Zur Einheit von Arbeit und Natur
Über die Umweltfrage wurde im Referat – anders als in Block 1 – höchstens noch konkret gesprochen anhand von ein, zwei Beispielen und auch einige Redner haben heute morgen nur noch von der Verschärfung der Ausbeutung der Arbeitskraft der Arbeiter gesprochen, die die Krise mit sich bringen würde. Das stimmt natürlich, aber auch die Verschärfung der Ausbeutung der natürlichen Lebensgrundlagen wird immens gesteigert.
Wir werden die Versuche erleben, eine beschleunigte Kapitalvernichtung zu erreichen, z.B. im Bergbau, um den Weg frei zu machen für Fracking. Ebenso wie bei anderen Mega-Projekten geht es dabei um neue Anlagemöglichkeiten für das überakkumulierte Kapital auf Kosten von Mensch und Natur. Wir hatten vor kurzem die Offene Akademie in Stuttgart und haben viel über die gefährliche Fracking-Technologie erfahren. Am meisten erstaunt hat mich aber, dass das in Deutschland insbesondere von dem internationalen Übermonopol ExxonMobil betrieben wird, ein umweltfeindlicher Konzern erster Ordnung, der schon die ganze Küste Alaskas mit Öl verseuchte. Was haben die eigentlich hier im Boden unter Norddeutschland zu suchen, wo sich hierzulande das größte Fracking-Gelände befindet? Da wird doch die Natur als zweite Quelle des Reichtums im wahrsten Sinne des Wortes untergraben!
Und wenn wir uns weitergehend die ständig zunehmende Spekulation mit Naturschätzen ansehen, die von den internationalen Börsen ausgeht, ist dies kein Einzelfall. Es ist vielmehr Ausdruck des Widerspruchs zwischen der kapitalistischen Produktionsweise und den natürlichen Lebensgrundlagen der Menschheit, der heute gesetzmäßig geworden ist und gerade in der Krise und in den Versuchen zu ihrer Bewältigung seitens der Monopole verschärft wird.
Marx spricht von den „naturwüchsigen Produktionsmitteln“, das sind die zur Produktion vorgefundenen Naturkräfte wie Erde, Luft, Wasser, Bodenschätze. Deshalb nennt er die Natur in der Kritik des Gothaer Programms die zweite Reichtumsquelle neben der Arbeit. Mit dieser Aussage wollte er aber nicht nur eine inhaltlich-sachliche Ergänzung vornehmen, wie ich es bisher tendenziell verstand in dem Sinne, dass die Natur eben noch hinzukommt. Marx unterstrich damit vor allem seine prinzipielle Kritik am Privateigentum, nicht nur an den Fabriken, sondern auch an der Natur.
Das führte er im dritten Band des „Kapital“ ausführlich aus in der Kritik an der Grundrente. Der kapitalistische Grundstück-Besitzer glaubt, sie zu Recht einzustreichen, weil er ja den Boden für gutes Geld gekauft hat. Marx polemisiert und sagt, dieser Anspruch sei lediglich ein Titel, niemals jedoch ein natürliches Recht. Der Titel sei nur durch die kapitalistischen Produktionsverhältnisse geschaffen, sobald diese aber an einen Punkt der „Umhäutung“ kämen, falle der ganze schöne Titel und alle auf ihn begründeten „Transaktionen“ weg. Daran knüpft er die vorausschauende Erkenntnis:
„Vom Standpunkt einer höhern ökonomischen Gesellschaftsformation wird das Privateigentum einzelner Individuen am Erdball ganz so abgeschmackt erscheinen, wie das Privateigentum eines Menschen an einem anderen Menschen.“ (MEW Bd. 25, S.784)
Erst dann folgen die Worte, die sich aber schon auf die „höheren Formationen“ beziehen und auch in der Umweltbewegung oft zitiert werden, dass selbst ganze Gesellschaften zusammen nicht Eigentümer der Erde seien und wir uns ihr gegenüber wie „gute Familienväter“ verhalten müssten, d.h. sie den kommenden Generationen verbessert zu hinterlassen. Für Marx war das jedoch keine Utopie, sondern die Schlussfolgerung seiner ebenso schonungslosen wie wissenschaftlichen Kritik am kapitalistischen Privateigentum an den Produktionsmitteln einschließlich des Privateigentums am Erdball.
Diese Ausführungen erfahren gerade heute eine noch größere Bedeutung und Weiterentwicklung dadurch, dass die Umweltkrise zu einer gesetzmäßigen Erscheinung des Kapitalismus geworden ist und die natürlichen Lebensgrundlagen existenziell gefährdet sind. Nicht erst vom Standpunkt höherer gesellschaftlicher Formationen, also des Sozialismus und Kommunismus, darf das Privateigentum an der Natur so „abgeschmackt“ erscheinen wie die Sklaverei, sondern bereits vom Standpunkt der jetzigen gesellschaftlichen Formation auf der Stufe der Neuordnung der internationalen kapitalistischen Produktion.
Ich denke, das ist gerade deshalb so wichtig, weil dieser Zusammenhang der Umweltfrage mit der Eigentumsfrage und diese marxistische Sichtweise dem Kampf für den Sozialismus eine Masse neuer Menschen zuführen wird und einen neuen Zugang schafft zur proletarischen Revolution.
Beitrag auf dem Europaseminar von Peter Borgwardt (ZK der MLPD)