International gegen die Abwälzung der Krisenlasten auf die Massen!

Mitten in die Empörung über die wachsende Altersarmut platzte der vorzeitig bekannt gewordene vierte „Armuts- und Reichtumsbericht“ der Regierung.

Er lässt durchschimmern, dass sich eine verschwindend kleine Schicht von Superreichen einen immer größeren Teil des gesellschaftlichen Reichtums unter den Nagel reißt, während vor allem Arbeiterfamilien, ältere Menschen, alleinerziehende Frauen immer weniger Geld zum Leben haben. Das Nettovermögen der privaten Haushalte in Deutschlands hat sich laut Bericht allein in den letzten fünf Jahren um 16 Prozent erhöht, wobei Anfang 2012 zehn Prozent der Haushalte mehr als die Hälfte davon besaßen. Die untere Hälfte der Haushalte verfügt dagegen nur über gut ein Prozent.

In der Regierung brachen darüber sofort neue Gräben auf. Sozialministerin Ursula von der Leyen (CDU) spricht in dem von ihr vorgelegten Bericht selbst nebulös davon, dass höhere Abgaben für „privaten Reichtum“ zu „prüfen“ seien. Selbst das geht Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) schon zu weit. Kategorisch lehnt er „Forderungen nach höheren Steuern“ für Großverdiener ab. Auch Bundeskanzlerin Merkel hält das „in den augenblicklichen Zeiten überhaupt für falsch“ und weist ihre „Parteifreundin“ Von der Leyen zurecht.

Die Behauptung, dass die mit den höchsten Einkommen und Vermögen am meisten zur Finanzierung des Staatshaushalts beitrügen, ist allerdings dreiste Demagogie. Tatsächlich nimmt der Anteil der Massensteuern (Lohnsteuer, Mehrwertsteuer usw.) am Gesamtsteueraufkommen zu, von 71,4 Prozent im Jahr 2007 auf 74,3 Prozent 2010. Gleichzeitig sank der Anteil der Unternehmenssteuern von 15,8 auf 14,4 Prozent. Dass das oberste Zehntel der Haushalte rund die Hälfte aller Einkommensteuern aufbringt, beweist vor allem, wie sehr sich die Schere bei den Einkommen auseinander entwickelt. Im Verhältnis zu ihrem Einkommen werden Geringverdiener durch die staatlichen Abgaben insgesamt – einschließlich Beiträgen zur Sozialversicherung und indirekten Steuern – weitaus höher als Großverdiener belastet.

Wer sind die wirklichen „Reichen“?
Die ganze Methode des „Armuts- und Reichtumsberichts“ lenkt allerdings von der wirklichen Dimension der immer stärkeren Konzentration des gesellschaftlichen Reichtums und den Ursachen in der kapitalistischen Klassengesellschaft ab. Der größte Teil der oberen „zehn Prozent der Haushalte“ besitzt lediglich „peanuts“ im Vergleich zu der verschwindend kleinen Schicht des allein herrschenden internationalen Finanzkapitals, das sich heute die gesamte Gesellschaft und die internationale Produktion untergeordnet hat. Die 30 größten im Deutschen Aktienindex (DAX) gelisteten Konzerne – dazu gehören führende deutsche Monopole wie VW, Siemens, Daimler, BASF, RWE, E.on – haben 2011 mehr als 100 Milliarden Euro offiziellen Gewinn verbucht, eine Steigerung von 8 Prozent gegenüber 2010. Nimmt man die Vorstandsmitglieder der 30 DAX-Konzerne und ihre Familien, machen sie gerade mal 0,0005 Prozent der Bevölkerung aus.
Auch die staatliche Umverteilungspolitik über „Rettungsschirme“, Infrastrukturmaßnahmen, Investitionsbeihilfen, Forschungssubventionen und vieles mehr landet in erster Linie in den Kassen der internationalen Monopole. Viele Konzerne zahlen insbesondere aufgrund der ausgeweiteten Verrechnungsmöglichkeiten von Gewinnen und Verlusten zwischen Mutter- und Tochtergesellschaften kaum noch Steuern.
Kein Wort in dem Bericht auch zur verschärften Ausbeutung der menschlichen Arbeitskraft in den Betrieben. Der Umsatz, den ein Beschäftigter in der Industrie pro Jahr im Durchschnitt erarbeitet, hat sich seit 1991 fast verdreifacht, während die Reallöhne in dieser Zeit sogar um 5 Prozent sanken. Mit ihrer Politik der Ausdehnung des Niedriglohnsektors, der Minijobs und der Leiharbeit haben die verschiedenen Regierungen der letzten Jahrzehnte maßgeblich die Verschärfung der Ausbeutung und damit der Klassenwidersprüche vorangetrieben.

