9 Jahre Montagsdemo – Protestkultur mit Zukunft
Montagabend, Stadtmitte, irgendwo in Deutschland. Mitten im Einkaufstrubel tauchen Transparente und Plakate auf. Ein Lautsprecher wird eingeschaltet, über Mikrofon kommt ein ganz anderer Ton, als man ihn aus den bürgerlichen Medien kennt.
Attackiert wird die zunehmende Vernichtung von Arbeitsplätzen, die Subventionierung der Banken mit Steuergeldern. Es geht um Alternativen, um den Kampf um jeden Arbeitsplatz, um die Rettung der Umwelt und grundlegende gesellschaftliche Veränderungen. Arbeiter, Arbeitslose, Rentner und Jugendliche ergreifen das Wort, lernen selbst Politik zu machen …
Die Montagsdemos sind heute zwar zahlenmäßig deutlich kleiner als zu ihrem Beginn im Sommer 2004. Aber die aktiven Demonstranten haben viel dazu gelernt. Sie haben Elemente der direkten Demokratie und einer Organisation mit Regeln der Überparteilichkeit entwickelt. Es gibt Mitstreiter aus verschiedenen Organisationen und parteipolitischen Richtungen.
Niemand weiß, wann der nächste Aufschwung der Massenbewegung kommt. So zugespitzt wie in Portugal und Griechenland ist die soziale Lage in Deutschland noch nicht. Angela Merkel setzt auf eine „Salami-Taktik“ der schleichenden, schrittweisen Verschlechterung der sozialen Lage, versüßt mit ein Paar Zuckerstückchen an anderer Stelle. Dennoch, der Druck der Ausbeutung in den Betrieben wird zunehmend unerträglich. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis auch Deutschland einen erneuten Einbruch innerhalb der seit Ende 2008 anhaltenden Weltwirtschafts- und Finanzkrise erleben wird.
Europarekord bei Niedriglöhnen …
Nur in Litauen liegt im europaweiten Vergleich der Anteil der Menschen, die von Niedriglöhnen leben müssen, höher als in Deutschland. Für 24 Prozent trifft das laut Statistik hier schon zu. Die Hälfte aller jungen Erwachsenen unter 25 Jahren gehört zu dieser Gruppe. Kein Wunder, dass sich immer weniger Menschen trauen, Kinder zu bekommen. Über 2,5 Millionen Beschäftigte haben einen Zweitjob, um zu überleben. Werkverträge, Leiharbeit, Schein-Selbständigkeit – es gibt viele Methoden, die Löhne zu drücken. 13 Millionen Menschen sind von Armut betroffen, jedes siebte Kind lebt von Hartz IV. Die Altersarmut in Deutschland nimmt dramatisch zu.
… Merkel feiert „Erfolge“
Die Bundeskanzlerin ficht all das wenig an. „Gemeinsam erfolgreich“ lautet das Resümee der CDU auf ihren Wahlplakaten. Doch auf dem „gleichen Boot“, auf dem wir angeblich alle sitzen, trinken die einen Cocktails auf dem Sonnendeck, während die anderen rund um die Uhr für Hungerlöhne im Maschinenraum schuften. Das ist dann die „Vollbeschäftigung“, von der das CDU-Wahlprogramm spricht.
Eine maßlose Übertreibung für das, was der Regierung in den letzten Jahren weitgehend ohne eigenes Zutun widerfuhr. Dass die Massenarbeitslosigkeit hierzulande bisher nicht so anstieg wie in vielen anderen Ländern Europas, liegt vor allem daran, dass seit Jahren weniger Jugendliche ins erwerbsfähige Alter kommen als ältere Menschen in Rente gehen. Gleichzeitig drängen erheblich mehr Jugendliche an die Universitäten und gab es zeitweilig eine verstärkte Abwanderung von Arbeitskräften aus Deutschland (siehe S. 8).
Der „Beruhigungspillen“-Wahlkampf der Regierungsparteien steht ganz im Zeichen ihrer nach wie vor hauptsächlichen Krisendämpfungspolitik. Peinlich bemüht sich die Regierung, nirgends anzuecken und alle potenziellen Zeitbomben für den Ausbruch offener politischer Krisen auszusitzen. Da sitzt Kanzleramtsminister Pofalla auf einem sich ausweitenden Abgrund der NSA/BND-Massenüberwachung, Verteidigungsminister De Maizière auf seiner Drohnen-Affäre und Innenminister Friedrich auf einem neuen, nicht minder brisanten Doping-Skandal. Alle versuchen zu lügen, zu taktieren und sich über die Runden zu retten – getreu dem Motto der drei Affen „Nichts sehen, nichts sagen, nichts hören“.
