Verfassungsgerichtsurteil zum Einsatz der Bundeswehr im Inland – ein Dammbruch
Am 17. August hat das Bundesverfassungsgericht in einer sogenannten „Plenarentscheidung“ (gemeinsame Entscheidung beider Senate des Verfassungsgerichts, erst die fünfte in seiner Geschichte) entschieden, dass die Bundeswehr in „ungewöhnlichen Ausnahmesituationen katastrophischen Ausmaßes“ auch im Innern unter Einsatz militärischer Mittel (schwere Waffen, Panzer, Kampfflugzeuge, Kriegsschiffe) eingesetzt werden darf. Die soll auf Beschluss der Bundesregierung, nicht allein durch einen Eilbeschluss des Verteidigungsministers möglich sein.
Die Plenarentscheidung wurde gefällt, weil der frühere erste Senat des Bundesverfassungsgerichts in einer Entscheidung zum sogenannten „Luftsicherheitsgesetz“ diesen Einsatz noch abgelehnt hatte. Vor etwa zwei Jahren wollte dann der zweite Senat ebenfalls in einer Entscheidung zum „Luftsicherheitsgesetz“ (nach einer Klage verschiedener Bundesländer, für die der zweite Senat zuständig ist) davon jedoch abweichen.
Diese Entscheidung ist ein Dammbruch innerhalb der schon länger bestehenden Tendenz zur Militarisierung der „Inneren Sicherheit“ der BRD. Selbst namhafte bürgerliche Journalisten wie z. B. Heribert Prantl von der „Süddeutschen Zeitung“ sprechen deshalb unter anderem von einem „Katastrophen-Beschluss“ (18. 8. 12.) Dieser Dammbruch besteht aus mehreren Aspekten.
Seit Jahren versuchen CDU und CSU durch eine Änderung des Grundgesetzes den Einsatz der Bundeswehr im Innern weitergehend zu legalisieren. Dazu fehlte aber selbst zu Zeiten der Großen Koalition die nötige Zweidrittel-Mehrheit im Bundestag. Diese Grundgesetzänderung wird nun durch die Verfassungsgerichtsentscheidung überflüssig, da es den Bundeswehreinsatz im Inneren grundsätzlich als durch die bisherigen Regelungen gedeckt ansieht. Das stößt bis hinein in bürgerlich-liberale Kreise auf erhebliche Kritik: das Verfassungsgericht habe des Grundgesetz nicht ausgelegt, sondern auf kaltem Wege geändert und damit seine Kompetenzen überschritten.
Zulässig war bisher nur der „unbewaffnete“ Bundeswehreinsatz bei Naturkatastrophen (wie bei der „Oderflut“) und der Einsatz mit militärischen Mitteln im Rahmen der Notstandsgesetze gegen „bewaffnete, organisierte Aufständische“, die den „Bestand der freiheitlich-demokratischen Grundordnung“ der BRD bedrohen. Das richtet sich gezielt gegen die revolutionäre Arbeiterbewegung und eine sozialistische Revolution. Diese Schwelle wird jetzt abgesenkt, indem mit dem höchst dehnbaren Begriff der „ungewöhnlichen Ausnahmesituation katastrophischen Ausmaßes“ operiert wird. Wenn das Verfassungsgericht einschränkt, dass Großdemonstrationen keine solchen Ausnahmesituationen seien, macht es damit indirekt deutlich, dass es eben genau um eine akut revolutionäre Situation geht, in der die Massen von einzelnen Streiks und Demonstrationen zu politischen Massendemonstrationen, -streiks und -blockaden übergehen, in der Zusammenstöße mit dem Staatsapparat zunehmen usw. Das zeigt ihre eigentliche Angst vor einem revolutionären Aufschwung der Arbeiter- und Massenkämpfe, wovon die ständige Hetze gegen die Gefahr des „Terrorismus“ nur ablenken soll.