Geht es „uns Deutschen“ noch gut?
Gern verweisen bürgerliche Politiker darauf, dass es „uns“ in Deutschland ja noch verhältnismäßig gut gehe – im Vergleich etwa zu den südeuropäischen Ländern. Dass es in Deutschland rund 950.000 Millionäre und mehr als 100 Milliardäre gibt, nützt den 20 Prozent der Beschäftigten, die mittlerweile im Niedriglohnbereich arbeiten müssen, allerdings recht wenig. Tatsächlich setzt die Merkel-Regierung in Deutschland immer noch hauptsächlich auf eine Politik der Krisendämpfung. Das hat gute Gründe.
Welche Angst die Merkel-Regierung davor hat, dass der Funke der wieder aufflammenden Massenproteste in Portugal, Spanien oder Griechenland international und insbesondere auf das imperialistische Kernland Deutschland überspringt, zeigt ihr Deal mit spanischen Gewerkschaftsführern. Gemeinsam mit DGB-Chef Michael Sommer setzte sie sich unmittelbar in intensiven Verhandlungen mit den für den Kohlebergbau zuständigen spanischen Gewerkschaften UGT und CCOO dafür ein, dass diese den Streik der Bergarbeiter beenden bzw. seine Wiederaufnahme sabotieren.
Merkel tritt in Europa in der Regel als Scharfmacherin der rigorosen Abwälzung der Krisenlasten auf, während hierzulande noch die Krisendämpfung im Vordergrund steht. Schon jetzt ist Deutschland alles andere als eine „Insel der Glückseligen“. Die Krisenprogramme in südeuropäischen Ländern lassen dort die Pkw-Bestellungen massiv einbrechen. Die Automobilkonzerne reagieren mit Kurzarbeit sowie Plänen zu Werksschließungen und weiterer Arbeitsplatzvernichtung in Europa. Im Juni 2012 haben Spitzenvertreter der europäischen Wirtschaft, darunter deutsche Monopolvertreter von Siemens, ThyssenKrupp, BMW und Telekom von den Staats- und Regierungschefs der EU unter anderem gefordert, arbeitspolitische Vorschriften und Schutzregeln weiter einzuschränken. Die ständig neuen Beschlüsse zur „Euro-Rettung“ treiben auch in Deutschland die Staatsverschuldung weiter auf die Spitze. Man muss davon ausgehen, dass die Regierung früher oder später auch hier zu einer rigoroseren Abwälzung der Krisenlasten übergeht.  

Länderübergreifender Kampf gegen Krisenprogramme
Es ist genau richtig, dagegen auch in Deutschland Flagge zu zeigen. Dafür steht die 9. bundesweite Herbstdemonstration am 6. Oktober in Berlin unter dem diesjährigen Motto „International gegen die Abwälzung der Krisenlasten auf den Rücken der Völker“. Sie wendet sich ausdrücklich gegen die volksfeindliche Regierungspolitik – auch gegen ihre umweltpolitische „Rolle rückwärts“ und Beteiligung an imperialistischen Kriegseinsätzen. Sie fördert den breiten Zusammenschluss von Arbeitern und Arbeitslosen mit der Rebellion der Jugend und der Frauenbewegung.
Die MLPD beteiligt sich auch an den Aktionen am 29. September, die vom Bündnis „Umfairteilen“ organisiert werden. Sie hat zugleich verschiedene Kritiken an den damit verbundenen Halbherzigkeiten und Illusionen. So unterstützenswert die Forderung nach einer Wiedereinführung der Vermögenssteuer ist, greift sie doch viel zu kurz. Notwendig ist eine drastisch progressive Besteuerung aller Einkommen von Großunternehmen und Großverdienern sowie eine gleichzeitige Senkung der Massensteuern und Abschaffung der besonders unsozialen indirekten Steuern. Völlig illusionär ist die Vorstellung, über „Vermögensabgaben“ mehr „Verteilungsgerechtigkeit“ im Kapitalismus zu verwirklichen. „Gerechte Verteilung“ kann es in einem System, das auf der Ausbeutung und Unterdrückung der Arbeiter beruht, nicht geben. Auch die nach wie vor anhaltende tiefste Weltwirtschafts- und Finanzkrise des Kapitalismus hat ihre gesetzmäßige Ursache  in dieser Ausbeutung. Die zunehmende Krisenhaftigkeit des Imperialismus verschärft allseitig die gesellschaftlichen Widersprüche, führt also zum genauen Gegenteil einer „fairen“ Gesellschaft. Eine Verteilung nach dem jeweiligen Beitrag zur gesellschaftlichen Produktion wird es erst nach der Beseitigung von kapitalistischer Ausbeutung und Unterdrückung im Sozialismus geben.
Wer sich genauer über den Weg der MLPD, ihre Ziele, Repräsentanten und ihre Kleinarbeit informieren will, ist herzlich eingeladen zur Großveranstaltung „30 Jahre MLPD“ am 3. November in Dortmund. Für eine tiefergehende Auseinandersetzung über die mit der EU-Politik und ihrer Krise zusammenhängenden Fragen ist das Europaseminar von MLPD und ICOR am 1./2. November – ebenfalls in Dortmund – geeignet. Die Stärkung der revolutionären Weltorganisation ICOR ist heute die wichtigste Voraussetzung zur Organisierung eines länderübergreifenden Kampfs gegen die Krisenprogramme.