forderungen der Massenbewegungen zu kippen. Auf der anderen Seite die revolutionäre Linke, die MLPD. Sie ist radikal links, weil sie keine Rücksicht auf den Kapitalismus nimmt, weil sie dem kapitalistischen Übel an die Wurzel will.

Gysis vornehmste Aufgabe scheint die Verbreitung von Illusionen zu sein, man könne in einer Regierung unter einem SPD-Kanzler und gemeinsam mit den Grünen eine „soziale Politik“ verwirklichen. Tatsächlich ist das Ergebnis, dass sich Gysi und Co. immer mehr der bürgerlichen Monopolpolitik anpassen bzw. zu ihr überlaufen.

Wenn jetzt zum Teil völlig berechtigte Positionen der Linkspartei gekippt werden, macht sich die Partei allerdings auch für viele ihrer Wähler überflüssig. Eine Stimme für die Linkspartei ist eine verschenkte Stimme!

Eine Stimme für die MLPD ist dagegen eine Stimme für die konsequente Ablehnung aller Auslandseinsätze der Bundeswehr, für die Abschaffung von Hartz IV und eine Rente ab 60 Jahre für Männer sowie 55 Jahre für Frauen. Vor allem für eine echte Perspektive jenseits des Kapitalismus, für den echten Sozialismus!

Günter Slave / Jörg Weidemann