Große Koalition des Gedächtnisschwunds
Jetzt wirbt die SPD auf ihren Wahlplakaten für „gesetzlichen Mindestlohn“ und „ein Alter ohne Armut“. Die Grünen haben ihr Herz plötzlich für „faire Löhne“ und „Mut gegen Armut“ entdeckt.
Geht es noch scheinheiliger? Sie waren es doch, die die „Reformen“ von Gerhard Schröder brav abgenickt haben und sich damals noch für ihren „Mut“ zu „unpopulären“ Entscheidungen lobten, während sie die Montagsdemonstrationen – die mutig auf die Straße gingen – ablehnten und bekämpften. SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück beschimpfte noch 2007 Kritiker der „Agenda 2010“ in den Reihen der SPD als „Heulsusen“. Jetzt macht er selbst auf „soziale Gerechtigkeit“.
Festhalten am Kern der „Agenda“-Politik
SPD und Grüne versprechen jetzt einen Mindestlohn von 8,50 Euro. Wie von einem Mindestlohn von 8,50 Euro (bei 40 Stunden zirka 1.400 Euro brutto) Familien ihren Lebensunterhalt bestreiten und die permanent steigenden Preise vor allem für Energie und Nahrungsmitteln bezahlt sollen, interessiert sie herzlich wenig. Ihr Schwärmen für den Mindestlohn hat nur den Zweck, an der ganzen Richtung der Hartz-Gesetze und der Rente mit 67 weiter festzuhalten und lediglich ihre Auswirkungen etwas abzufedern. Darin sind sich CDU, CSU, FDP, SPD und Grüne wie in vielen anderen Punkten grundlegend einig. Und deshalb machen sie derzeit einen Wahlkampf mit der Wirkung eines Pfunds Schlaftabletten.
Wie „links“ ist die Linkspartei noch?
Für viele Menschen hatte bisher die Linkspartei noch das Ansehen einer wirklichen „linken Opposition“. Im Moment sind ihre führenden Wahlkämpfer dabei, auch das zu verspielen. Betört von der vermeintlichen Aussicht auf eine gemeinsame Koalition mit SPD und Grünen wirft Fraktionschef Gregor Gysi sogar beschlossene Positionen des Wahlprogramms über Bord. Im Interview mit „Bild am Sonntag“ gibt er sich mit der wachsweichen Formulierung von „deutlich mehr sozialer Gerechtigkeit“ in einem eventuellen Koalitionsvertrag zufrieden. Keine Rede ist da mehr von „Hartz IV muss weg!“, wie es noch im Wahlprogramm der Linkspartei heißt. Kein Wort auch davon, die Rente mit 67 „ohne Wenn und Aber“ abzuschaffen (siehe S. 9).
„Radikal links“ – dafür steht die MLPD
Ohne Wenn und Aber ist das klare Forderungsprogramm der MLPD. Sie nimmt auf keinerlei Koalitionsverhandlungen oder Regierungsaussichten Rücksicht. Sie steht im Unterschied zur Linkspartei in kämpferischer und kompromissloser Opposition zu den Monopolparteien und ihrem ganzen kapitalistischen System. Die MLPD fordert unter anderem klipp und klar:
• Weg mit den Hartz-Gesetzen! Erhöhung des Arbeitslosengeldes I und unbegrenzte Fortzahlung für die Dauer der Arbeitslosigkeit!
• Herabsetzung des Rentenalters auf 60 Jahre für Männer und 55 Jahre für Frauen bei vollem Rentenausgleich!
• Senkung der Massensteuern, Abschaffung der indirekten Steuern und drastische progressive Besteuerung der Großunternehmen und Großverdiener!
• Schaffung von ausreichendem und preisgünstigem Wohnraum!
• Gründliche und kostenlose medizinische Vorsorge, Betreuung und Behandlung!
Wer wirklich etwas ändern will, der muss sich entscheiden für den Weg der revolutionären Veränderung, der muss selber aktiv werden: am besten in einer der Wählerinitiativen der MLPD. Denn erst in einer sozialistischen Gesellschaft kann der wachsende Reichtum aus gesellschaftlicher Produktion und Natur dem Lebensstandard aller auf höchstem Niveau zugute kommen.
MLPD gratuliert Montagsdemos
Die MLPD ist stolz auf die neunjährige Erfolgsgeschichte der Montagsdemonstrationen und darauf, sie von Anfang an verlässlich unterstützt zu haben. Sie ist sich ihrer Bedeutung gerade über den Wahltag hinaus bewusst. In einem internen Papier hat Finanzminister Schäuble schon durchblicken lassen, dass nach der Wahl massive Haushaltskürzungen und Steuererhöhungen geplant sind. Mit ihrer einzigartigen gewachsenen Protestkultur werden die Montagsdemos eine wichtige Rolle bei der Organisierung und Zusammenfassung kommender Proteste gegen die verschärfte Abwälzung der Krisenlasten spielen.